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Steigende Inzidenzen, sinkende Wachstumsraten

Die Corona-Zahlen liegen höher als im Vorjahr, doch die Dynamik bleibt geringer als 2020 – und sie nimmt offenbar weiter ab. Währenddessen müssen mehr Patienten auf die Intensivstation – doch auch hier verläuft die Entwicklung bislang glimpflicher als vor einem Jahr. Der aktuelle Überblick in vier Punkten.

1. Starke Dynamik, aber immerhin
wird sie etwas schwächer

Heute Morgen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) eine bundesweite 7-Tages-Inzidenz von 153,7. Das waren 36 Prozent mehr als vor genau einer Woche. Das ist weiter sehr viel, aber schon weniger als der Anstieg von 52 Prozent, den die 7-Tages-Inzidenz am 26. Oktober auswies. Und die Wachstumskurve flacht sich weiter ab. Das Online-Portal Risklayer, dessen Zahlen meist aktueller sind als die des RKI, meldete in den vergangenen zwei Tagen nur noch ein Plus von jeweils gut 20 Prozent zur Vorwoche.  

 

Interessant ist, dass sich hiermit ein Muster aus dem Vorjahr wiederholt: In der zweiten Oktoberhälfte 2020 waren die Corona-Zahlen mit einer noch größeren Geschwindigkeit angestiegen, mit teilweise knapp 80 Prozent im Wochenvergleich, allerdings von einem niedrigeren Niveau aus kommend. In der letzten Oktoberwoche 2020 sank das Fall-Wachstum dann ebenfalls deutlich, auf zunächst 48 Prozent und dann noch weiter. Damals wurde die nachlassende Dynamik im November als Folge des Teil-Lockdown gewertet – bis es Ende November wieder stark aufwärts ging.

 

Bei dem Vorjahresvergleich darf man genau das nicht vergessen: Aktuell ist die Gesellschaft viel offener als vor einem Jahr, während vor einem Jahr schon Vor-Lockdown-Stimmung herrschte. Dass der Corona-Trend dieses Jahr trotzdem bislang nicht stärker ausfällt als 2020, obwohl auch noch eine deutlich ansteckendere Virusvariante vorherrscht, lässt sich nur mit der hervorragenden Wirkung der Impfungen und (wo sie noch Pflicht sind) der Coronatests erklären. 

 

2. In allen Ländern geht es rauf,
doch die absoluten Höhen unterscheiden sich gewaltig

Am wenigsten steil ging es in den vergangenen sieben Tagen in Hamburg (+18,6 Prozent) und Schleswig-Holstein (21,7 Prozent) nach oben, auch Bremen (+23,9 Prozent) und Niedersachsen (+24,6 Prozent) meldeten vergleichsweise geringere Anstiege. Alle vier Länder liegen auch bei den erreichten Inzidenz-Höhen am unteren Ende: Schleswig-Holstein mit 70,6; Niedersachsen mit 77,9; Bremen mit 86,0 und Hamburg mit 115,2.

 

Am schnellsten kletterten die Corona-Zahlen in Mecklenburg-Vorpommern (+51,8 Prozent), Hessen (+49,5 Prozent), Sachsen (+48,4 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (+46,6 Prozent). An der Spitze der Inzidenz-Rangliste liegen Thüringen (306,5), Sachsen (284,4), Bayern (248,9) und – mit großem Abstand  Baden-Württemberg (189,3). Woran zu sehen ist, dass der Schwerpunkt der aktuellen Welle sich im Süden und Osten des Landes befindet – wo teilweise die Impfquoten niedriger sind. 

 

Wie erklärt sich das geringe Wachstum in Hamburg und Schleswig-Holstein? Womöglich ja damit, dass dort der bekannte Ferien-Effekt durch ist und nach den Herbstferien schon die dritte Schulwoche wieder Pflichttests laufen. Den umgekehrten Effekt hatte es in der vergangenen Woche gegeben – als Hamburg und Schleswig-Holstein die Pflichttests wieder aufnahmen und unter den Bundesländern mit den höchsten Wachstumsraten lagen.

 

Letzte Woche ging die Schule in Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wieder los. Hessen und NRW gehören, siehe oben, aktuell zu den Ländern mit dem stärksten Wachstum. Mal sehen, wo sie sich nächste Woche einordnen.

 

3. Überdurchschnittliches Fallwachstum
bei Schülern und über 60-Jährigen

Zum ersten Mal seit Monaten, genauer: seit den ersten Wochen nach den Sommerferien – stiegen die Meldezahlen bei den 5- bis 14-Jährigen in der vergangenen Kalenderwoche wieder deutlich überdurchschnittlich: um 46,0 Prozent im Vergleich zu 36,7 Prozent gesamtgesellschaftlich. Damit wurde ein neuer Allzeit-Rekord bei den absoluten Fallzahlen erreicht. Schon vertraut ist leider, dass es bei den Älteren ebenfalls rasant hochgeht: um weitere 46,5 Prozent bei den 60- bis 79-Jährigen. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass die registrierten Neuinfektionen bei den über 80-Jährigen mit 33,9 Prozent erstmals seit langer Zeit leicht unterdurchschnittlich zunahmen. Ein Zeichen, dass endlich ein besserer Schutz in den Heimen einsetzt? 

 

Bei der aktuellen Corona-Entwicklung unter den Kinder und Jugendlichen bleibt abzuwarten, inwiefern es sich um einen statistischen Effekt durch die Herbstferien handelt, weil während der Ferien die Pflichttests ausgesetzt werden und danach weiterlaufen. Der mittelfristige Vergleich zeigt nämlich: Während in der vergangenen Kalenderwoche 43 von allen bundesweit gemeldeten Neuinfektionen 17,8 Prozent auf die 5- bis 14-Jährigen entfielen, waren es vier Wochen davor noch 21,3 Prozent. Worin sich eben zeigt, wie stark unterdurchschnittlich die Dynamik bei den Schülern war, seit sie wieder in den Unterricht gingen. 

 

4. Die Krankenhäuser laufen
voll – mit Alten

Aus immer mehr Regionen ist zu hören, dass die Krankenhäuser sich rasant füllen. Da die RKI-Hospitalisierungszahlen unter einem massiven Meldeverzug leiden, liegen hierzu keine verlässlichen bundesweiten Statistiken vor. Was man sagen kann: Der Anteil der über 60-Jährigen an allen Krankenhauseinweisungen steigt und steigt. In Kalenderwoche 42 (das sind die aktuellsten RKI-Wochenzahlen) auf 61,6 Prozent – nach 45,7 Prozent vier Wochen und 32,1 Prozent acht Wochen davor.

 

Auf den deutschen Intensivstationen wurden gestern 2.058 Patienten mit einer Corona-Infektion gezählt, was 22,1 Prozent mehr waren als die 1.686 vor einer Woche. Angesichts der seit Wochen stark steigenden Corona-Zahlen muss man sagen: zum Glück bislang nur 22,1 Prozent mehr.

 

Übrigens liegt hier auch ein Unterschied zum Vorjahr. Damals stiegen die bundesweiten 7-Tages-Inzidenzen von einem niedrigen Niveau kommend sprunghaft an. Sie lagen zum Beispiel am 25. Oktober 2020 bei 74,9 und am 1. November 2020 bei 120,1. Beides deutlich niedriger als dieses Jahr. Doch im selben Zeitraum stieg auch die Zahl der Intensivpatienten auf einen Schlag von 1.296 auf 2.061. Um 59 Prozent im Wochenvergleich. Und lag damit sogar schon höher als aktuell, trotz der damals deutlich niedrigeren Inzidenz. 

 

Insofern wiederhole ich gern: Die Impfungen wirken, und sie wirken gut. Doch spricht die laut RKI weiter zunehmende Rate an Impfdurchbrüchen dafür, dass es für ältere Menschen und für Angehörige von Risikogruppen jetzt sehr schnell Boostershots geben sollte. 




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Kommentare: 1
  • #1

    Olaf Bartz (Dienstag, 02 November 2021 15:43)

    Wenn man sehen will, wie gut Boosterimpfungen wirken, muss man nur nach Israel schauen. Die Kurve (hier https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/israel/) ist beeindruckend: DIe Inzidenz sank von über 800 auf unter 50.
    Extrem wichtig in Israel: Sehr schnell wurden Boosterimpfungen für alle angeboten, nicht nur für spezifizierte Zielgruppen. Daran sollte man sich in D ebenso ein Beispiel nehmen wie daran, dass die Booster schon fünf Monate (sofern ich es jedenfalls richtig verstanden habe) nach der Zweitimpfung möglich waren.
    Für die Position diverser deutscher Ärzteverbände, sich gegen flächendeckende Booster zu wenden, habe ich nicht das geringste Verständnis. Israel zeigt, dass Booster für alle sowohl den Individuen als auch der Gesellschaft helfen.
    Und Israel (Impfquote ähnlich niedrig wie hier!) zeigt auch: Schützt man den impfwilligen Teil der Bevölkerung durch Booster, hilft man allen.