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Zwischen A und Bernd

Der Regierungswechsel im Bund ist ausgerechnet für einen Unions-Wissenschaftspolitiker eine große Chance: Bayerns Ressortchef Sibler kann sich als neuer GWK-Vorsitzender profilieren.

Der CSU-Mann Bernd Sibler, 50, ist seit Ende 2018 Wissenschaftsminister in Bayern.
Foto: Amrei-Marie, CC BY-SA 2.0.

DER REGIERUNGSWECHSEL hat Auswirkungen auch auf die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern. Mit dem Ergebnis, dass Bayerns CSU-Wissenschaftsminister Bernd Sibler den GWK-Vorsitz von seinem SPD-Kollegen Armin Willingmann aus Sachsen-Anhalt übernimmt. Das schriftliche Wahlverfahren sei bereits gestartet worden, bestätigte Siblers Ministerium.

 

Die Rochade ist Folge der politischen Arithmetik und der Gepflogenheiten in der GWK. Deren Vorsitz teilen sich stets ein Landesminister und die Bundesbildungsministerin, und sie sollen dabei jeweils den unterschiedlichen politischen Lagern angehören. Da die neue Ampel-Koalition SPD-geführt ist, wird Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zur sogenannten "A"-Seite gezählt. Insofern muss ihr Landes-Konterpart "B" sein, also aus einem Land mit Unions-Regierungsbeteiligung stammen. 

 

Die Wahl fiel jetzt auf den 50 Jahre alten Niederbayern Sibler, der zuvor bereits Koordinator der "B"-Wissenschaftsminister war. Ein ruhiger, nachdenklicher Typ mit feinem Humor und breiter bayerischer Lautfärbung. In gewisser Weise genau der Gegenentwurf zu seinem Chef Markus Söder, der immer den lauten Macher geben muss. 

 

Sibler, der insgesamt neun Jahre Staatssekretär im bayerischen Kultusministerium war und sich einen Namen als Schulpolitiker machte, wurde Ende 2018 von Söder zum Staatsminister für Wissenschaft und Kultus befördert. 

 

Das neue bayerische Hochschulgesetz will Sibler
noch dieses Jahr durchs Kabinett bringen

 

Der studierte Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte arbeitet eher im Stillen, aber hartnäckig. So hat Sibler die umstrittene Reform des bayerischen Hochschulgesetzes (die größtenteils in Söders Staatskanzlei entstanden ist) angesichts heftiger Proteste verschieben und um einige Kompromiss-Passagen ergänzen müssen. Doch in der Substanz hat er sie mit erstaunlich wenig Absprechen zur Kabinettsreife gebracht – wo sie wohl dieses Jahr noch beschlossen werden soll. Was Söder nicht davon abhielt, sich im Oktober bei einer Jubiläumsveranstaltung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Anwesenheit Siblers über das mangelnde Tempo der Umsetzung zu beschweren. Tenor: Er liefere schon die ganzen Milliarden für die "High Tech Agenda Bayern", dann wäre es doch schön, wenn das Wissenschaftsministerium auch bald mal mit dem Gesetz fertig werde.

 

Sibler lächelt so etwas weg und sieht dabei kaum gequält aus. Wichtige Qualitäten für einen, der vermitteln soll zwischen der Wissenschaft, in der die Reformen vielen zu schnell und zu weit gehen, und einem Ministerpräsidenten, dem immer alles nicht schnell und weit genug gehen kann. Immer ruhig und weiter geht's, das scheint Siblers Motto zu sein.

 

Für die GWK mit ihren eigenen Komplexitäten zwischen Bund und Ländern, zwischen "A" und "B" und zwischen Wissenschafts- und Finanzministerien, sind das keine schlechten Voraussetzungen. Und für ihn persönlich eine große Chance, sich als führender Unions-Wissenschaftsexperte zu profilieren in einer Zeit, wo CDU und CSU im Bund in die Opposition verbannt worden sind.

 

Daran arbeitet er bereits. Vor einer guten Woche verschickte Sibler ein zweiseitiges Schreiben mit großem Adressatenkreis: Bundeskanzler Olaf Scholz, seine Vorgängerin Angela Merkel, die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sowie alle Hochschulrektoren, Hochschulverbände, Professorenvereinigungen und Studierendenvertretungen in all jenen Bundesländern, wo CDU und CSU  in der Landesregierung sind. Der zentrale Satz: "Die Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftsminister der Länder mit einer Regierungsbeteiligung der Union sehen die Hochschulen auch angesichts der dynamischen Entwicklung der COVID-19-Pandemie gerüstet für eine Fortführung des Präsenzbetriebs im laufenden Wintersemester."

 

Diesmal lassen wir uns die Hochschulen nicht
so einfach zumachen, lautet das Signal

 

Es war eine Positionsbestimmung und ein Signal: Diesmal lassen wir uns die Hochschulen nicht so einfach wieder zumachen. In den meisten Corona-Beschlüssen, die Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten im vergangenen Jahr getroffen haben, kamen die Hochschulen, nachdem sie erst einmal geschlossen worden waren, mit keinem Wort mehr vor, was die HRK spät, dann aber umso deutlicher kritisiert hatte. 

 

Weiter hieß es im Schreiben Siblers: "In jedem Fall gilt, dass Prüfungen, praktische und künstlerische Ausbildungsabschnitte sowie Veranstaltungen, die besondere Labor- oder Arbeitsräume an den Hochschulen erfordern, grundsätzlich weiterhin in Präsenz möglich bleiben sollen." Vor allem um weitere psychosoziale Belastungen für die Studierenden zu vermeiden. Und: Hätten sich die gesamte Bevölkerung so engagiert impfen lassen wie die Hochschulangehörigen, "stünden wir in vierten Welle anders dar". 

 

In der Kultusministerkonferenz (KMK), die am Donnerstag tagte, hatte Sibler vorab dann einen Beschlussvorschlag eingebracht, der auf dieselbe Botschaft hinauslief – inklusive Verweis auf das Bundesverfassungsgericht und dessen Betonung eines "Rechts auf Bildung". Und so tauchte das Bekenntnis zu offenen Hochschulen im KMK-Beschluss vom Freitag denn auch erstmals in einem Atemzug mit offenen Schulen auf, Überschrift: "Präsenzlernen hat höchste Priorität". So verabschiedet mit Zustimmung aller Wissenschafts- und Kultusminister – auch denen von der "A"-Seite. Hamburgs SPD-Bildungssenator Ties Rabe sprach im Nachhinein von einem "klaren Votum" der KMK für offene Hochschulen, das es in dieser gemeinsamen Form so noch nicht gegeben habe. 

 

In der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz gibt es nächstes Jahr ebenfalls viel zu tun: Die Exzellenzstrategie soll vor ihrer nächsten Ausschreibungsrunde ein Update bekommen, inklusive zusätzlicher Cluster. Auch kommt es darauf an, die Wünsche von "A"- und "B"-Seite, formuliert in jeweils eigenen Positionspapieren, unter einen Hut zu bekommen, dazu aber auch die Forderungen aus der Wissenschaft. Und der Ampel-Koalitionsvertrag wird ebenfalls Arbeit machen, wenn auch welche, die einem Landesminister gefallen dürfte: Der Zukunftsvertrag soll schon von 2022 an ein jährliches Plus von drei Prozent erhalten – analog zum Pakt für Forschung und Innovation, der das für die außeruniversitären Forschungsorganisationen schon seit langem vorsieht. Die Verhandlungen um die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft (DATI) mit geplantem Milliardenbudget wird ebenso die GWK beschäftigen wie das von der Ampel angekündigte Bund-Länder-Programm für neue Karrierewege und Governance. Und die Umsetzung des schon 2019 versprochenen "Strategieentwicklungsraums" für Max Planck & Co. Und und und. 

 

Einen wie Sibler wird das nicht aus der Ruhe bringen. Wer Söder aushält, schafft auch so ein Programm. 



"Dürfen uns nicht ausruhen"

Gefragt nach seinen Zielen als künftiger GWK-Kovorsitzender, sagt Sibler, die vergangenen Jahre seien erfolgreiche gewesen für die Arbeit in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz und für die deutsche Wissenschaftslandschaft. Als Beispiele für das Erreichte nennt er unter anderem den Zukunftsvertrag, den Pakt für Forschung und Innovation, die Nationale Forschungsdateninfrastruktur und die Exzellenzstrategie. "Darauf dürfen uns wir aber nicht ausruhen – im Gegenteil. Wir müssen diese Elemente dynamisch weiterentwickeln, weiter pushen." Ihm schwebe "eine noch bessere Abstimmung und Vernetzung" zwischen Bund und Ländern und den einzelnen Organisationen, für die die GWK zuständig ist, vor. "Wir sollten flexibler, schneller und agiler arbeiten, die digitalen Möglichkeiten besser ausschöpfen."

 

Eine Ansage an seine Kollegen in der GWK, aber auch an die außeruniversitären Forschungsorganisationen, die ja auch die Ampel-Koalition stärker an die Kandare nehmen will.  

 

Außerdem, sagt Sibler, müsse sich die Wissenschaftspolitik "den großen Zukunftsthemen stärker als bisher annehmen."

Auch hier kann man eine direkte Verbindung zu den Vorhaben von SPD, Grünen und FDP ziehen, die im Koalitionsvertrag unter der Überschrift einer "Zukunftsstrategie Forschung" ankündigt werden. Die Ampel zählt sechs konkrete "Zukunftsfelder" auf, die recht gefasst breit sind. Sibler nennt als seine "Top 3" die "Spitzenmedizin und Versorgung, Klimaforschung, Quantencomputing". Sämtlich Stichworte, die in den Ampel-Zukunftsfeldern enthalten sind.

 

Nicht zu vergessen, fügt der CSU-Politiker hinzu, "der Umgang mit der Pandemie an den Hochschulen." Dass Studierende und Lehrende durch die Krise kämen, sei ihm ein besonderes Anliegen. Auch um die Einbindung der Gesellschaft, das habe die Pandemie gezeigt, "müssen wir uns stärker als bisher kümmern. Wissenschaftskommunikation ist kein nice to have mehr." Ein weiteres Thema Siblers, dass sich auch prominent in der Ampel-Agenda wiederfindet.

 

Vielleicht liegen die Themen der nächsten Jahre ja einfach auf der Straße. Vielleicht ist da aber auch ein neuer GWK-Kovorsitzender, der strategisch vorbaut für den Ausgleich zwischen A und B.



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Kommentare: 1
  • #1

    Gernot Hassknecht (Dienstag, 14 Dezember 2021 08:44)

    Dann hoffen wir mal, daß Herr. Sibler mit dem Söder-
    Kontrastil Silber produziert. Wäre schon nicht schlecht,
    wenn da einer nicht immer der Erste sein muß.