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Wo sind die Zahlen?

Die Ampel verspricht viel in ihrem Koalitionsvertrag. Was jedoch was kosten wird, sagt sie nicht. Warum eigentlich?

VIELEN IST ES GLEICH AUFGEFALLEN: Anders als der schwarz-grüne Koalitionsvertrag von 2017 enthalten die gestern von den Ampelparteien vorgelegten 177 Seiten so gut wie keine Angaben zur Finanzierung der umfangreichen Pläne. 2017 gab es seitenweise Tabellen, in denen die Beträge für einzelne Investitionen standen und aufaddiert waren. 2021 taucht das Wort "Milliarde/n" genau einmal auf im Koalitionsvertrag, die "Million/en" dreimal. Und Tabellen gibt es gar keine. 

 

Was entscheidende Fragen für alle Politikfelder offen lässt. Beispiel Bildung: Wie viel wollen die Ampelparteien für das angekündigten Kita-Investitionsprogramm spendieren? Oder für das beeindruckend anmutende "Startchancen"-Programm, das an tausenden Schulen unter anderem bauliche Sanierungen, Extra-Budgets und Sozialarbeiter  finanzieren soll? Und welche finanzielle Hausnummer bekommt der Digitalpakt 2.0?

 

Genauso kann man für die Wissenschaftspolitik fragen: Was die künftig drei Prozent mehr jedes Jahr für Zukunftsvertrag, DAAD & Co kosten werden, lässt sich ausrechnen. Aber wie viel etwa soll für das Bundesprogramm "Digitale Hochschule" fließen? Oder für die versprochenen zusätzliche Exzellenzcluster? Wie hoch wird das Budget der neuen "Deutschen Agentur für Transfer und Innovation?" Und welchen Spielraum gibt es für die Bafög-Reform?

 

Ja, es gibt die Listen mit den Beträgen. Jede einzelne Verhandlungs-Arbeitsgruppe war angehalten, sie am 10. November mit abzugeben, als die Kapitel-Entwürfe in die Spitzen-Verhandlungsrunde gingen. Doch da kamen sie – offiziell – nie wieder raus. Und zwar mit Absicht, wie die Ampelpolitiker im Hintergrund berichten. Da sei wohl auch nicht mehr mit einer baldigen Veröffentlichung eines Zahlen-Kompendiums zu rechnen.

 

Weil die Parteispitzen sich angesichts der unsicheren Konjunktur- und Steuerentwicklung Spielraum erhalten wollen. Weil sich an vielen Stellen noch gar nicht im Detail sagen lasse, was welche Maßnahme zusätzlich kostet. Und weil man nicht mit Ungefähr-Zahlen Erwartungen wecken möchte, die sich am Ende womöglich nicht erfüllen lassen. 

 

All das erinnert an den Stil, den Olaf Scholz einst schon bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg gefahren hat. Pragmatisch ist das.  Aber auch wenig transparent für ein Bündnis, das den großen Aufbruch verspricht. Und lässt ein wenig an der Schlagkraft vieler der gemachten Versprechen zweifeln.

 

"Die von uns in der AG aufgeschriebenen Zahlen helfen natürlich, in den Haushaltsverhandlungen eine gemeinsame Größenordnung in der Tasche zu haben", sagt ein Fachpolitiker, der namentlich nicht genannt werden will. Zumal die Wissenschaftspolitiker immerhin auf das explizite – und eindeutige – 3,5-Prozent-Ziel für F&E im Koalitionsvertrag verweisen können.

 

Schon jetzt werden unter der Hand viele Beträge genannt, die die einzelnen Arbeitsgruppen aufgeschrieben haben. Es entstehen Gerüchte und Gerede. Ob das kommunikativ tatsächlich die sinnvollere Variante ist und am Ende der Ampel mehr Gestaltungsmöglichkeit lässt, als wenn SPD, Grüne und FDP wie die Große Koalition zu Beginn konkrete Summen aufgeschrieben hätten, darüber darf man geteilter Auffassung sein. 



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