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"Bitte schaut über den eigenen Tellerrand hinaus!"

Der Wissenschaftsrat hat ein Positionspapier zur Wissenschaftskommunikation beschlossen. Seine Vorsitzende Dorothea Wagner sagt, welche kommunikativen Aufgaben Wissenschaftler haben und warum der Wissenschaftsrat in einer zentralen Frage dediziert anderer Meinung als Bundesforschungsministerin Karliczek ist.

Ein neuer "Gipfel der Bildung" – diesmal mit der Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Dorothea Wagner (rechts). Foto: Anna Logue.

ES GEHE NICHT um ein einfaches Mehr an Wissenschaftskommunikation, sagt die Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Dorothea Wagner. "Der Wissenschaftsrat hat festgestellt, dass wir keinen quantitativen Mangel haben." Worauf es ankomme: dass die vorhandene Wissenschaftskommunikation besser werde.

 

Im "Gipfel der Bildung" mit Patrick Honecker und Jan-Martin Wiarda sagt die Informatik-Professorin und Algorithmus-Expertin, warum das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern der Wissenschaftskommunikation jetzt ein Positionspapier gewidmet hat. Und Wagner erklärt, warum der Wissenschaftsrat sich dabei in eine direkte Gegenposition zu Noch-Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) begibt. Karliczek hatte 2019 angekündigt, dass Wissenschaftskommunikation verpflichtender Bestandteil jedes Forschungsprojekts werden solle, das von ihrem Ministerium gefördert werde. "Das hielte ich nicht für sonderlich zuträglich für die Qualität von Wissenschaftskommunikation", sagt Wagner.

 

Wissenschaftskommunikation gehöre im Gegensatz zu Lehre und Forschung nicht zu den zentralen Dienstaufgaben von Wissenschaftlern. "Es kann tatsächlich der einzelne auch sagen: Das mache ich nicht", sagt Wagner. "Aber das ganze Wissenschaftssystem als Ganzes muss auskunftsfähig sein." In jedem Fall aber laute der Appell des Wissenschaftsrates an die Wissenschaftler: "Bitte schaut auch ein bisschen über den eigenen Tellerrand hinaus. Seid euch  bewusst, welche Bedeutung euer Fach für die Öffentlichkeit haben kann, und seid euch bewusst, dass ihr dann auch danach gefragt werdet. Überlegt euch im Vorhinein, wie ihr reagiert." 

 

Außerdem spricht Wagner über den von Ministerin Karliczek angestoßenen "#FactoryWisskomm"-Prozess, über die Kommunikationsstrategie des Wissenschaftsrats und sie erzählt, warum sie sich im Wissenschaftsrat engagiert. Dem Klischee zufolge seien Informatiker ja Nerds, und da sei auch etwas dran, sagt Wagner. Aber "ich bin unter den Informatik-Nerds vielleicht die kommunikative."



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Kommentare: 3
  • #1

    Prof. A. Gerber (Sonntag, 14 November 2021 11:25)

    Ich hoffe sehr und vermute stark, dass es sich bei dem Zitat von Dorothea Wagner (s.o.) um einen Tippfehler handelt, nämlich dass der WR nicht etwa einen Mangel an „Qualität“, sondern Quantität unterstellt, was man aus Sicht der Wissenschaftskommunikationsforschung leider nur nachdrücklich unterstreichen kann. Dass dieser (vermeintliche) Appell für mehr Qualität keinen wirklichen Niederschlag im Positionspapier findet, wäre vorsichtig formuliert eine Nachfrage im Podcast wert gewesen. So findet im gesamten Papier auf fast 100 Seiten der Begriff „Evaluation“ kein einziges Mal Erwähnung (abgesehen von drei Verweisen im Kontext von BMBF und WiD). Wie aber soll man bitteschön Qualität reflektieren, wenn man Ziele und Wirkungen nicht systematisch eruiert oder gar eruieren will?
    Für wenig hilfreich halte ich den Versuch des WR-Positionspapiers und noch mehr der Kollegin Wagner in diesem Interview hier, die Komplexität der Wissenschaftskommunikation weitgehend auf „Auskunftsfähigkeit“ zu reduzieren. Solche Modelle für asymmetrische Einbahnstraßen-Kommunikation mit dem fahlen Beigeschmack eines angeblichen Wahrheitsmonopols sind in Zeiten von RRI und Post-normal Science geradezu anachronistisch und führen tragischerweise zu Schlussfolgerungen wie jener, dass Kommunikation auch künftig nicht zu den „Dienstaufgaben“ eines Wissenschaftlers gehöre. Hätte der WR den Kommunikationsbegriff hinreichend weit gefasst, wäre „Transfer“ nicht so einfach unter die Räder gekommen. Als eine der drei Säulen heutigen Wissenschaffens (neben Forschung und Lehre) ist der Transfer auf institutioneller Ebene längst Realität. Warum man dies nicht auch auf die einzelnen Akteure des Systems herunterbrechen können soll, ist schlichtweg unlogisch. Man stelle sich nur mal vor, der Wissens- und Technologietransfer würde für Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen plötzlich wieder zur ‚Kür‘ herabgestuft, wie dies der WR für einzelne Wissenschaftler vorschlägt, nachdem wir für die Kommunikation doch jahrzehntelang eine strategische Rolle erstritten haben.
    Es ist bedenklich zu sehen, dass die Forschungspolitik (bzw. die sie beratenden Organe) auch durch diese Pandemie oder durch COP26 noch immer nicht realisiert zu haben scheinen, dass Wissenschaftskommunikation nur dann wirksam ist, wenn ihre Ziele und Methoden kritisch reflektiert und ihre Strategien evidenzbasiert entwickelt werden. Alles andere ist kontraproduktiv -- und mit Blick auf die Pandemietoten, Klimaflüchtlinge etc. eigentlich sogar unethisch:
    “With the growing expectations of 21st science communication, it also becomes increasingly important for this field to be more self-reflective and demonstrably effective. […] Applying well-established principles should be a basic expectation of science communication practice for professionals and their funders.”
    https://doi.org/10.3389/fcomm.2019.00078

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Sonntag, 14 November 2021 15:13)

    @Alexander Gerber: Vielen Dank für die Rückmeldung! Sie haben natürlich Recht. Sie sagt im Podcast, "dass wir keinen QUANTITATIVEN MANGEL an Wissenschaftskommunikation haben", ich habe es korrigiert im Text. Viele Grüße!

  • #3

    Prof. A. Gerber (Mittwoch, 17 November 2021 11:09)

    Danke für die Korrektur, lieber Kollege.
    Ein kurzer Hinweis noch auf ein weiteres Interview zum selben Thema mit derselben Interviewten:
    https://www.wissenschaftskommunikation.de/wir-brauchen-neue-ansaetze-der-kommunikation-53147/?comment_success#comments