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Schule in der digitalen Transformation

Die Digitalisierung des Unterrichts hat Fahrt aufgenommen. Wo
stehen wir? Wo wollen wir hin? Eine Bilanz nach zwei Jahren Pandemie von Britta Ernst.

Britta Ernst (SPD) ist Ministerin für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg. 2021 war sie außerdem Präsidentin der Kultusministerkonferenz und stellte ihre Amtszeit unter das Motto: "Lernen und Lehren – guter Unterricht in Zeiten der digitalen Transformationen". Foto: MBJS.

ES STIMMT, die Pandemie hat vorhandene Defizite deutlich gemacht. Sie hat die Digitalisierung noch einmal stärker in den Fokus gesellschaftlicher und politischer Debatten gerückt. Dabei ist die Einsicht gewachsen, dass Digitalisierung keinen Selbstzweck verfolgt, sondern eine strategische Funktion hat. Sie ist Voraussetzung für eine gut funktionierende Wirtschaft, ein gut funktionierendes Sozialwesen, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein gutes Bildungssystem. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass die Bereitschaft, Digitalisierungsprozesse zu beschleunigen und aktiv zu gestalten, spürbar gewachsen ist. 

 

Der "DigitalPakt Schule", das Ausstattungsprogramm von Bund und Ländern, hätte mindestens fünf Jahre früher auf den Weg gebracht werden müssen. Dafür haben wir hohes Lehrgeld gezahlt. Denn hier liegt ein Grund, weshalb zu Beginn der Pandemie die notwendige Ausstattung fehlte, um Unterricht auch ohne Präsenz in Schule zu ermöglichen.

 

Ein anderer Grund war, dass Lehrkräfte mit unterschiedlichen Voraussetzungen in den Distanz- und Wechselunterricht gingen. Einige von ihnen waren bereits geübt darin, digitale Medien und Tools im Unterricht einzusetzen. Vielen aber fehlten solche Erfahrungen. Während andere europäische Länder, Dänemark etwa oder Estland, dank ihrer Ausstattung und ihrer digital gestützten Unterrichtskonzepte nahezu nahtlos flächendeckend in den Distanzunterricht wechselten, waren Schulen in Deutschland in der ersten Phase der Pandemie mit Schadensbegrenzung und Krisenmanagement beschäftigt. 

 

In den darauffolgenden Monaten hat die Pandemie aber wichtige Impulse für die Digitalisierung von Schule gesetzt. Lehrerinnen und Lehrer haben didaktische Konzepte für digital gestützten Unterricht entwickelt, Methoden erprobt und untereinander ausgetauscht. Die Hemmschwelle, Unterricht auch digital zu gestalten, ist spürbar gesunken. Noch nie haben so viele Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler so häufig mit digitalen Medien und Tools unterrichtet oder gelernt wie in den vergangenen beiden Jahren. Die digitalen Lernplattformen der Bundesländer sind in einem rasanten Tempo ausgebaut und ihre Nutzung erweitert worden. Der "DigitalPakt" wurde um drei Zusatzvereinbarungen ergänzt, seine Mittel wurden auf rund sieben Milliarden Euro erhöht. Mit dem Geld haben Schulträger die Ausstattung ihrer Schulen verbessert, und die Ergänzungen des Pakt haben geholfen, viele Schulen dauerhaft mit Laptops oder Tablets auszustatten. Gewiss ging auch das vielen zu langsam. Es waren jedoch gewaltige Fortschritte, die wir in diesen beiden Jahren gemacht haben.  

 

Ausstattungsfragen klären,

DigitalPakt fortsetzen

 

Diese Erfolge sollen aber nicht dazu führen, dass wir in unseren Anstrengungen nachlassen. Die Digitalisierung von Schulen ist eine dauerhafte Aufgabe. Eine, die von Bund, Länder und Kommunen gemeinschaftlich zu lösen ist und für die es sowohl klar geordnete Zuständigkeiten als auch Verantwortlichkeiten braucht. Die finanziellen Herausforderungen der Digitalisierung, denen wir gerade im Hinblick auf Ausstattungsfragen begegnen, sind zu groß, als dass man von den Schulträgern erwarten könnte, sie allein zu lösen. Um eine Fortsetzung des "DigitalPakts" kommen wir nicht herum. 

 

In der öffentlichen Debatte wird die Frage der Ausstattung derzeit als ein wesentlicher Punkt für eine gelungene Digitalisierung von Schule diskutiert. Digitaler Unterricht wird zudem noch zu oft mit digitalem Frontalunterricht im Videokonferenzformat gleichgesetzt. Beides greift zu kurz. Denn die Benutzung von Smartboards, Tablets und Laptops allein ist kein Qualitätsmerkmal für guten Unterricht. 

 

In Deutschland haben wir spätestens seit Veröffentlichung der ersten PISA-Studie vieles unternommen, um die Unterrichtsqualität in Schulen zu verbessern. Der Wissensfundus, aus dem wir hier schöpfen, ist immens. Theorie und Praxis sehen inzwischen auch das Qualitätspotential digital gestützten Unterrichts. Darauf verstärkt den Blick zu richten und Impulse zu setzen, war 2021 ein zentrales Anliegen der KMK-Präsidentschaft Brandenburgs mit dem Motto: "Lehren und Lernen – guter Unterricht im Zeitalter der digitalen Transformation".

 

Guter Unterricht in

der digitalen Welt

 

Die Digitalisierung von Schule erfordert neben der technischen Ausstattung die Weiter- und Neuentwicklung von Konzepten und Methoden des guten Unterrichts. Analoges und digitales Lehren und Lernen sollen mit dem Ziel zusammengeführt werden, die Qualität des Unterrichts weiter zu verbessern. Dafür ist es notwendig, digitale Medien und Tools sinnvoll im Unterricht einzubinden. Dabei geht es weniger um eine Technisierung des Unterrichtsgeschehens, sondern vielmehr darum, die Möglichkeiten der Digitalisierung mit fachdidaktischen Konzepten und methodischen Ansätzen zu verbinden.

 

Kurz gesagt: Guter Unterricht muss mit den Potentialen digitaler Technik zusammengebracht werden. Das heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, Unterricht in Wechsel- oder Distanzmodellen zu erteilen. Zum Präsenzunterricht, dass zeigen die Folgen der Schulschließungen sehr deutlich, gibt es keine vernünftige Alternative. Anders steht es um die Erfahrungen, die in der Zeit des Distanz- und Wechselunterrichts mit digitalen Medien und Tools gesammelt wurden und die innovativen Unterrichtskonzepte, die daraus hervorgegangen sind: Viele von ihnen werden bereits im Rahmen von Fachveranstaltungen, in der Wissenschaft und von den Instituten für Lehrerfortbildung und Schulentwicklung der Länder aufgegriffen und diskutiert. Eine wichtige Aufgabe besteht nun darin, die vielversprechendsten theoretisch zu untermauern und zu systematisieren.

 

Lehren und Lernen

in der digitalen Welt

 

In einer solchen Verallgemeinerung und Systematisierung liegt die Chance, sie für Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse zu nutzen, die in der Umsetzung die Köpfe der Schülerinnen und Schülern erreichen, ihre Freude am Lernen wecken und individuelle Lern- und Förderbedarfe berücksichtigen. Gleichzeitig wird es darum gehen, dass Schule Kompetenzen vermittelt, die auf ein Leben in einer digitalen Realität und eine immer stärker digitalisierte Arbeitswelt vorbereiten.

 

Die Empfehlung zum "Lehren und Lernen in der digitalen Welt" der KMK vom Dezember 2021 hat genau das zum Ziel. Seit knapp sechs Jahren ist sie das erste Papier der KMK, das sich ausführlich der Digitalisierung von Schule widmet. Bereits 2016 hatte sich die KMK mit "Bildung in der digitalen Welt" einen strategischen Rahmen gegeben, um die Digitalisierung des Bildungsbereichs voranzubringen. Die aktuelle Empfehlung versteht sich als Ergänzung zu diesem Strategiepapier. Vertieft werden einzelne Aspekte der Strategie im Zusammenhang mit Erfahrungen und Erkenntnissen, die im digital gestützten Unterricht in den vergangenen beiden Jahren gesammelt wurden. Digitalisierte Bildungsprozesse gelingen am besten, wenn sie neben Maßnahmen zur Unterrichts- und Schulentwicklung durch wissenschaftlich abgesicherte Unterrichtsinhalte und gut qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer flankiert werden – auch diese Voraussetzungen werden von der Empfehlung in den Blick genommen. 

 

Die Digitalisierung des Bildungssystems ist ein Spiegelbild der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die der digitale Wandel in den vergangenen Jahrzehnten in Gang gesetzt hat. Mit "Lehren und Lernen in der digitalen Welt" haben wir uns als Bildungsministerinnen und Bildungsminister ein ambitioniertes Digitalisierungspaket für Schule auferlegt, das helfen soll, diesen Veränderungsprozess mitzugestalten. Zweifellos wird das Kraft und Zeit kosten. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass uns das gelingen wird – vor allem dann, wenn viele helfen. Die Entwicklungen der vergangenen Monate stimmen jedenfalls optimistisch. 



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