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IHS goes DATI

Warum das Programm "Innovative Hochschule" (IHS) ein entscheidender Booster sein kann für die künftige Agentur für Transfer und Innovation. Ein Gastbeitrag von Florian Berger, Nadia Galati und Maria Stalla.

Nadia Galati, Florian Berger und Maria Stalla (von links). Fotos: privat.

BEREITS SEIT LÄNGEREM werden in Deutschland Konzepte für eine neue Agentur zur Stärkung des Wissens- und Erkenntnistransfers aus der Wissenschaft in die Gesellschaft diskutiert. Auch in den Koalitionsvertrag hat es bekanntlich eine "Deutsche Agentur für Innovation und Transfer" (DATI) geschafft. Ende März hat ein Eckpunktepapier des BMBF dieses Ziel aufgegriffen. Bei Unterschieden im Detail: Alle Konzepte fokussieren auf die Verknüpfung von Hochschulen und Akteuren in ihren jeweiligen Regionen. Gerade auch die DATI des BMBF-Eckpunktepapiers greift damit das Prinzip regionaler Cluster auf und knüpft so an bereits vorhandene Programme mit ähnlichen Zielsetzungen an, etwa an die Bund-Länder-Initiative "Innovative Hochschule" (IHS). Insofern erscheint es uns wichtig, eine Kohärenz mit existierenden Fördermaßnahmen von Bund und Ländern sicherzustellen – und so Synergien für einen möglichst schnellen Aufbau der DATI zu nutzen.

 

Basierend auf den Erfahrungen, die wir bei der Durchführung verschiedener Evaluationsprojekte zu Transfer- und Clusterprogrammen in ganz Europa und insbesondere zur IHS gesammelt haben, möchten wir aus unserer persönlichen Sicht als Beratende und Forschende im Themenfeld Transfer einige Lehren für die DATI skizzieren. Vor allem aber möchten wir verdeutlichen, warum eine DATI, die erfolgreich und schnell den Transfer in Deutschland boostern soll, auf Strukturen der "Innovativen Hochschule" aufbauen sollte. 

 

Innovative Hochschule
– what works?

 

Zunächst: Was sind die Stärken von Innovative Hochschule als einem der – unserer Meinung nach – wichtigsten Förderprogramme im Bereich Transfer aus Hochschulen der letzten Jahre?

 

  • IHS zeichnet sich durch ein offenes Innovationsverständnis aus. Es können technische Innovationen, aber auch eher gesellschaftlich ausgerichtete Aspekte oder "soziale Innovationen" gefördert werden. Diese Vielfalt wird in der Praxis auch umgesetzt: Mindestens 23, also fast die Hälfte der aktuell geförderten 48 Hochschulen, verfolgen Vorhaben, die zu sozialen Innovationen führen sollen. Diese breite Herangehensweise an die Innovations- und Transferförderung ist notwendig, um die Vielfalt der gesellschaftlichen Herausforderungen in den jeweiligen Regionen zu adressieren. Beim Stichwort "Transfer" wird weiter oft vor allem an die Kooperation von Hochschule und Unternehmen gedacht. So bezogen sich auch die ersten Konzeptüberlegungen der Koalition zur DATI auf sogenannte "enterprise zones", die sich als "Sonderwirtschaftszonen" ja insbesondere an Unternehmensakteure richten dürften. Umso begrüßenswerter ist es, dass im BMBF-Eckpunktepapier zu DATI eine breitere Perspektive auf die Transfer- und Innovationsförderung genommen wird.
  • Ein Merkmal von IHS ist auch der stark partizipative Ansatz der Vorhaben. Konkret: Häufig setzen die Hochschulen Instrumente wie Regionalkonferenzen mit Unternehmen, Stakeholderworkshops mit kommunalen Vertretern oder Elemente der Bürgerwissenschaften ein, um die Perspektiven von Wirtschaft und Gesellschaft aufzunehmen. Prominent werden in den Vorhaben auch "Innovationslabore" genannt. 46 von 48 "Innovativen Hochschulen" nutzen dieses Format – in verschiedenster konkreter Ausgestaltung. Unsere Befragungen von regionalen Stakeholdern außerhalb der Innovativen Hochschulen zeigen: Die von den Hochschulen und ihren Partnern eingeführten Vernetzungselemente werden in der Region wahrgenommen und führen zu einer Stärkung der Rolle der Hochschulen im regionalen Innovationssystem.
  • Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt von IHS ist der finanzielle "Rumms" (Anspielungen auf "Bazookas" verbieten sich in diesen geopolitischen Zeiten). Ja, es stimmt: im Vergleich zu den Mitteln der DFG sind 550 Millionen über zehn Jahre für den Transfer über IHS wenig. Einige HAWS haben in einem Positionspaper eine Milliarde Euro jährlich für den Transfer über eine zukünftige DATI gefordert – auch wenn diese Summe sicherlich als pro domo-Argumentation eingeordnet werden kann. Für die einzelnen Hochschulen bedeutet die Förderung über IHS jedoch einen beträchtlichen Zuwachs der für Transferzwecke bereitstehenden Ressourcen. Hierdurch entsteht ein Momentum und eine "Ownership" auf Leitungsebene, über die der Aufbau von Strukturen für Transfer erst ermöglicht wird. Zukünftige Mittel für DATI – wie hoch sie im Endeffekt auch ausfallen werden – geben hier einen weiteren Schub.

 

DATI – worauf kann und
sollte aufgebaut werden?

 

Womit wir zum wichtigsten Punkt für das Zusammenspiel aus IHS und DATI kommen: den Synergien, die entstehen können, wenn die DATI stringent auf Strukturen von IHS aufbaut. Stand heute gibt es – selbst nach Veröffentlichung des Eckpunktepapiers – noch offene Fragen, wie das BMBF die DATI im Detail organisatorisch aufstellen möchte. Sicherlich muss hierzu im weiteren Dialog mit den Stakeholdern aus Universitäten und HAWs noch mehr Klarheit geschaffen werden. Fest steht aber schon jetzt: Ohne Transferstrukturen vor Ort werden regionale Transferaktivitäten nicht funktionieren. Transfer passiert nicht "einfach so". Es braucht Formate, Strukturen, Anreize – und engagierte Menschen, die Akteure zusammenbringen und regionale Entwicklungsprozesse organisieren, moderieren und begleiten können. Die im Eckpunktepapier genannten Regionalcoaches der DATI sind hier ein sinnvoller Ansatz. Vor allem ihre Vernetzung vor Ort ist jedoch ausschlaggebend, wenn die DATI einen dezidiert regionalen Fokus haben soll.

 

Fakt ist auch: Über "Innovative Hochschule" wurden in den vergangenen knapp fünf Jahren in 29 Einzel- und Verbundvorhaben Strukturen geschaffen, die auf ähnliche Ziele "einzahlen", wie sie für die DATI diskutiert werden. Die Vorhaben sind über die gesamte Republik verteilt. Hinzu kommen zwölf weitere HAWs, die seit 2017 im Rahmen der BMBF-Maßnahme "FH-Impuls" ebenfalls "Innovationspartnerschaften" und dementsprechende Netzwerke in ihren Regionen aufgebaut haben. Strukturen und Netzwerke, auf denen DATI-Aktivitäten vor Ort basieren können, gibt es also schon. 

 

Strukturen allein schaffen jedoch keinen Transfer, es sind die jeweiligen Personen in den Regionen, die hier Fortschritt möglich machen. Auch hier hat sich über die "Innovative Hochschule" eine hohe Zahl von Personen mit regionalen Akteuren vernetzt, Projekte angestoßen und vor allem über die kontinuierliche Präsenz in der Region Vertrauen erarbeitet – das essentielle Schmiermittel für jegliche Art von Kooperationen.

 

Schnell ins
Machen kommen

 

Was bedeutet dies für eine zukünftige DATI? Die Erfahrung mit anderen Agenturlösungen lehrt, dass eine gewisse Zeit ins Land gehen kann, bis konkrete Projekte über sie angebahnt werden. In Deutschland zeigte sich dies bei SPRIND, bei aller Unterschiedlichkeit in Zielsetzung und Förderansatz zwischen SPRIND und DATI. Ähnliches kann man im Vereinigten Königreich beobachten, wo ARIA, die neue "Advanced Research and Invention Agency" vor gut einem Jahr angekündigt wurde und für die der designierte Leiter, ehemals Deputy Director der Vorbildagentur DARPA, erst im Mai dieses Jahres seinen Job angetreten hat, ohne bisher bereits erste Projekte anstoßen zu können.

 

Die Grundidee der DATI ist es, Ideen und Forschungsergebnisse schneller in die Umsetzung zu bringen. Sollte dann Ähnliches nicht auch für die Strukturen der DATI und die hierdurch angestoßenen Transferprojekte angestrebt werden? Das BMBF sollte sich aus unserer Sicht zunutze machen, dass an 48 Hochschulen bereits Transferstrukturen geschaffen und in ihren regionalen Kontexten getestet wurden, dass Transfermanager:innen regional vernetzt sind und bereits Projekte zwischen Hochschule und regionalen Akteuren laufen. Sicherlich kann und sollte man Transfer im Rahmen von DATI weiter denken: In IHS ist zum Beispiel die Gründungsförderung wegen der Abgrenzung zu Programmen wie EXIST nicht abgedeckt. Gleiches gilt für den Transferkanal der Weiterbildung, etwa mittels der im Koalitionsvertrag erwähnten "micro-degrees". Zudem kann der Fokus der DATI noch stärker auf eine gemeinsame Trägerschaft der DATI-Projekte von Hochschulen und zum Beispiel regionalen Stiftungen oder kommunalen Akteuren hinauslaufen – ganz im Sinne der von BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger hier im Blog erwähnten "Multi-Stakeholder-Plattform". 

 

Dennoch: Wir sollten uns nicht der Chance berauben, die oben skizzierten Erkenntnisse aus vier Jahren "Innovativer Hochschule" zu nutzen. Wir sollten aufbauen auf bereits etablierten Strukturen. Und wir sollten die Erfahrungen der (keinesfalls im Überfluss auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen) regional vernetzten, erfahrenen Transfermanager:innen nutzen. So kann die DATI schnell ins Machen kommen – und Geschwindigkeit steht dem deutschen Hochschul- und Innovationssystem sicher gut zu Gesicht.

 

Florian Berger, Nadia Galati  und Maria Stalla arbeiten am deutschen Standort der Technopolis Group, einem internationalen Forschungs- und Beratungsinstitut mit Spezialisierung auf die Forschungs-, Innovations-, und Hochschulpolitik. Zu ihren Aufgaben gehören Auftragsforschungs- und Evaluationsprojekten für das BMBF (auch in der begleitenden Evaluation zu IHS), für das BMWK, die EU-Ebene und weitere öffentliche und zivilgesellschaftliche Institutionen. In diesem Kommentar stellen sie ihre persönliche Sicht dar, die auf Erfahrungen aus verschiedensten Forschungsprojekten basiert. 



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Kommentare: 2
  • #1

    Gründer (Donnerstag, 12 Mai 2022 10:05)

    Na ja.

    "Ohne Transferstrukturen vor Ort werden regionale Transferaktivitäten nicht funktionieren."

    Das Problem ist doch gerade die schlechte Qualität der lokalen Techtransfer-Strukturen. Freilich gilt das nicht nur für die Transferstellen der Hochschulen, sondern ebenso für freiberufliche "Regionalcoaches", die bereits jetzt im Rahmen anderer Programme tätig sind: Bei denen handelt es sich nämlich regelmäßig um von Konzernen wie Bayer geschaßte Mittelmanager oder um Unternehmensberater. Beide Sorten haben noch nie im Leben etwas gegründet, greifen aber gern die staatlichen Subventionen ab. Die Gefahr ist, daß diese Leute künftig auch noch bei DATI absahnen, wie bisher ohne echte Qualitätskontrolle. Sattelberger müßte das auf dem Schirm haben -- hat er aber nicht, sondern macht lieber Selbstvermarktung in den Medien.

    "Die Erfahrung mit anderen Agenturlösungen lehrt, dass eine gewisse Zeit ins Land gehen kann, bis konkrete Projekte über sie angebahnt werden. In Deutschland zeigte sich dies bei SPRIND, bei aller Unterschiedlichkeit in Zielsetzung und Förderansatz zwischen SPRIND und DATI. Ähnliches kann man im Vereinigten Königreich beobachten, wo ARIA, die neue "Advanced Research and Invention Agency" vor gut einem Jahr angekündigt wurde und für die der designierte Leiter, ehemals Deputy Director der Vorbildagentur DARPA, erst im Mai dieses Jahres seinen Job angetreten hat ..."

    Wenn SPRIND wenigstens richtig aufgesetzt worden wäre, hätte man durchaus warten können. Die Briten zeigen, wie es richtig geht: Man muss international suchen und jemanden nehmen, der Ahnung vom Thema hat. Bei SPRIND hingegen hat man einen Softwareunternehmer genommen, der von radikalen Innovationen keine Ahnung hat. Seine Eintrittskarte waren offenbar zweierlei: CDU-Nähe und die Mitgliedschaft im Suchkomitee -- d.h., der Mann hat sich selbst ausgesucht. Dann hat man ihm auch noch sofort zig Millionen gegeben, bevor er eine Strategie entwickelt hatte. Dementsprechend wurde das Geld nur so rausgehauen. Inzwischen sind Dutzende von Mitarbeitern eingestellt, aber es gibt noch immer keine Strategie. Die daraus folgenden Pfadabhängigkeiten bedeuten, daß SPRIND ohne Neustart nicht mehr zu retten ist. Aber Sattelberger verschleppt auch noch die Evaluation von SPRIND -- und nimmt bei beiden Agenturen keinen externen und unabhängigen Rat an.

    In der Innovationsforschung ist es ein Gemeinplatz, daß politisch getriebene Innovationsprojekte so gut wie immer scheitern. SPRIND und DATI zeigen, warum: Weil es auf beiden Seiten (Geldgeber und -nehmer) an intrinsischer Motivation und an Sachkenntnis fehlt. Stattdessen treiben politischer Filz und der eitle Wunsch nach konzentrierter Machtausübung und nach persönlicher und/ oder institutioneller "Sichtbarkeit" die Geldverbrennung voran.

    So kann das nichts werden!

  • #2

    Forschungsreferent (Mittwoch, 18 Mai 2022 12:03)

    Wenn ich die Diskussion um die DATI verfolge, fällt mir eines auf: Was dort entstehen soll, ist schon wieder völlig überladen mit Aufgaben, Missionen, Rollen etc.

    Ich wünsche mir mehr Pragmatismus. Was heißt Pragmatismus? Wenn es in Deutschland über die DFG ein etabliertes Instrument für die grundlagenorientierte Forschung gibt, dann es reicht meiner Meinung nach vollkommen aus, wenn die DATI den anwendungsorientierten Spiegel darstellt.

    Das was man aber aktuell alles auf die DATI "lädt", ist keine klasissche bundesweite und einheitliche Förderorganisation mehr. Es ist ein Koloss, den ich im z. B. im Eckepunktepapier des BMBF schon wieder nicht mehr richtig greifen kann.

    Es gibt eine "Förderlücke" bei der anwendungsorientieren Forschung und man könnte die fragmentierte Förderlandschaft unter einem Dach zusammenführen. Das würde schon reichen. Aber das ist vermutlich zu rational und funktional gedacht. Politik funktioniert anders.