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"Das war keine Nacht- und Nebelaktion"

Tobias Schulze war einer der Initiatoren der Berliner Postdoc-Regel. Warum die Reform nötig war und trotzdem nachgebessert werden muss, was sie für die Berliner Exzellenz-Chancen bedeutet und warum die Kritik von HU-Vizepräsident Kronthaler für ihn Schwarz-Weiß-Malerei bedeutet: ein Interview.

Tobias Schulze, 46, ist stellvertretender Vorsitzender der Berliner Linken, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Netzpolitik, Wissenschaft und Forschung. Außerdem fungiert er als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftspolitik seiner Partei.

Foto: Ben Gross.

Herr Schulze, der Berliner Senat hat die Novelle der Novelle des Hochschulgesetzes beschlossen. Vor allem soll sie reparieren, was die Wissenschaftspolitiker der rot-rot-grünen Abgeordnetenhaus-Fraktionen, unter anderem Sie, auf den letzten Drücker noch hinzugefügt hatten, oder?

 

Sie muss die Regelung des Paragrafen 110, Absatz 6 präzisieren und verklaren. Mehr ist bisher nicht vorgesehen.  

 

Das ist die umstrittene Passage, derzufolge Postdoktoranden auf haushaltsfinanzierten Qualifikationsstellen in der Regel eine Dauerstelle angeboten bekommen müssen. Was genau soll da denn jetzt geändert werden?

 

Zum einen wird klargestellt, dass Postdocs auf Drittmittelstellen weiter befristet eingestellt werden können, auch wenn die Drittmittel vom Land Berlin ausgereicht werden. Das gilt für die Berlin University Alliance (BUA). Zum anderen wird eine Übergangsfrist eingebaut. Und zum dritten wird geklärt, dass der Absatz 6 des Paragrafen 110 für alle gilt, die nach der Promotion eine zweite Qualifikationsphase gegebenenfalls mit weiteren Tenure-Kriterien erfolgreich bestehen.   

 

"Wir müssen klären, wie wir mit denjenigen 
umgehen, die bereits jetzt auf einer entsprechenden Stelle sind. Sonst verlieren wir eine ganze Kohorte an wichtigen Wissenschaftler:innen."

 

Und, reicht das? Oder muss da noch mehr kommen?

 

Die genannten Regelungen sind bereits im Entwurf des Senats enthalten. Wir müssen aus meiner Sicht im Parlament klären, wie wir mit denjenigen umgehen, die bereits jetzt auf einer entsprechenden Stelle sind. Für die müssen entsprechende Regelungen getroffen werden, das wäre sonst nicht nur ungerecht, sondern wir würden eine ganze Kohorte an wichtigen Wissenschaftler:innen verlieren.

 

Würden Sie heute der Einschätzung zustimmen, dass das ursprüngliche Gesetz und speziell der umstrittene Paragraf 110 gut gemeint, aber handwerklich schlecht gemacht war?

 

In Details: ja. So etwa bei der Frage, wie die Beschäftigten in Projekten der BUA einzustufen sind. 

 

Warum musste die Änderung denn überhaupt so spät eingefügt werden – in dem, was sogar in der Senatsverwaltung viele als "Nacht- und Nebelaktion" der Regierungsfraktionen wenige Tage vor der Abgeordnetenhauswahl bezeichnen? 

 

Wir haben nichts hinzugefügt, sondern mussten uns auf den letzten Metern des Gesetzesprozesses für eine von mehreren diskutierten Varianten des Paragrafen 110 entscheiden. Dazu kamen in den Jahren der Gesetzesdiskussion seit 2019 aus der Community und auch der Verwaltung viele Ideen – allerdings keine von den Unileitungen. Das war keine Nacht- und Nebelaktion, sondern ein normaler Prozess. Es gilt auch in Berlin das Strucksche Gesetz, dass kein Gesetz das Parlament verlässt, wie es hineingeht.  

 

"Der Einstellungsstopp war eine politische Entscheidung der Hochschulleitungen – nicht zuletzt, um uns als Politik unter Druck zu setzen."

 

Der Rest der Wissenschaftsrepublik schaute in den vergangenen Monaten gebannt auf die Berliner Wissenschafts-Seifenoper. Rücktritte und Führungskämpfe an den Universitäten, ein Exzellenzverbund BUA, der als Reaktion auf die Hochschulgesetznovelle einen Einstellungsstopp verhängte, eigenwillige Parlamentarier und ein Dauerstreit zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik. Wie groß ist der Schaden für den Wissenschaftsstandort Berlin? 

 

Seit dem Herbst meldeten sich bei mir mehrere Initiativen und Wissenschaftler:innen aus dem Bundesgebiet, die sich über das Berliner Gesetz als Vorbild für ihre Bundesländer informieren wollten. Offenbar gibt es sehr unterschiedliche Blickwinkel darauf. Der Einstellungsstopp war eine politische Entscheidung der Hochschulleitungen – nicht zuletzt, um uns als Politik unter Druck zu setzen. Der Schaden dadurch ist groß, in den Fachbereichen, bei der BUA, und bei den Betroffenen selbst, die zum Teil seit September ohne Arbeitsplatz sind. Die Führungskämpfe in den Uni-Leitungen hatten eher andere Ursachen. Auch die strukturellen Probleme der BUA gehen nur teilweise auf das Gesetz zurück.    


Neues Gutachten sieht Hochschulgesetz-
Artikel 110 als nicht verfassungswidrig

Als eine ihrer letzten Amtshandlungen hatte Sabine Kunst vor ihrem Protest-Rücktritt als Präsidentin der Humboldt-Universität eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Hochschulgesetz beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Abgeordnetenhaus-Fraktionen von CDU und FDP wiederum haben eine Normenkontrollklage gegen den besonders umstrittenen Paragraf 110 beim Berliner Landesverfassungsgericht angekündigt – auf der Grundlage eines Gutachten des HU-Juristen Matthias Ruppert, demzufolge der Berliner Senat zur Anordnung einer grundsätzlichen Entfristung von Postdocs die Gesetzgebungskompetenz fehle.

 

Dem widerspricht nun ein weiteres Rechtsgutachten, das diesmal die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Auftrag gegeben hat: Der Paragraf 110, Absatz 6 führe gar keine neuen Befristungsregelungen ein, sondern es handle sich um "eine landesrechtliche Regelung des Personalwesens im Hochschulbereich". Ergo sei das Land zuständig, befinden die Autoren des Gutachtens, die ehemalige Richterin am Landesverfassungsgericht Rosemarie Will und 

der  Rechtsanwalt Michael Plöse. Insofern greife das neue Gesetz auch nicht in die Wissenschaftsfreiheit oder in die Zuständigkeit des Bundes ein, die dieser über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) wahrnimmt. 

 

Das WissZeitVG  lasse im Gegenteil ausdrücklich auch die unbefristete Beschäftigung von wissenschaftlichem Personal zu. Außerdem bedeute die gesetzliche Regelung, dass nach der Postdoc-Phase ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen werden müsse, der dann unbefristet sei. Insgesamt gehöre es "zur hochschulgesetzlichen Kompetenz der Länder, den Hochschulen vorzuschreiben, wie sie sich als Arbeitgeber zu verhalten haben", zitierte der Tagesspiegel Rosemarie Will. 

 

Klarheit wird es wohl erst geben, wenn die Gerichte entschieden haben. Im Übrigen sieht auch Gutachterin Will laut Tagesspiegel noch Nachbesserungsbedarf: Die beschlossene Reparaturnovelle stelle noch nicht die erforderliche Rechtssicherheit her.



Welche Chancen hat die BUA noch, ihren Exzellenztitel bei der Exzellenzstrategie zu verteidigen?

 

Der Grundansatz des Berliner Antrages – die schiere Größe, Offenheit und Vielfalt unserer Wissenschaftslandschaft sichtbar zu machen und damit Kooperation statt Gegeneinander in den Mittelpunkt zu rücken – bleibt richtig. Aber dieser Ansatz muss nun mit Leben erfüllt und forschungsstrategisch weiter untersetzt werden. Auch ganz unabhängig vom Wettbewerb, der ja kein Selbstzweck ist. Wenn dieser irgendwann ausläuft, sollte Berlin wissen, wo es hin will mit seiner Wissenschaft.

 

Sind Sie dafür, dass die Exzellenzstrategie ausläuft?   

 

Wir haben als LINKE seit Beginn der Exzellenzinitiative im Jahr 2006 kritisiert, dass hier Leuchttürme in einer Wüste der Unterfinanzierung geschaffen werden sollen. Und auch das erklärte Ziel, die Harvards und Oxfords dieser Welt zu überholen, war wohl eher dem Überschwang der damaligen Bundesregierung zu verdanken als strategischen Überlegungen. Das Spannende an der Förderung waren die Graduiertenschulen und die Cluster. Ausgerechnet die Graduiertenschulen sind eingestellt worden – das finde ich absurd. 

 

"Die Förderung von Exzellenzuniversitäten wollen wir als LINKE beenden, sie benachteiligt hervorragende Universitäten einfach auf Grund ihrer Größe oder Lage."

 

Die Clusterförderung gibt es aber weiter.

 

Dies sehen wir aber als interdisziplinäre Kooperationsförderung zukünftig eher bei der DFG. Die Förderung von Exzellenzuniversitäten wollen wir beenden, sie benachteiligt hervorragende Universitäten einfach auf Grund ihrer Größe oder Lage. Der Begriff Exzellenz ist mittlerweile dermaßen zerfleddert, dass er als Differenzierungsmerkmal auch nicht mehr viel taugt. Ich hätte viel mehr Lust über eine integrierte Strategie der Wissenschaftsförderung zu diskutieren, die eine weitere Integration von außeruniversitärer und hochschulischer Wissenschaft befördert, den Bund in die Grundfinanzierung dauerhaft einbindet und die Qualität der Lehre befördert anstatt sie als fünftes Rad am Wagen zu betrachten. Für jedes Problem gibt es mittlerweile ein Sonderprogramm des BMBF. Aber eine Strategie des Bundes kann ich nirgendwo erkennen.    

 

Die damalige Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, ist aus Protest gegen den neuen Paragrafen 110 zum Jahresende zurückgetreten. Auch ihr Vizepräsident Ludwig Kronthaler hat inzwischen seinen Rückzug angetreten – und seine Kritik richtet sich gegen das neue Hochschulgesetz als Ganzes. Bedauern Sie die Entscheidung der beiden?

 

Ja, ich hatte gehofft, beide gehen nach ihrer Wahl die Zukunftsaufgaben der Humboldt-Universität an. Das haben sicher auch die Mitglieder erwartet. Sie haben sich anders entschieden.   

 

Der Paragraf 110, sagte Ludwig Kronthaler im Interview, verkörpere "auf ikonische Weise die in Berlin verbreitete Ideologie", die da laute: "Für uns kommt es nicht in erster Linie auf wissenschaftliche Leistungsfähigkeit am, sondern für uns haben arbeits- und sozialpolitische Ziele Priorität." Und: "Individuelle Ansprüche gehen vor wissenschaftlicher Exzellenz und Zukunftsfähigkeit des Wissenschaftssystems". Ihre Reaktion?

 

Die von uns gewollte Veränderung der Personalstrukturen zielen vor allem auf die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Wissenschaft. Es geht darum, innovative, junge Wissenschaftler:innen im System zu halten und gute Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Wir leisten uns derzeit in Deutschland durch die immense Fluktuation eine Verschleuderung an intellektuellem Potenzial und sind auch für junge Postdocs aus dem Ausland zu unattraktiv. Wer das als Ideologie bezeichnet, hat in der Debatte der letzten Jahre und auch beim Blick auf die internationale Szenerie etwas verpasst. 

 

"Der Paragraf 110 ist ein Mosaikstein der notwendigen Modernisierung unserer Personalstrukturen. Die Zeiten, als es nur Professor:innen und Schüler von Professor:innen gab, sind lange vorbei."

 

Was verkörpert der Paragraf 110 denn für Sie?

 

Ein Mosaikstein in einer notwendigen Modernisierung unserer Personalstrukturen. Die Zeiten, als es nur Professor:innen und Schüler von Professor:innen gab, sind lange vorbei. Wissenschaft ist heute ein kollektiver und arbeitsteiliger Prozess. Nach meiner Auffassung ist jemand, der promoviert und sogar habilitiert ist, eine Juniorprofessur besetzt oder eine Nachwuchsgruppe leitet, kein "Nachwuchs", der für Arbeitsmärkte auch außerhalb der Wissenschaft ausgebildet wird. Sondern Innovator und Leistungsträger im System selbst.    

 

Schränkt die Novelle die Hochschulautonomie ein?

 

Nein, im Gegenteil. Die Hochschulen in ihrer Gänze bekommen mehr Verantwortung. So etwa wird die Personalentwicklung explizit Aufgabe der Hochschulen, ebenso der Umgang mit Diskriminierung in den eigenen Reihen. Auch die Verantwortung der gewählten Gremien steigt.  

 

Das ist interessant. Ludwig Kronthaler nimmt eben diese neuen Bestimmungen zu Diversität und Antidiskriminierung als Belege, um die von ihm beklagte Ideologie des Hochschulgesetzes zu entlarven. Dessen Regelungswut zeige sich "schon von den Längen" der Textabschnitte her. "Die Regelungen zu den Zuständigkeiten und Kompetenzen der selbstständigen Beauftragten für Diversität, Antidiskriminierung und Gleichstellung sind in der Relation zu anderen Regelungen extrem umfangreich formuliert." Dabei seien alle diese Aspekte bereits in allgemeinen Gesetzen geregelt, die auch die Hochschulen binden. 

 

Die Regelungen der neuen Diversitätsbeauftragten sind denen zu den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, die seit Jahrzehnten gelten, nachgebildet. Da sehe ich keine Regelungswut. Die Arbeit für die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft ist anstrengend und nur selten von Gegenliebe etablierter Strukturen und Netzwerke begleitet. Das Gesetz schützt und unterstützt diejenigen, die diese harte Arbeit machen. 

 

Ludwig Kronthaler kritisiert, die Novelle beseitige das Prinzip der Staatsferne der Berliner Universitäten. Er empfinde es als Belastung, in seiner Dienstausübung künftig von der Senatsverwaltung Anweisungen erhalten zu können.

 

Oberste Dienstbehörde für die Beschäftigten sind in Berlin anders als in den meisten anderen Bundesländern die Hochschulen selbst, nicht das Land. Mit dem Gesetz haben wir die Autonomie der Hochschulen bei der Personalverwaltung noch einmal gestärkt. In Zukunft sind nicht mehr die Kuratorien unter Vorsitz der Wissenschaftssenatorin oberste Dienstbehörde der Beschäftigten, sondern der Präsident oder die Präsidentin. Die Rolle des Kuratoriums soll in Richtung eines Aufsichts- und Beratungsgremiums weiterentwickelt werden. Daher wechselt die Dienstbehörde für die Präsidien zur Landesverwaltung. Mit Anweisungen hat das alles nichts zu tun, sondern mit Personalwirtschaft und -verwaltung. 

 

Das Gesetz gefährde auch die Wissenschaftsfreiheit, sagt Kronthaler weiter, indem es bestimme, dass Forschung friedlichen Zwecken dienen solle – zumal die Regelung quasi beliebig interpretierbar sei.

 

Viele Unis in Deutschland haben solche Zivilklauseln in ihren Verfassungen, das Land Nordrhein-Westfalen bis 2019 auch im Hochschulgesetz. Sie dienen dazu, die Debatten über eine friedliche Nutzung der Forschung an unseren Hochschulen zu befördern. Das wird auch die gesetzliche Klausel in Berlin leisten. Verbote gibt es nicht.     

 

"Ich finde diese
Schwarz-Weiß-Malerei unangemessen."

 

Was sagen Sie zu dem Vorwurf Kronthalers, das Reparaturgesetz verschärfe die Lage noch, wenn künftig auch Postdocs, "die gar keine wissenschaftliche Karriere in Berlin anstreben, sondern einfach auf den international üblichen Lehr- und Wanderjahren sind, in Berlin nicht mehr befristet beschäftigt werden dürfen"?

 

Dürfen sie doch. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz gilt. Aber nach der Qualifikation und gegebenenfalls der Erfüllung weiterer Leistungskriterien muss ihnen hier ein adäquates Angebot für einen Dauervertrag gemacht werden. Im Übrigen sind knapp zwei Drittel der Postdocs befristet in Drittmittelprojekten beschäftigt und fallen gar nicht unter den Paragrafen 110, Absatz 6. Ich finde diese Schwarz-Weiß-Malerei unangemessen. Und der Begriff "Lehr- und Wanderjahre" für Menschen in der mittleren Lebens- und Arbeitsphase ist eine Beschönigung der realen Probleme. Das sind keine Azubis.     

 

An welchen Stellen ist, was Ihre Arbeit als Abgeordnete im Gesetzgebungsverfahren angeht, Selbstkritik angebracht?

 

Seit 2017 haben wir in einem breit angelegten Diskussionsprozess mit allen Akteuren der Hochschulen die Eckpunkte herausgearbeitet – auch mit den Leitungen übrigens. Wir hatten Fachgespräche im Landesparlament mit mehr als 100 Menschen vor Ort. Wir wollten das Gesetz eigentlich spätestens Ende 2020 beschließen. Auch wegen Corona zog sich der Erarbeitungsprozess länger hin, und zum Schluss der Legislaturperiode wurde es hektisch. Das war misslich, wir hätten mehr Zeit für Rücksprache gebraucht. 

 

"Ich hoffe, dass wir in Berlin eine wissenschaftsstrategische Debatte führen, wo wir in zehn Jahren stehen wollen".

 

Wieso? Sie sagten doch gerade, Sie hätten doch mit allen gesprochen, das sei ein "ganz normaler Prozess" gewesen. Was war denn nicht normal? 

 

95 Prozent der Novelle hatten wir im Frühjahr 2021 fertig und breit abgestimmt. Gerade deswegen war ein Abbrechen des Prozesses keine Option. Für die verbliebenen fünf Prozent wäre etwas mehr Zeit für Abstimmung gut gewesen.  

 

Zwei der drei großen Berliner Universitäten haben schon oder demnächst neue Präsidentinnen. FU-Präsident Günter Ziegler dagegen wurde nach langen Querelen überraschend deutlich wiedergewählt. Was erwarten sie von den drei?

 

Erstens, dass die Menschen, die in den Universitäten arbeiten, forschen, lehren und studieren, das Gefühl haben, von den gewählten Leitungen gut vertreten zu werden. Die Leitung einer Hochschule ist kein Top-Down-Prozess, sondern ein durchaus schwieriger Balance-Akt zwischen Führung, Ausführung und Repräsentation. Zweitens wünsche ich Erfolg bei der Lösung der strukturellen Probleme, vor denen jede unserer drei Universitäten in unterschiedlicher Weise steht, ob es um Studium, Verwaltung, IT, Finanzen oder auch Fachkräfte geht. Die Basis muss laufen. Ich biete jede Unterstützung aus dem Parlament dafür an. 

Drittens hoffe ich, dass wir in Berlin eine wissenschaftsstrategische Debatte führen, wo wir in zehn Jahren stehen wollen. Über Schwerpunkte, über die Kooperationen zwischen den Unis, aber auch mit HAWs, Außeruniversitären und den Einrichtungen der Wissenschaftskommunikation. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. 



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Kommentare: 4
  • #1

    Noch 'ne Hanna (Donnerstag, 05 Mai 2022 10:52)

    Vielen Dank, dass der Blog den Raum dafür geschaffen hat, den politischen Hintergrund der BerlHG-Novelle zu erläutern! (Ich würde finanziell unterstützen, kann das zur Zeit wegen meiner eigenen Geschichte aber leider nicht.)

    Was deutlich ist, ist, dass eine Neu-Bewertung der Erfolgskriterien der Exzellenzinitiative notwendig ist. An anderer Stelle habe ich mich schon mal darüber lustig gemacht, dass die Exzellenz zumindest in den drei Stadtstaaten zum Totschlag-Argument verkommen ist: Die Universitätsleitungen können jede demokratisch legitimierte Intervention der Politik abwehren, indem sie die Exzellenz als bedroht erklären und sich selbst zu ihren Hüter*innen machen. Gleichzeitig ist eine Neu-Bewertung der tatsächlichen Leistungen der Universitätsleitungen vor allem in der letzten Dekade notwendig: Waren Kunst/Kronthaler, Lenzen und Scholz-Reiter/Mehrtens (bzw. Müller/Kück) wirklich gut in ihrem Job oder war vielleicht einfach die Ausbeutung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit ganzer Kohorten durch missbräuchliche Nutzung des Sonderbefristungsrecht eingepreist? Auch auf dem privaten Arbeitsmarkt können Arbeitgeber (als Institutionen) ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile realisieren, wenn sie Fürsorgepflichten gegenüber den Mitarbeitenden missachten. Warum sollte das in der Wissenschaft anders sein? Speziell im Exzellenzwettbewerb haben Unis Vorteile, die durch Deputatsreduktionen und Leistungsbezüge für die Professor*innen aus der Lehre in die (Drittmittel-)Forschung umschichten. Im Ergebnis dürfen sie sich dann zwar als "exzellent" bezüglich einer Universitätsaufgabe bezeichnen, das geht aber zu Lasten aller anderen Universitätsangehörigen, die sich aufgrund der Unterrepräsentation im Rahmen der Selbstverwaltung dieser Missachtung ihrer Interessen und Rechte nicht entgegenstellen können. Klarere Weisungsstrukturen sind da unabdingbar, damit der demokratisch gewählte Gesetzgeber (als Institution) seinen Aufsichtspflichten nachkommen kann.

  • #2

    Aus einer Berliner Uni (Samstag, 07 Mai 2022 12:50)

    Ich finde es schade, dass bei diesem Interview die Gelegenheit versäumt wurde, einige der getroffenen Aussagen kritisch zu hinterfragen. Denn alle schwierigen Aspekte der Reform des 110 wurden ja schlicht ignoriert.
    - Das Interview gibt endlich mal zu, dass die allermeisten PostDoc Stellen aus Drittmitteln finanziert werden, der 110 an dem Großteil der befristeten Stellen also gar nichts ändert. Wozu dann der viele Ärger?
    - Es bleibt wie üblich unerwähnt, dass die wenigen Haushaltsstellen nur einmal unbefristet besetzt werden können. Dann sind sie 40 Jahre besetzt; in dieser Zeit haben Nachwuchswissenschaftler also keine Chance mehr, eine HH-Stelle zu bekommen. Der Vergleich "In der Industrie geht das doch auch" ist Quatsch, weil es bundesweit ja ungefähr (klar: Arbeitslosenquote, Fachkräftemangel etc.) so viele Arbeitsplätze wie Bewerber gibt. Es gibt in den meisten Bereichen also ungefähr so viele Bewerber wie Stellen. Es gibt aber viel mehr Promotionen als HH-Stellen, solange die Finanzierung der Unis nicht komplett geändert werden. Deswegen gibt es dort auch viel weniger (in vielen Fächern keine) Fluktuation.
    - Dauerstellen sind teurer als befristet Stellen (ca. 12TE im Jahr), weil die Personen älter werden und nach TV dann mehr verdienen. Es wird also insgesamt weniger Stellen geben – wieder schlecht für alle zukünftigen Generationen.
    - Die "Reparatur" ist zu großen Teilen eine Verschlimmerung. Mit den neuen Regelungen muss man eine der Qualifikation angepasste Anschlussstelle vorhalten. Wenn man also jemand anstellt mit dem Ziel, Qualifikationen für eine Professur zu erreichen, muss man ihm (ihr) abschliessend eine Professur bieten – nicht nur eine Dauer-PostDoc Stelle. Darf man aber nicht wegen Hausberufungsverbot und dem Gebot der Bestenauslese/Ausschreibung bei der Besetzung von Professuren. Die Professur ist auch viel teurer - weitere Stellenstreichungen. Jede Professur hat auch Ansprüche auf eine personelle Ausstattung (siehe Urteile BVVG). Also muss man noch eine Stelle freihalten - woher? Ich bin sehr gespannt auf die zukünftigen Stellenbeschreibungen, die bei einem PostDoc Aufgaben definieren, die in Forschung und Lehre liegen und nachweisbar *nicht* für eine Professur qualifizieren. Man könnte z.B. das Publizieren verbieten.
    - Besonders frech finde ich es, dass der Senat die Unis zu Dauerstellen zwingt, sich selber aber alle Türen aufhält, nur befristet Geld zu geben (z.B. die BUA Zuweisungen). Der Senat wird in Zukunft also nur befristet Geld geben, aber den Unis den schwarzen Peter zuspielen, wenn sie damit nicht Dauerstellen schaffen.
    - Der Einstellungsstopp bei BUA Stellen war keinesfalls eine "eine politische Entscheidung der Unileitungen", sondern juristisch schlicht notwendig, weil das Gesetz so schlecht formuliert ist/war. Statt das zuzugeben, versucht Herr Schulze hier Schuld zu verschieben.
    - Der Satz "Grundansatz des Berliner Antrages – die schiere Größe, Offenheit und Vielfalt unserer Wissenschaftslandschaft sichtbar zu machen und damit Kooperation statt Gegeneinander in den Mittelpunkt zu rücken" zeigt vor allem, dass Herr Schulze den Exzellenzwettbewerb (und den BUA Antrag) schon im Ansatz nicht verstanden hat. Die DFG gibt der BUA nicht Geld, um zu kooperieren, sondern um exzellente Forschung zu machen - das und nur das zählt bei einer Evaluation. „Schiere Größe“ ist den Gutachtern vollkommen egal.
    - "Die Förderung von Exzellenzuniversitäten wollen wir beenden" - aber Berlin soll einen BUA Verlängerungsantrag stellen? Können wir uns das dann nicht schlicht sparen?
    - "Veränderung der Personalstrukturen …. Es geht darum, innovative, junge Wissenschaftler:innen im System zu halten…" ist bemerkenswert. Er verbindet hier selber "jung" mit "innovativ". Aber Inhaber von Dauerstellen sind nur einmal jung. Und es kann pro 40 Jahren auch nur eine Person gehalten werden. Das Kernproblem der Reform wird wieder ignoriert.
    - "für junge Postdocs aus dem Ausland zu unattraktiv" ist Quatsch. Wir haben viel PostDocs aus dem Ausland; Berlin ist als Stadt sehr attraktiv. Solche Aussagen hätte ich gerne mal durch Zahlen unterlegt, am besten mit einer Ziel-Quote.
    - "der promoviert [...], [ist] kein Nachwuchs, der für Arbeitsmärkte auch außerhalb der Wissenschaft ausgebildet wird." ist bemerkenswert. Wir sollten die Zahl von Promotionen in Deutschland dann um ca. 95% reduzieren. Wer außer den Unis braucht schon Forscher/innen?
    ... Ende Teil 1 (und WORD zählt anders ...)

  • #3

    Aus einer Berliner Uni (Teil 2) (Samstag, 07 Mai 2022 12:51)

    - "der promoviert [...], [ist] kein Nachwuchs, der für Arbeitsmärkte auch außerhalb der Wissenschaft ausgebildet wird." ist bemerkenswert. Wir sollten die Zahl von Promotionen in Deutschland dann um ca. 95% reduzieren. Wer außer den Unis braucht schon Forscher/innen?
    - Eine wesentliche Folge von mehr Dauerstellen ist eine Erhöhung des Lehrdeputats, und womöglich ist das eines der Hauptanliegen des Senats. Befristete Stellen haben 4SWS, Dauerstellen 8SWS (oder auch 14/18). Für gleiches Geld können also mehr Studierende durch die Unis geschleust werden. Das damit auch (viel) weniger Zeit für Forschung bleibt – egal.

    Herr Schulze sollte doch bitte mal einige Universitätsinstitute besuchen und sich anhören, wie die Novelle hier aufgenommen wird. Am besten im Bereich Ingenieur oder Naturwissenschaften.

    Ein schönes Wochenende.

  • #4

    Na ja (Samstag, 07 Mai 2022 15:56)

    Dem Beitrag von ''Aus einer Berliner Uni'' kann man nur
    zustimmen. In Bayern ist man glücklicherweise weit entfernt von solch einem Unfug, wie in der Berliner Senat hier produziert. Schade um die schöne Zeit, die die Berliner Universitäten investieren müssen, um sich zu wehren.