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Hohe Wellen in Halle

Erst vor einer Woche hat das Rektorat der Martin-Luther-Universität weitreichende Spar- und Umstrukturierungspläne präsentiert – und will sie schon heute durch den Hochschulsenat bringen. Vier Tage vor der Landtagswahl und in öffentlicher Online-Sitzung. Die Aufregung ist groß.

Martin Luther Universität Halle-Wittenberg - MLU Universitätsplatz Innenstadt Halle.

Foto: Paul Muster, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons.

ES DÜRFTE EINE AUSSERORDENTLICHE SITZUNG werden. Nicht nur, weil der Rektor der Martin-Luther-Universität (MLU) den Hochschulsenat außer der Reihe für heute Nachmittag einberufen hat. Sondern auch, weil schon bevor die hochschulöffentliche Videokonferenz startet, die Studierenden zu Protesten auf dem Universitätsplatz in der Innenstadt von Halle aufgerufen haben. Die Demo ist bis 13.30 Uhr angesetzt, um 13.30 Uhr startet die Senatssitzung. Den Rest kann man sich ausmalen.

 

In vier Tagen wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt, doch die Hochschulleitung um MLU-Rektor Christian Tietje hat sich entschieden, zumindest den hochschulpolitischen Showdown um ein paar Tage vorzuziehen. Vergangenen Mittwoch hat das Rektorat einen "Plan zur Profilschärfung und Haushaltskonsolidierung" der Universität beschlossen und im Anschluss öffentlich gemacht. Und schon heute, nur eine Woche später, will Tietje auch im Senat eine Grundsatzentscheidung darüber herbeiführen, wie die Universitätspressestelle bestätigte. Ob das wie gewünscht gelingt, ist fraglich. Denn der Plan hat es in sich. 

 

Von Einsparungen in der Größenordnung von 100 Vollzeitstellen ist darin die Rede, größtenteils auf Kosten befristeter Beschäftigter. Verschiedene Fakultäten sollen miteinander fusionieren, einige Institute die Fakultät wechseln oder sogar miteinander verschmelzen. Die Lehrstühle für Latinistik, Gräzistik, Mittel- und Neulateinische Philologie und für die Archäologie des Vorderorients sollen voraussichtlich verschwinden, ihre Wiederbesetzung sei nach "gegenwärtigem Erkenntnisstand problematisch" – wegen zu geringer Drittmittel und Studierendenzahlen. Wegfallen sollen, weil "kaum Studierende vorhanden" seien, auch die Professuren für Japanologie sowie für die Sprache und Kultur Südasiens, das Institut für Altertumswissenschaften soll dem Rektoratspapier zufolge komplett aufgelöst werden. 

 

"Ungeheure Machtanmaßung
des Rektorats"?

 

Die Wellen an Sachsen-Anhalts größer Hochschule (gut 20.000 Studierende) schlagen hoch. Von einem "Kahlschlag", den es zu verhindern gelte, spricht der Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät I, die zerschlagen werden soll – und hat die Demo auf dem Uniplatz organisiert. Die begleitende Online-Petition hat innerhalb weniger Tage 12.000 Unterstützer gefunden. "Abwegig" und "unverantwortlich" nennen betroffene Institute die Rektoratspläne, diese seien ein "überfallartiges Manöver". Sollte das Rektorat in der Sitzung nicht beidrehen, handle es sich um eine "ungeheure Machtanmaßung", dann müssten die Dekane geschlossen zurücktreten. Sogar Gerüchte von einem in diesem Fall anstehenden "konstruktiven Misstrauensvotum" des Senats gegen die Hochschulleitung machten in den vergangenen Tagen die Runde. 

 

Christian Tietje selbst gab sich auf Anfrage vor der Sitzung wortkarg. In dem Streichungsplan verweist sein Rektorat auf eine "deutliche Diskrepanz zwischen den der Universität zugewiesenen Aufgaben und den zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln". Aktuell verschärft werde die Situation dadurch, dass die Landesregierung die Zahl der Vollzeit-Stellen über das Hochschulpakt-Nachfolgeprogramm "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" einseitig auf künftig gut 2000 festgelegt habe. 

 

Der Name des Sparplans sagt es schon: Die Kürzungen will das Rektorat mit "Profilschärfung" verbinden, die neu gegliederten Fakultäten sollen thematisch stimmiger werden: eine Fakultät für Sozial-, Bildungs- und Erziehungswissenschaften. Eine mit "historisch – philologisch – kulturwissenschaftlicher" Schwerpunktsetzung, eine neue Fakultät für Lebenswissenschaften. Auch soll die Verwaltung der Fakultäten "deutlich" professionalisiert werden – was deren Dekane übrigens als Aussage über dend Ist-Zustand ziemlich auf die Palme bringt. Vielen folgt die vermeintliche Profilschärfung in Sachen Stellenabbau denn auch eher einer anderen Logik: Die betroffenen Lehrstühle stünden nur auf der Streich-Liste, sagen sie, weil deren Inhaber bereits emeritiert seien, bald emeritiert würden oder deren Neubesetzung noch anstehe.

 

Für die Beschreibung und Herleitung des strukturellen Defizits, das auf jährlich 15 Millionen Euro beziffert wird, verwendet das Rektorat fast ein Drittel des 24-seitigen Papiers, weil man, wie es heißt, die aktuelle Haushaltssituation nur verstehen könne, wenn ein Blick auf die Entwicklung im Bereich Personal und Finanzen "der letzten 30 Jahre" geworfen werde.

 

Genau das ist allerdings auch das, was viele in der Universität gerade so sehr irritiert – selbst jene, die den vorhandenen Reformbedarf nicht abstreiten. "Dass wir ein grundsätzliches Problem haben, ist schon seit vielen Jahren bekannt, und viele Jahre lang ist nicht ausreichend gehandelt worden. Das meine ich durchaus auch selbstkritisch", sagt Chemieprofessor und Senatsmitglied Michael Bron, der bis 2018 selbst vier Jahre lang Prorektor war. "Aber die so lange verschleppten Strukturreformen dürfen jetzt nicht mit der Brechstange innerhalb weniger Tage durchgezogen werden, sondern bedürfen der gründlichen Diskussion in den demokratisch legitimierten Gremien der MLU."

 

Warum drückt das Rektorat
plötzlich so aufs Tempo?

 

Lukas Wanke, Student in der Philosophischen Fakultät I, ist ebenfalls Mitglied im Senat und sieht das mit der Notwendigkeit der Strukturreformen etwas anders: Man dürfe angesichts des seit zehn Jahren stehenden strukturellen Defizits die Landesregierung nicht aus der Verantwortung lassen, sagt er, die Abschaffung eines Großteils der kleinen Fächer komme nicht in Frage. Doch auch Wanke meint, das Finanzproblem habe sich "nicht derart akut verschlechtert, dass wir mit einer Woche Vorlauf über den Wegfall von etwa zehn Professuren entscheiden müssten." Er sei kein Haushaltsexperte, "aber die Erklärung für das plötzliche 15-Millionen-Defizit erschien mir auch nicht schlüssig."



Auf die Frage, was ihn und sein Rektorat bewogen hat, plötzlich derart aufs Tempo zu drücken – und noch dazu eine halbe Woche vor der Landtagswahl, bei der auch die politische Zukunft von Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) zur Disposition steht, darauf will Tietje keine Antwort geben.

 

Was er aber will: dass der Senat den Plänen schon heute grundsätzlich zustimmt. In dem Beschlussvorschlag für die Sitzung, der mir vorliegt, steht: "Details in allen Bereichen" des Plans zur Profilschärfung "bedürfen weiterer Diskussion bis zur endgültigen Implementierungsreife. Die grundsätzliche Ausrichtung dieser Diskussion wird mit diesem Papier indes festgelegt."

 

Aus Willingmanns Ministerium kommen derweil scharfe Töne. Das MLU-Rektorat treffe in seinem Grundsatzbeschluss "überraschende wie irritierende Aussagen". Den Vorwurf einer mangelnden Finanzierung der Universität in den vergangenen Jahren hält Willingmanns Ministerium für "in keiner Weise nachvollziehbar" und weist ihn "scharf" zurück. Vielmehr sei das Grundbudget seit 2015 um 22 auf gut 157 Millionen Euro "deutlich" gestiegen, darin seien zusätzlichen Zuschüsse für die Lehrerbildung, für den Inflationsausgleich und für den Ausgleich der wegfallenden Langzeitstudiengebühren noch nicht einmal enthalten.

 

Das Rektorat gibt in seinem Papier dagegen an, die Entwicklung des MLU-Haushaltes sei in den letzten Jahren "durch eine nominelle Steigerung" durch das Land gekennzeichnet gewesen, "ein realer Aufwuchs verfügbarer finanzieller Mittel war damit indes kaum verbunden."

 

Klar sei bereits jetzt, hält Willingsmanns Haus entgegen, "dass das Wissenschaftsministerium eine Absenkung der Leistungsfähigkeit der Universität Halle nicht akzeptieren oder einen von Dritten befürchteten 'Kahlschlag' nicht zulassen wird". Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen wie die Änderung des Fakultätszuschnitts und die Schließung von Studiengängen aus strukturellen Gründen könnten zudem nur im Einvernehmen mit dem Ministerium umgesetzt werden.

 

Die Verärgerung des Ministers 
drei Tage vor der Wahl ist groß

 

Die Verärgerung des Ministers ist der Stellungnahme seines Hauses deutlich anzumerken. Verständlich, muss Willingmann die im Konzept enthaltene Frontalkritik so kurz vor der Wahl doch als beabsichtigten Tritt vors Schienbein deuten. Wenn die SPD aus der Regierung fliegt: geschenkt. Wenn der beliebte Willingmann, der gerade von den Mitgliedern des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) zum zweiten Mal zum "Wissenschaftsminister des Jahres" gewählt worden ist, aber in der neuen Legislaturperiode Ressortchef bleibt, dann wird Tietje reichlich zerschlagenes Porzellan kitten müssen.

 

Welches der taktische Vorteil sein soll, nicht bis nach der Wahl gewartet zu haben und dann in die Koalitionsverhandlungen hineinzuwirken, bleibt unklar. Ist der Glaube an die Reformfähigkeit der eigenen Universität im Rektorat am Ende so gering, dass man glaubt, die Widerstände nur durch einen fast schon verzweifelt wirkenden Überraschungsangriff überwinden zu können? Ganz unplausibel wäre eine solche Einschätzung tatsächlich nicht.

 

Die Universität Halle-Wittenberg hat die tiefgreifenden Strukturreformen, die der Wissenschaftsrat schon 2013 empfohlen hatte, bis heute kaum umgesetzt – obwohl sie es 2014/2015 anders versprochen hatte. Konnten sich die verschiedenen Rektorate die Verschleppung leisten, trotz der zu dieser Zeit tatsächlich massiven Haushaltskürzungen durch die Landesregierung, weil parallel viele Millionen an Geldern aus dem Hochschulpakt hereinkamen? So stellt es Willingmanns Ministerium dar, und auch das Rektorats-Papier bestätigt: Die strukturelle Lücke sei seit 2014 nicht beseitigt worden, "sie wurde durch vorübergehende Effekte allerdings überdeckt" – vor allem durch die Auswirkungen des Hochschulpakts.

 

Fallen Tietje die Versäumnisse 

seiner Vorgänger auf die Füße?

 

Das Wissenschaftsministerium betont indes, dass alle anderen sechs staatlichen Hochschulen des Landes ihre damals vereinbarten Reformaufgaben gemacht hätten. 

 

Weshalb sie jetzt mit den steigenden Budgets hinkommen? Vielleicht will Willingmann die MLU und die anderen Hochschulen auch nur gegeneinander ausspielen. Doch ist auffällig, das bislang keiner von Tietjes sechs Rektorenkollegen ihm zur Seite gesprungen und sich der Kritik an der mangelnden Finanzierung durch die aktuelle Landesregierung angeschlossen hat.

 

"Es gibt mächtige Gruppen an der Universität, die sich seit sieben, acht Jahren gegen notwendige Reformen wehren und eine Blockadepolitik fahren, anstatt endlich selbst tragfähige Konzepte vorzulegen, wie es künftig gehen kann", sagt derweil Ex-Prorektor und Senatsmitglied Bron. "Die verschiedenen Rektorate hätten gegenhalten können, aber wir alle an der Universität haben zu lange den Konflikt und den Knall gemieden."

 

Ist der Juraprofessor Tietje, seit September 2018 im Amt, nun derjenige, dem die Versäumnisse auf die Füße fallen, weil der neue Zukunftsvertrag mit seinen neuen Verteilungsschlüsseln die Hochschulpakt-Sonderkonjunktur für die MLU beendet? Jedenfalls fällt auf, wie das Rektorat sich in seinem Papier an den Jahren 2013 und folgende abarbeitet, an den damaligen Vorschlägen des Wissenschaftsrats und der danach vereinbarten Hochschulstrukturplanung. Die das Rektorat jetzt für teilweise "unrealistisch und letztlich weltfremd" hält und durch seine eigenen Vorschläge ersetzen will – mit sieben Jahren Verspätung wohlgemerkt. Einen 2014 von der Universität vorgelegten Plan hatte das Ministerium nicht akzeptiert.

 

Dass etwas passieren muss, sehen inzwischen auch die Dekane so. Alle acht (mit Ausnahme der nicht betroffenen medizinischen Fakultät) haben am Dienstag ihrerseits eine vierseitige Stellungnahme veröffentlicht, in der sie "den Ernst der Situation und den daraus resultierenden Handlungsdruck" anerkennen. Die Dekane und die Fakultäten seien bereit, sich den Herausforderungen zu stellen, und böten eine "konstruktive Mitarbeit bei der Erarbeitung von Maßnahmen an". Das Papier des Rektorats sei dafür eine "erste Diskussionsgrundlage", doch erscheine der darin enthaltene Zeitplan "angesichts der Komplexität und Tragweite der vorgesehenen Beschlüsse nicht realistisch".

 

Wird die MLU gerade zu 

einem bundesweiten Lehrstück?

 

Laut Rektoratskonzept sollen unter anderem innerhalb der nächsten acht Wochen alle nötigen Detailbeschlüsse zur neuen Fakultätsgliederung sowie zur Änderung und Ausarbeitung der neuen Stellenstruktur gefasst werden.

 

Die Dekane haben im Senat kein Stimmrecht, doch "in ihrer beratenden Funktion" empfehlen sie den Senatoren "mit Nachdruck, einen Grundsatzbeschluss nicht auf Basis des Rektoratsbeschlusses" zu treffen.

 

Wird Tietjes Rektorat das reichen? Oder geht die Hochschulleitung heute aufs Ganze, weil es den Fakultäten ihren Reformwillen nicht abnimmt und erneutes Zeitspiel wie in den vergangenen Jahren vermutet? Und was bedeutet für den Konflikt, dass er heute nicht persönlich ausgetragen werden kann, sondern per Online-Sitzung stattfindet – unter aller Augen?

 

Das FAZ-Feuilleton schrieb gestern in einem fleißig an der Uni verteilten Beitrag von einem "Feldzug gegen die Vielfalt", das Strukturpapier des Rektorats zeige eine "rücksichtslose Härte" und sei "im verräterischen Idiom der Unternehmensberatung" verfasst. 

 

Wie es heute und in den nächsten Wochen weitergeht, interessiert die Hochschulszene jedenfalls weit über Sachsen-Anhalt hinaus. Nicht nur weil auch anderswo Reformen verschleppt wurden, was jetzt bei einer Neuverteilung der Bundesgelder nach dem Hochschulpakt an vielen Stellen augenscheinlich werden dürfte. Sondern auch weil in ersten Ländern coronabedingt zusätzliche Einsparungen drohen, wodurch wiederum auch kleine Fächer unter Druck geraten. Was, wie zumindest das Willingmann-Ministerium versichert, in Sachsen-Anhalt nicht passieren werde, weil den Hochschulen "ihre deutlich erhöhten Budgets" bereits bis Ende 2024 garantiert seien.

 

So oder so ist die MLU gerade dabei, zu einem bundesweiten Lehrstück zu werden – wie eine Universität überfällige Strukturreformen gemeinsam, aber doch zügig und ohne schwere gegenseitige Verletzungen angeht – oder wie sie darüber an sich selbst scheitert. 


Nachtrag am 02. Juni, 19 Uhr

Universität schiebt Reformen auf

 

Mehrere hundert Studierende und Universitätsmitarbeiter versammelten sich am Mittwochmittag nach Angaben der Bürgerplattform "Halle Spektrum" zur angekündigten Demonstration auf dem Universitätsplatz.

 

Der Senat beschloss nach vierstündiger Sitzung dann, dass er den Plan des Rektorats "als Einstieg in eine ergebnisoffene Diskussion zur Kenntnis" nehme. Das war es aber auch schon: Die gewünschte Grundsatzentscheidung bekam Rektor Christian Tietje nicht, er selbst war aber auch schon in seinem Eröffnungsstatement zu Beginn der Sitzung merklich zurückgerudert – wohl aus Reaktion auf die scharfe Kritik der vergangenen Tage. Zeitweise hatte die per öffentlicher Videokonferenz übertragene Senatssitzung laut Forschung und Lehre über 900 Teilnehmer.

 

In seinem Beschluss wich der Senat entsprechend weit vom Beschlussvorschlag des Rektorats ab, das die "grundsätzliche Ausrichtung der Diskussion" durch sein Papier festgelegt hatte sehen wollte.

 

Der Senat betonte hingegen, dass "kein Detail zur Ausgestaltung der zukünftigen Personalstruktur im Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus, zur konkreten Streichung einzelner Professuren, zur konkreten Ausgestaltung der zukünftigen Fakultätsstruktur der MLU oder zu sonstigen, in dem Plan angesprochenen Themen, entschieden ist."

 

Alle Einzelheiten, die zur Profilschärfung und Haushaltskonsolidierung der MLU in Zukunft zur Entscheidung anstünden, bedürften der Diskussion und Beschlussfassung in den zuständigen Gremien der Universität. Diese forderte der Senat auf, "mit der Diskussion zu den Details zum Ob und zum Wie der Umsetzung dieses Planes jetzt zu beginnen." Der Senat und die zuständigen Kommissionen würden sich hiermit auseinandersetzen und endgültige Entscheidungen zu gegebener Zeit treffen.

 

Darüber hinaus nahm der MLU-Senat die Politik in die Pflicht. Die Größenordnung der zu treffenden Maßnahmen hänge erheblich davon ab, "in welchem Umfang sich die Landespolitik ihren finanziellen Verpflichtungen stellt."

 

Die laut Hochschulstrukturplanung von 2014 vorgesehenen Schließungen verschiedener Fächer und Institute seien "im Einvernehmen mit der Landesregierung und sinnvollerweise bis auf die künstlerische Musikausbildung nicht umgesetzt worden". Das mit dem Einvernehmen betont der Senat, weil er deshalb eine finanzielle Kompensation der Landesregierung für die Nicht-Schließungen für "zwingend erforderlich" hält. 

 

Mal sehen, ob und wie sich das Ministerium von Armin Willingmann hierzu noch vor der Wahl verhält – und ob es die Sichtweise teilt, dass die Politik die Nichtumsetzung der einst vereinbarten Strukturreformen so aktiv mitgetragen habe, dass sie nun auch dafür zahlen solle.

 

Auch dem Zeitplan des Rektorats folgte der Senat nicht. Er weigerte sich sogar, überhaupt schon einen konkreten Zeitplan zu erstellen. Allerdings heißt es im Beschluss, 2021 müssten haushaltspolitische Entscheidungen von unmittelbarer Bedeutung, bis Mitte des Sommersemesters 2022 dann alle anderen wesentlichen Entscheidungen getroffen werden. Jedoch stehen im Sommersemester 2022 auch die Rektoren- und andere Gremienwahlen an. Ob das die Reformbereitschaft der Verantwortlichen erhöhen wird?

 

Im Rektorats-Plan wurde gefordert, alle wesentlichen Entscheidungen zu veränderten Fakultätsstrukturen und Stellenstreichungen bis zum Ende des Sommersemesters zu treffen, alle übrigen Entscheidungen bis Jahresende und bis Ende 2021 auch eine neue Grundordnung zu verabschieden.

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Kommentare: 3
  • #1

    Die üblichen Verdächtigen ... (Mittwoch, 02 Juni 2021 14:19)

    "... oder wie sie darüber an sich selbst scheitert."

    Es hat weniger als drei Sekunden gebraucht, um den Übeltäter zu finden: Die Universität liegt nicht in Bayern. Bernd Sibler sollte sich auch aufgrund dieses Beispiels noch mal gut überlegen, ob er die bayerischen Universitäten wirklich in die bundesweit übliche Hochschulautonomie entlassen will, denn die Kombination von Globalhaushalt, Dienstherrenfähigkeit bzw. dienstlicher Unterordnung des Kanzlers unter den Rektor/den Präsidenten und Hochschullehrermehr hat eine problematische expansive Tendenz, wie man hier wieder sehr schön sehen kann.

    Wenn die Ausgabensteigerungen nominell ausgeglichen wurden, aber trotzdem ein solches Minus entstanden ist, das jetzt schmerzhaft saniert werden muss, dann ist die Universität am Budget des Landes vorbei gewachsen. Dieses Wachstum entsteht von innen heraus und ist von außen, also politisch, aufgrund der Wissenschaftsfreiheit kaum zu bremsen: Die Professoren stimmen kontinuierlich expansiv ab und bei Nachordnung des Haushaltsverantwortlichen hinter den wissenschaftlichen Leiter gibt es intern niemand, der dieser Entwicklung mit dem simplen Satz "Das können wir uns nicht leisten!" einen Riegel vorschieben kann. Ohne Globalhaushalt kann die Politik von außen steuern, indem sie z.B. die Zahl der Planstellen oder die Zahl der Berufungen senkt oder erhöht - bei einem Globalhaushalt blähen sich die Ausgaben so lange auf, bis sie an die Grenzen des vom Land gesetzten Budgets stoßen. Und das "Zurückschrumpfen" wird dann verdammt schmerzhaft (und meistens auf dem Rücken der Beschäftigten "unterhalb der Professur" ausgetragen, weil ihre Stellen leichter variierbar sind). Umgekehrt erleichtert die Hochschulautonomie der Politik Kürzungen (die Präsidenten und Rektoren sollten sich also Gedanken darüber machen, ob sie das wirklich so gut finden): Einfach Budget um einen politisch bestimmten Prozentsatz kürzen und es dann der Wissenschaft überlassen, wie sie das umsetzen will.

  • #2

    HGH (Donnerstag, 03 Juni 2021 13:37)

    Mangelnde Selbststeuerungsfähigkeit ist offenkundig. Ein Blick in das sacgseb-anhaltinische Hochschulgesetz gibt Hinweise: Die Politik will schwache Hochschulleitungen und starke Senate und Fakultäten. Zugleich sollen gemeinsam ausgehandelte finanzielle Rahmenbedingungen
    eingehalten werden. Ein Kuratorium, das keine Komtrollmöglichkeiten z. B. über die Wirtschaftsführung hat, vervollkomnet eine Governance, die eine solche Entwicklung begünstigt. Gut funktionierende Hochschulräte hätten frühzeitig entdeckt, dass die Universität über ihre Verhältnisse lebt. Denn Selbstverantwortung und Selbststeuerung bedeuten eben auch, dass eine Hochschule mit dem Geld, das am Ende komplexer Prozesse, an denen die Universität beteiligt war, durch Parlamentsbeschluss vom Staat zur Verfügung gestellt wird, auskommen sollte. Allerdings ist zugleich davon auszugehen, dass ein Landesministerium in der Regel sehr gut über seine Hochschzulhaushalte informiert ist. Deshalb hätte auch von hieraus die Möglichkeit einer Intervention bestanden. Dennoch könnte das Kalkül des Rektorats aufgehen, dass in einer solchen Situation alle Beteiligten an einer geräuscharmen Beseitigung der Problemlage interssiert sind und eine "Ruhigstellung durch Geld" ohne Gesichtsverlust der Beteiligten erfolgt. Dumm nur für diejenigen Hochschulen, die mit ihrem Geld unter in Kaufnahme bisweilen schmerzlicher Entscheidungen ausgekommen sind.

  • #3

    Die üblichen Verdächtigen ... (Donnerstag, 03 Juni 2021 14:19)

    Sehr geehrte/r HGH,

    der Kommentarbereich sieht hier ja kein "Daumen hoch" oder ähnliches vor, aber Ihren Kommentar würde ich gerne mit "This!" kommentieren.

    Ich bin ein bisschen skeptischer im Hinblick auf die ausgabenbremsende Wirkung der Hochschulräte: Die expansive Tendenz entsteht ja vor allem durch Prestige-Projekte ("Wir wollen unseren eigenen Teilchenbeschleuniger! Wissenschaftsfreiheit!") und da sind die Ratsmitglieder nicht ganz immun gegen - es ist ja nicht ihr eigenes Geld, das da ausgegeben wird.

    Wenn es so kommt, wie von Ihnen prognostiziert, wäre das tragisch, weil es ein so typisches Moral Hazard schafft, ungerecht gegenüber den kleineren, zurückhaltenderen Hochschulen wäre und zudem durch die Verbreitung der Hochschulautonomie zum bundesweiten Problem werden kann. Es wäre also wünschenswert, wenn Herr Willigmann den Rücken gerade macht und es durchhält - und dann den Sparprozess durch Haushaltsexperten im Ministerium engmaschig begleiten lässt.