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Fast alle halten sich dran

Bis Mai, hatten die Kultusminister versprochen, sollten alle staatlichen Corona-Regeln an den Schulen fallen. Und tatsächlich: Der Bildungsföderalismus kann sich im Gleichschritt bewegen. Größtenteils. Wer sind die Abweichler?

Foto: Frauke Riether / Pixabay.

NEULICH BERICHTETE DER SPIEGEL, sogar beim Rückbau der Corona-Regeln hielten die Bundesländer an ihren Sonderwegen fest: "Einige testen regelmäßig weiter, andere verzichten darauf komplett – und NRW verbietet seinen Schulen eine interne Maskenpflicht".

 

Ein Beispiel mehr für das Chaos im Quadrat, das Bildungspolitik und Föderalismus in ihrem Zusammenspiel nach Meinung vieler Beobachter regelmäßig ergeben? Ein Narrativ mit Appeal, aber eines, das schon in der Vergangenheit erstaunlich oft einer näheren Betrachtung nicht standhielt.

 

So auch diesmal: Tatsächlich bewegen sich die Kultusminister der Länder bei der Abschaffung von Masken- und Testpflichten erstaunlich synchron und halten sich damit an eine Selbstverpflichtung ihrer Kultusministerkonferenz (KMK) von Mitte März. "Bis spätestens Mai", verkündeten sie damals, wollten sie alle Corona-Einschränkungen an den Schulen auslaufen lassen. Einigen, etwa der damals sehr medienpräsenten Initiative "#WirWerdenLaut", erschien das unverantwortlich früh. Andere, etwa die "Initiative Familien", kritisierte, dass die Schulen bei der Rückkehr zur Normalität damit erneut ganz am Ende stehen würden. Doch, wie KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) damals formulierte, wollten die Kultusminister "einen vorausschauenden und behutsamen Weg in die Normalität gehen, bei dem wir die weitere Entwicklung der Pandemie achtsam im Auge behalten". Ein Mittelweg also.

 

Umso spannender ist nun, bei aller Synchronität bei der Umsetzung auf die Ausnahmen zu schauen. Zuerst die Maskenpflicht im Schulgebäude: Hier gab bereits die Novelle des Infektionsschutzgesetzes vor, dass Schulen keine Sonderrolle spielen durften. Weshalb die Pflicht spätestens nach der zweiwöchigen Übergangsphase Anfang April überall endete – mit Ausnahme von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, die jeweils das ganze Bundesland zum Hotspot erklärt hatten.

 

Und auch in Hamburg (ab 1. Mai, mit dem Auslaufen der pandemischen Lage) und Mecklenburg-Vorpommern (seit Montag, nachdem das Oberverwaltungsgericht Greifswald die Hotspot-Regel gekippt hatte) können die Schüler jetzt ohne Maske in die Schule gehen.

 

Verstößt eine interne Maskenpflicht gegen das Infektionsschutzgesetz?

 

Eigentlich. Denn aus nicht wenigen Schulen überall in der Bundesrepublik wird berichtet, dass sich Eltern-, Schülervertreter und Lehrkräfte auf ein freiwilliges Weitertragen von Masken geeinigt hätten. Was, per Schulkonferenz beschlossen, mitunter auf eine faktische Pflicht hinausläuft. Deshalb reagierte NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) mit einem formalen Verbot solcher schulinternen Regelungen, weil sie einen Verstoß gegen die durch die Infektionsschutz vorgegebene Rechtslage darstellten. Und wieder: Während die einen applaudieren, sind die anderen empört.

 

Grundsätzlich gilt aber: Bei der Maskenpflicht auf Landesebene haben alle Kultusminister Wort gehalten – schon weil sie wegen eines Bundesgesetzes nicht anders konnten.

 

Doch auch bei der Abschaffung der Corona-Pflichttests an Schulen folgen die meisten Kultusminister ihrer im März getroffene Vereinbarung – obwohl sie sich dabei nicht auf das Infektionsschutzgesetz stützen können. Das erlaubt die Tests an Schulen nämlich weiter.

 

Trotzdem haben zwölf von 16 Bundesländern entweder schon Schluss gemacht mit den Tests oder tun es pünktlich bis Anfang Mai.

 

Was machen die Stadtstaaten
Hamburg und Berlin?

 

Das Saarland, wo gerade Anke Rehlinger (SPD) zur Ministerpräsidentin gewählt worden ist, hält sich noch bedeckt, wie es weitergeht. Die aktuelle Verordnung, die zwei Pflichttests pro Woche für Schüler und Lehrkräfte vorsieht, tritt am 7. Mai außer Kraft. Signale aus dem Haus der im Amt bestätigten Kultusministerin Christine Streicher-Clivot (ebenfalls SPD) deuten auf eine Abschaffung der Pflicht hin. Ganz ähnlich in Thüringen: Dort gilt noch eine Testpflicht bis 6. Mai, danach sollen Schüler und Lehrer voraussichtlich Testkits für einen freiwilligen Test pro Woche erhalten, beschlossen ist aber noch nichts.  

 

Käme es wie erwartet, hätten auch das Saarland und Thüringen gerade noch so die Kurve bis "Anfang Mai" bekommen, um sich an den KMK-Beschluss zu halten. Und dann blieben lediglich zwei Stadtstaaten und zwei Kultusminister, die, wenn sie nicht umsteuern, explizit gegen die KMK-Vereinbarung verstoßen werden.

 

In Berlin soll "bis auf Weiteres" dreimal die Woche getestet werden. Darauf, ob sie die Beibehaltung der Testpflicht persönlich für gerechtfertigt halte, möchte Bildungsenatorin Astrid Busse (SPD) derzeit ebenso wenig antworten wie auf die Frage, was der Berliner Sonderweg über den Respekt des Berliner Senats vor Vereinbarungen der KMK aussage. Ihr Sprecher teilt lediglich mit: "Nächste Woche wird dreimal getestet. Ansonsten befinden wir uns derzeit mit den Expertinnen und Experten aus dem Hygienebeirat sowie Elternvertretungen und Schulleitungsverbänden im Abstimmungsprozess über das weitere Vorgehen."

 

Hamburg wiederum hat die Testpflicht in den Schulen verlängert – während es sich gerade in allen anderen Lebensbereichen von seinen Sonderregeln verabschiedet. Praktische Folge zum Beispiel: Schüler müssen sich testen, bevor sie sich in den immer gleichen Gruppen im Unterricht begegnen, Erwachsene aber können ungetestet, umgeimpft und ohne Maske in engen Clubs voller Zufallsbegegnungen tanzen gehen.  

 

Hamburgs Schulsenator interpretiert
den KMK-Beschluss

 

SPD-Schulsenator Ties Rabe sagt zur Begründung und mit Verweis auf die jetzt allerdings ausgelaufene Hotspot-Regelung, in Hamburg "als mobiler und dicht bebauter Großstadt mit einer sehr vorsichtigen Schulgemeinschaft" habe der Senat von Anfang an in allen Lebensbereichen auf einen vorsichtigen Corona-Kurs gesetzt. "Daher handelt der Schulsenator im Spannungsfeld zwischen den Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz, den Entscheidungen der Hamburgischen Bürgerschaft und des Hamburger Senats und der Grundhaltung der Hamburger Schulgemeinschaften."

 

Und er fügt hinzu: "Die Kultusministerkonferenz hat sich darauf verständigt, dass die Maskenpflicht und die Testpflicht spätestens im Mai beendet werden sollen. Diesen Beschluss nimmt Hamburg sehr ernst."

 

Klingt so, als fremdele Rabe, dienstältester Kultusminister der Bundesrepublik und der profilierteste SPD-Schulpolitiker überhaupt, selbst mit der Hamburger Test-Sondernummer. Denn, wie er selbst sagt, endete zwar die Maskenpflicht am 1. Mai, "die Testpflicht wurde bis Mitte Mai verlängert, über ein Ende ist noch nicht entschieden".

 

Interessant ist auch die sprachliche Nuance-Verschiebung, die Rabe vornimmt. In der KMK-Mittelung vom 11. März hieß es, "spätestens bis Mai" sollten alle Einschränkungen, "insbesondere auch die Pflicht zum Tragen von Masken und zu anlasslosen Testungen", fallen. Rabe sagt: "spätestens im Mai". Das Signal soll wohl sein: Bis Ende Mai kriege ich das auch noch hin. Allerdings wäre er dann fast der einzige Kultusminister, der die KMK-Deadline in dieser Weise interpretiert hätte.

 

Derweil sagte Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses, sie gehe davon aus, dass die zuständige Bildungsverwaltung einen ähnlichen Weg gehe wie die andere Bundesländer. Aus fachlicher Sicht sei jedenfalls eine Abkehr vom anlasslosen Testen richtig. Schiebt da gerade eine Senatorin die andere an?



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Kommentare: 1
  • #1

    J.F. (Freitag, 29 April 2022 13:08)

    Herzlichen Dank für den Artikel!
    Als Ergänzung: In Baden-Württemberg werden nicht geimpfte/genesene Kinder und Jugendliche (auch das Personal) in Kindergärten und Schulen für Geistig- und Körperbehinderte weiterhin 2x wöchtlich verpflichtet getestet - und zwar bis Ende Juli! Begründet wird dies mit dem "Schutz vulnerabler Gruppen" - eine freiwillige Testung für Geimpfte/Genesene ist nicht vorgesehen - als ob es hier keine Infektionsmöglichkeit gäbe. Diese Begründung ist doch mehr als fraglich. Liegt der Grund nicht eher in der Angst der Beschäftigten? Diesen Eindruck bekommen wir mit Blick auf die KollegInnen zumindest...
    Problematisch ist hier zudem, dass die Kinder/Jugendlichen die Tests häufig nicht selbst durchführen können, aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung.