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"Wir haben uns gemeinsam auf das Wesentliche konzentriert"

Bayerns neuer Wissenschaftsminister Markus Blume über seine Rolle als GWK-Kovorsitzender, die Verhandlungen über den Zukunftsvertrag und die beschlossenen Eckpunkte zur Zukunft der Exzellenzstrategie.

Markus Blume, 47, ist studierter Politikwissenschaftler und war von 2018 bis 2022 CSU-Generalsekretär. Ende Februar 2022 löste er Bernd Sibler als bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst ab Foto: Steffen Böttcher.

Herr Blume, seit vier Wochen sind Sie bayerischer Wissenschaftsminister, gestern und heute haben Sie erstmals Ihre Kolleg*innen aus den anderen Bundesländern in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) getroffen. Geht es da friedlicher zu, als Sie es in Ihrem Alltag als CSU-Generalsekretär gewohnt waren?

 

Wenn es um große Fragen geht, liegt immer alles auf dem Tisch. Und da wir heute in der GWK mutige Weichenstellungen getroffen haben, die weit über den Tag hinausreichen, hat jeder der Anwesenden dafür mit vollem Einsatz gekämpft. Das hat sich ausgezahlt!

 

Neben Ihrem Job als Minister haben Sie von Ihrem Vorgänger Bernd Sibler auch gleich das Amt des GWK-Kovorsitzenden übernommen. Wie kam das eigentlich? Die GWK-Satzung sieht ein solches Erbe gar nicht vor, und meistens müssen sich neue Minister hinten anstellen.

 

Vermutlich liegt es an den besonderen Zeiten. Im Ernst: Wir erleben im Moment eine Zeitenwende in Europa – und zwar in jeder Hinsicht. Wir müssen uns auf die Zukunft neu einstellen mit deutlicher Akzentsetzung in der Wissenschafts- und Innovationspolitik in Deutschland. In Phasen des Umbruchs ist Kontinuität in den Prozessen umso wichtiger. Deshalb habe ich gerne angeboten, die Länderkoordinierung fortzuführen. Dass die Wahl zum stellvertretenden GWK-Vorsitzenden einstimmig erfolgte, begreife ich als großen Vertrauensvorschuss für mich und gleichzeitig als großen Vertrauensbeweis für das bayerische Wissenschaftsministerium mit all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.  

 

"Wir müssen nicht nur in unsere militärische Stärke investieren, sondern auch in neue technologische Stärke.
Das ist ebenso eine Frage unsere Souveränität."

 

Der Spardruck auf den Bundeshaushalt ist groß. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wollte deshalb offenbar die im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigte Dynamisierung des Zukunftsvertrags zwischenzeitlich um ein Jahr auf 2023 nach hinten schieben. Wie finden Sie das?

 

So habe ich das heute nicht erlebt, und der Koalitionsvertrag sagt auch etwas Anderes! Wir sind uns zwischen Bund und Ländern absolut einig, dass sich der Stellenwert der deutschen Wissenschafts- und Forschungspolitik elementar verändert: Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wirft nicht nur die europäische Nachkriegsordnung über den Haufen, sondern stellt die Frage nach Souveränität und Stärke in Deutschland und Europa völlig neu. Wir müssen nicht nur in unsere militärische Stärke investieren, sondern auch in neue technologische Stärke. Das ist ebenso eine Frage unsere Souveränität!

 

Und was bedeutet das?

 

Wir dürfen nicht sparen bei den Investitionen in Technologie und erst recht nicht bei den Investitionen in die Talente von morgen. Darum bin ich froh, dass wir zwei große Investitionspakete aufs Gleis gesetzt haben: Wir haben heute in der GWK die nächste Runde der Exzellenzstrategie in den Eckpunkten ausgestaltet. Und wir haben den Prozess zur Dynamisierung des Zukunftsvertrags gestartet. Davon werden die Studentinnen und Studenten an allen deutschen Hochschulen profitieren. >>


Was die GWK dieses Jahr vorhat

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagte im Anschluss an die GWK-Sitzung, der Krieg in der Ukraine habe auch massive Auswirkungen auf die Haushaltslage in Bund und Ländern. "Gerade in Krisenzeiten kommt es auf eine engagierte Wissenschaftspolitik an. Ich freue mich deshalb über die heute gefassten Beschlüsse, mit denen wir zentrale Themen angehen: Dynamik in der Spitzenforschung, Personalförderung, Vernetzung und Qualitätssicherung."

 

Bund und Länder verständigten sich auf das GWK-Arbeitsprogramm für dieses Jahr, zu dem neben der künftigen Ausgestaltung von Zukunftsvertrag und Exzellenzstrategie auch die Weiterentwicklung des Professorinnenprogramms und der Aufbau zwei neuer Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung gehören, konkret des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Kinder- und Jugendgesundheit.

 

Die GEW warnte davor, die Dynamisierung des Zukunftsvertrags aufzuschieben.Sie sei überfällig, um Kosten- und Tarifsteigerungen auszugleichen und so die vorhandenen Studienplätze zu sichern. Wenn Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger "das Versprechen jetzt bricht, lässt sie Hochschulen und Studierende im Regen stehen. Das darf nicht das letzte Wort sein." 

FDP- Bundesfinanzminister Christian Lindner müsse die Mittel für die Aufstockung des Zukunftsvertrags jetzt bereitstellen. In der GWK-Pressemitteilung im Anschluss an die Ministersitzung hieß es heute relativ unverbindlich, die Konferenz unterstreiche "das Ziel des Koalitionsvertrags des Bundes, den Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken ab 2022 analog zum Pakt für Forschung und Innovation zu dynamisieren". 

 

Die GWK verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als "eklatanten Bruch des Völkerrechts und Angriff auf Freiheit und Demokratie". Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen seien dazu aufgefordert, alle laufenden und geplanten Maßnahmen mit staatlichen Stellen in Russland einzufrieren und/oder kritisch zu überprüfen.

 

"Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass ankommende ukrainische sowie gefährdete und verfolgte russische und belarussische Forschende und Studierende rasch und unkompliziert bei der Aufnahme und Fortsetzung der Forschungstätigkeit sowie des Studiums unterstützt werden", sagte Stark-Watzinger, die den Hochschulen und Wissenschaftorganisationen ausdrücklich für ihr großes Engagement bei der Unterstützung der geflüchteten Studierenden und Forscher dankte.



 

>> Das war ja laut Koalitionsvertrag ohnehin so vorgesehen. Bund und Länder spielen bei der Frage, ab wann dynamisiert wird, also auf Zeit?

 

Nein, im Gegenteil! Wir haben schon in unserer ersten gemeinsamen Sitzung zu diesem Thema Entscheidungen getroffen, obwohl es nicht einmal auf der Tagesordnung gestanden hatte. Nun ist ein konkreter Zeitplan vereinbart, die Fachebene macht sich jetzt ans Werk und soll uns zur Juli-Sitzung Eckpunkte vorlegen. Im November wollen wir dann die Beratungen abschließen und den Zukunftsvertrag dynamisiert fortschreiben.

 

"Die deutliche Erhöhung der Clusterzahl auf 70 sorgt
für mehr Exzellenz. Dafür haben wir viele 
andere Fragen und Wünsche abgeschichtet."

 

Sie haben die heute vereinbarten ExStra-Eckpunkte schon erwähnt. Der Bund hat sich bereit erklärt, die Zahl der Förderfälle bei den Exzellenzclustern auf die von den Ländern geforderten 70 zu erhöhen. Welche Gegenleistung bringen die Länder dafür?

 

Wir haben uns gemeinsam auf das Wesentliche konzentriert: Die deutliche Erhöhung der Clusterzahl auf bis zu 70 sorgt für mehr Exzellenz. Wir können damit erfolgreiche Exzellencluster weiterfördern und haben gleichzeitig Raum für frische Ideen und neue Exzellenz, übrigens ohne die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern zu verändern! Dafür haben wir viele andere Fragen und Wünsche wie den Teuerungsausgleich abgeschichtet. 

 

"Abgeschichtet" heißt: Es wird keinen Teuerungsausgleich in der Exzellenzstrategie geben und auch kein zusätzliches Geld für die in der ExStra-Vereinbarung vorgesehene Auslauffinanzierung langjähriger Cluster, sobald diese laut ExStra-Vereinbarung aus dem Wettbewerb fallen?

 

Teuerungsausgleich und Auslauffinanzierung waren für uns nachrangig gegenüber der Vergrößerung des Wettbewerbsraums mit durchfinanzierten Clustern. Was die Perspektive für langjährig erfolgreiche Cluster angeht, hat die GWK den Wissenschaftsrat um Empfehlungen gebeten.

 

Grüne und SPD drängen darauf, wie im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigt, kooperative oder interdisziplinäre Clusteranträge zu stärken. Die Unionsseite lehnte das bislang ab. 

 

Das war und ist keine Frage des politischen Lagers. Der gemeinsam von den Ländern erarbeitete Eckpunkt ist heute von allen mitgetragen worden. Demzufolge werden interdisziplinäre Konsortien, Verbünde von Hochschulen und zusätzliche Kooperationspartner in der nächsten Runde der Exzellenzstrategie eine größere Rolle spielen als bislang. 

 

"Die Zahl der Exzellenzuniversitäten
wird dauerhaft auf 15 anwachsen."

 

Das klingt allerdings sehr allgemein. Liegt der Teufel – und der Streit – nicht im Detail?

 

Heute ging es um Eckpunkte, jetzt kommt die Arbeit im Detail. Als Bund und Länder sind wir uns einig, dass es keine Versteinerung von Clustern geben soll und der Name Programm bleibt: Cluster sind ein Instrument der Exzellenzförderung und nicht der Strukturpolitik. >>



>> Was ist eigentlich mit den Exzellenzuniversitäten? In der nächsten ExStra-Runde soll ihre Zahl von elf auf bis zu 15 steigen. Und danach wieder auf elf zurückgehen?

 

In diesem Punkt ist uns eine gute Lesehilfe gelungen: Die Zahl der Förderfälle wird im Erfolgsfall einmalig um vier aufgestockt, so dass die Zahl der Exzellenzuniversitäten dauerhaft auf bis zu 15 anwachsen kann.

 

Beim Kaminabend haben Sie auch über die Pläne des BMBF zur Gründung einer Deutschen Agentur für Transfer und Innovation gesprochen. Was halten Sie eigentlich persönlich von einer DATI?

 

Über was wir im Kamin gesprochen haben, bleibt im Kamin. Ich persönlich halte Innovationstransfer für entscheidend. Ganz Deutschland steht vor der Aufgabe, wie wir vom Land der Forscher auch zum Land der Anwender und erfolgreichen "Einhörner" werden können. Mit anderen Worten: Was muss passieren, damit hierzulande aus brillanten Forschungsergebnissen milliardenschwere Startups werden können? Wir haben fantastische Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, das sind unsere Innovationskerne in der Fläche. Unsere Aufgabe besteht nun darin, um diese Innovationskerne herum Innovationsökosysteme entstehen zu lassen. Wir gehen in Bayern schon seit vielen Jahren diesen Weg sehr erfolgreich mit Technologietransferzentren, Gründerzentren und Inkubatoren. Es wird spannend zu sehen, wie die DATI im Konzert der bereits bestehenden Agenturen diesen Schub für ganz Deutschland erreichen will.  

 

"Am Ende macht auch bei der DATI das Geld die Musik. 
Eine gute Idee ist das eine, die entsprechende finanzielle Ausstattung für den richtigen Wumms das andere."

 

Sie sind skeptisch, dass es die DATI braucht?

 

Ich bin gespannt, wie der konkrete Impuls aussehen soll, den die Bundesregierung hier setzen will. Am Ende macht auch hier das Geld die Musik. Eine gute Idee ist das eine, die entsprechende finanzielle Ausstattung für den richtigen Wumms das andere.

 

Apropos finanzielle Ausstattung: Viele Landesregierungen müssen heftig sparen, auch in der Wissenschaft. Ihr Ministerium und die bayerischen Hochschulen auch bald?

 

Das Gegenteil ist der Fall. Der Freistaat Bayern hat mit der Hightech Agenda von Markus Söder ein in der deutschen Wissenschaftslandschaft einzigartiges Zukunftsprogramm aufgesetzt. Wir investieren 3,5 Milliarden Euro, und zwar hauptsächlich in Köpfe. 1000 zusätzliche Professuren entstehen im ganzen Freistaat. Ganz ehrlich: Mein Terminkalender ist dicht gefüllt mit Einweihungen neuer Forschungszentren und der Aushändigung von Ernennungsurkunden. 



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Kommentare: 1
  • #1

    Sepp (Mittwoch, 06 April 2022 14:57)

    Ein bisschen schade, dass nicht noch eine Frage zum Stand der bayerischen Hochschulreform untergebracht werden konnte, wo das bayerische Wissenschaftsministerium im Herbst 2020 doch so vollmundig den ganz großen Wurf mit dem "Hochschulinnovationsgesetz" angekündigt hatte, der mit Blick auf den ursprünglichen Zeitplan der Reformer ja schon längst hätte beschlossene Sache sein sollen. Nach der breiten und in vielen Punkten sehr berechtigten Kritik an Verfahren und Inhalt der Reform scheint man das Projekt jetzt still und leise begraben zu wollen...?