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An die kurze Leine

Die DFG und weitere Gesellschafter von "Wissenschaft im Dialog" wollen offenbar ihren Zuschuss zum Grundhaushalt der Wisskomm-Einrichtung kürzen – und so mehr Einfluss auf deren Strategie ausüben.

Screenshot von der Website von "Wissenschaft im Dialog".

KÜRZEN DIE großen fünf Forschungsorganisationen "Wissenschaft im Dialog" (WiD) die Grundfinanzierung? Nach Auskunft der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) befindet sich derzeit ein Brief in der Abstimmung, der WiD die entsprechenden Absichten von DFG, Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Fraunhofer-Gesellschaft mitteilen werde.

 

Allerdings, betont DFG-Pressesprecher Marco Finetti, gehe es nicht darum, die Überweisungen an WiD zu verringern, sondern die Finanzierungsmodalitäten zu ändern. "Die fünf Organisationen haben vereinbart, ihre in gleicher Höhe bleibenden Zuschüsse künftig zu splitten. 50 Prozent gehen in die Grundfinanzierung von WiD, 50 Prozent fließen in konkrete und längerfristige Projekte, deren Auswahl zwischen Gesellschaftern und WID systematischer als bislang abgestimmt werden soll." Die Pläne seien Teil des Strategieprozesses von WiD, der aktuell laufe.

 

Zurzeit ist DFG-Präsidentin Katja Becker die Vorsitzende der Gesellschafterversammlung von "Wissenschaft im Dialog", einer im Jahr 2000 von den Wissenschaftsorganisationen gegründeten Initiative für mehr Wissenschaftskommunikation. WiD bemüht sich mit seiner sehr agilen und rasant gewachsenen Geschäftsstelle seither um neue Formen der Partizipation, die weit mehr sind als ein Informieren der geneigten Öffentlichkeit, die zum Mitdenken, zum Begeistertsein und Spaßhaben an Wissenschaft und immer stärker auch zum Mitgestalten von Forschung anregen wollen. 

 

Von "Fast Forward Science"
bis zum "Ideenlauf"

 

So würden zumindest die Fans von WiD dessen Arbeit beschreiben: als einen Think Tank der deutschen Wissenschaft, unabhängig von den Singularinteressen einzelner Organisationen. Gut zwei Dutzend Projekte hat WiD zurzeit am Start oder ist an ihnen beteiligt: Dauerbrenner wie die MS Wissenschaft, den Webvideo-Wettbewerb "Fast Forward Science" oder die Bevölkerungsumfrage "Wissenschaftsbarometer". Oder auch "Jugend präsentiert", das Online-Portal "Wissenschaftskommunikation.de" oder die Diskussionsreihe "Wissenschaft kontrovers". Ganz aktuell der "Ideenlauf" im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2022 oder die "Impact Unit" für Wirkung und Evaluation in der Wissenschaftskommunikation. Ein beeindruckend vielfältiges Portfolio.

 

Doch hat "Wissenschaft im Dialog" mit seiner breit angelegten Strategie schon in der Vergangenheit immer wieder auch Kritik aus den Reihen seiner Gesellschafter hervorgerufen – und vor allem die teilweise sehr direkt gestellte Frage, ob und wie eigentlich ihr eigener Außenauftritt von all den WiD-Projekten profitiere.

 

Und die Gesellschafter haben ein Druckmittel: Sie bestreiten mit ihren Zuschüssen den WiD-Grundhaushalt, der 2019 bei rund 0,85 Millionen Euro lag. Der Großteil kommt von den fünf großen, über den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) finanzierten Organisationen: Helmholtz zahlt zurzeit pro Jahr rund 200.000 Euro, die Max-Planck-Gesellschaft und DFG jeweils etwa 135.000 Euro, Leibniz und Fraunhofer jeweils um die 100.000 Euro. 

 

Sollten die fünf sogenannten Pakt-Organisationen ihre Zuschüsse zum WiD-Grundhaushalt tatsächlich halbieren, würde dieser auf einen Schlag um fast 40 Prozent sinken. Was die Abhängigkeit von "Wissenschaft im Dialog" von eingeworbenen Drittmitteln, Teilnahmegebühren und Projektgeldern weiter erhöhen würde. Und vor allem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das 2019 mit knapp 800.000 Euro mehr als ein Viertel aller Fördermittel (3,11 Millionen) beisteuerte. 

 

Bedient der WiD eine vom BMBF
vorgegebene Kommunikationsstrategie?

 

Was ironisch wäre: Denn ausgerechnet die nach Meinung einiger Gesellschafter zu große Nähe zum BMBF ist offenbar der Grund, warum sie den WiD-Grundhaushalt kürzen wollen. Es sei nicht hinzunehmen, dass WiD mit den Gesellschafterzuschüssen eine vom BMBF vorgegebene Kommunikationsstrategie bediene, heißt es hinter vorgehaltener Hand – und vom Ministerium initiierte oder gewollte Projekte finanziere. Womit etwa "Wissenschaftskommunikation.de" oder auch die Impact-Unit gemeint sein dürften. Man könnte allerdings auch anders herum argumentieren: Der WiD hat mit seinen Impulsen die Wissenschaftskommunikation insgesamt beeinflusst – und damit auch die Politik des BMBF.

 

Womöglich spielt in der Debatte auch ein noch nicht vergessener Konflikt eine Rolle: Bei der sogenannten "FactoryWisskomm", initiiert von der damaligen Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU)*, hatte diese für eine deutlich stärkere Selbstverpflichtung der Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen zu einer qualitativ messbaren Wissenschaftskommunikation plädiert – deutlich gegen den Willen einiger (nicht aller!) Paktorganisationen.

 

Allerdings hat auch das BMBF gegenüber den Paktorganisationen einen Hebel: Zu den forschungspolitischen Zielen des mit vielen Forschungsmilliarden dotierten PFI gehört auch die Stärkung von "Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft", wobei mit letzterem auch ein Ausbau der Wissenschaftskommunikation gemeint ist. Und auch der Ampel-Koalitionsvertrag vom vergangenen Spätherbst enthält ein kräftiges Bekenntnis zu "Wissenschaftskommunikation und Partizipation", so dass ein Zusammenstreichen der Überweisungen an WID durch die großen Fünf politisch kaum denkbar wäre. Ein Splitting aber schon? 

 

Derweil stellt sich die Frage, ob mit einem noch niedrigeren Grundhaushalt die vermeintliche Abhängigkeit des WiD vom BMBF nicht noch erhöht würde. Die Treiber des Splitting-Plans sehen das anders: Wenn der WiD schon strategisch abhängig sei, dann bitte von ihnen. Tatsächlich würde der Entscheidungsspielraum der WiD-Geschäftsführung stark eingeschränkt, welche Projekte sie künftig neu entwickeln und ausbauen wollen. Gleichzeitig könnte der Anteil befristeter Projektstellen bei WiD weiter zunehmen.

 

WiD-Geschäftsführer Weißkopf hofft weiter
auf einen "starken Auftrag" durch die Gesellschafter

 

Geschäftsführer Weißkopf ist unter Druck – und äußert sich auf Nachfrage sehr vorsichtig. Gemeinsam mit den Gesellschaftern und Partnern entwickle die WiD-Geschäftsstellen derzeit die strategische Ausrichtung für die kommenden Jahre. "In diesem laufenden Prozess" würden neben den strategischen Zielsetzungen und dem zugehörigen Portfolio auch die künftige Ausgestaltung der Governance und der Finanzierung diskutiert. "Klar ist: Wir wollen auch in Zukunft Impulsgeber für die Wissenschaftskommunikation bleiben. Dafür erhoffen wir uns gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen einen starken Auftrag seitens unserer Gesellschafter und Partner."

 

Soll wohl heißen: weiter eine starke Grundfinanzierung – in den vergangenen Jahren hatte die WiD-Geschäftsführung die Gesellschafter mehrfach sogar um eine Erhöhung ihrer Zuschüsse gebeten, um den Drittmittelanteil senken zu können.

 

Zur Motivation hinter dem geplanten Zuschuss-Splitting wollte sich DFG-Pressesprecher Finetti indes im Detail nicht äußern.

 

Helmholtz-Pressesprecherin Sara Arnstein teilte auf Anfrage mit, mit dem Splitting solle "eine neue Qualität in der Wissenschaftskommunikation" erreicht werden. "Dies ist aus Sicht der Gesellschafter auch deshalb der richtige Weg, da die Beiträge der einzelnen Gesellschafter aus den Budgets der Organisationen entnommen werden, die diese für Kommunikationszwecke eingestellt haben." Deshalb scheine für die Zukunft "eine noch engere und auch auf die Bedürfnisse der Gesellschafter abgestimmte gemeinsame Kommunikation absolut notwendig".

 

Max-Planck-Sprecherin Christina Beck sagte, aktuell werde mit den Gesellschafter-Geldern zum einen die WiD-Geschäftsstelle finanziert, "und die verbliebenen Mittel werden nach Gusto des WiD in den Overhead anderer Projekte gesteckt".

 

Wie weit der Splitting-Plan
gediehen ist, bleibt unklar

 

Doch wie definitiv ist die Kürzung überhaupt schon, und wie genau soll das Splitting-Modell eigentlich aussehen? Hierzu hört man unterschiedliche Einschätzungen aus den Forschungsorganisationen. Die künftige Finanzierung von WiD sei "noch nicht soweit verabredet, dass wir dazu öffentlich etwas sagen können", teilte etwa Leibniz-Sprecher Christoph Herbort-von Loeper mit. Roman Möhlmann, Bereichsleiter Wissenschaftskommunikation bei Fraunhofer, sagte zwar, "aktuell plädieren einige Gesellschafter, darunter Fraunhofer, für ein tragfähiges Splitting-Modell", doch: "Die künftige Finanzierung von WiD ist Agendapunkt im laufenden, nicht abgeschlossenen Strategieprozess der Initiative". 

 

Tatsächlich würde es zum Beispiel einen großen Unterschied machen, ob jeder Gesellschafter für sich mit WiD klärt, welche Projekte man künftig finanzieren will, was jegliche Gesamtstrategie ad absurdum führen dürfte – oder ob die Gesellschafter das im Rahmen eines gemeinsamen Tableaus miteinander entscheiden. 

 

Neben den fünf großen Forschungsorganisationen gibt es unter den Gesellschaftern übrigens noch drei weitere Haupt-Geldgeber: den Stifterverband, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und die Klaus-Tschira-Stiftung. Auch sie wollen dem Vernehmen nach teilweise eine engere Abstimmung über die laufende inhaltliche Arbeit – aber wohl über Gremien und ohne den WiD budgetär an die kurze Leine zu nehmen. 

 

Transparenzhinweis: Ich war vergangenes Jahr teilweise als Moderator an der "FactoryWisskomm" beteiligt.



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Kommentare: 2
  • #1

    Nicolas Wöhrl (Donnerstag, 12 Mai 2022 09:22)

    Genauso wie die Grundlagenforschung braucht auch die Wissenschaftskommunikation Freiheit. Eine Grundfinanzierung halte ich für wichtig um Formate und Ideen auszuprobieren. WiD war für mich als kommunizierender Wissenschaftler in den letzten Jahren ein wichtiger Partner und ich wünsche mir, dass sie ihre Arbeit weiter erfolgreich fortsetzen können. Eine Grundfinanzierung ist dabei für die langfristige Planung essentiell.

  • #2

    oh je (Samstag, 14 Mai 2022 09:21)

    @Nicolas Wöhrl: zu Grundfinanzierung von Wissenschaftskommunikation wird es hoffentlich so bald nicht kommen. Die Art von Wissenschaftskommunikation, die inzwischen von den deutschen Universitaeten auf ihren Webseiten betrieben wird, ist zumeist marktschreierisches Geblubbere, mit dem jeder kleine Forschungspups mit dem allergroessten Getoese in die Welt hinausposaunt wird. Es mangelt an der Identifikation relevanter Erkenntnisse. Eine Grundfinanzierung wuerde dieses Problem nur verschaerfen.