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Immer Sorgen mit ZIM

Das Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand ist nach fast einem Jahr Förderstopp wieder offen. Doch der Frust der potenziellen Antragsteller bleibt. Betreibt das BMWK Planwirtschaft?

ES WAR EIN PAUKENSCHLAG kurz nach der Bundestagswahl. Anfang Oktober 2021 verhängte das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit nur 26 Stunden Vorwarnzeit einen Antragsstopp für sein größtes Industrieforschungs-Förderprogramm, das ZIM. Der Grund: Das Geld für 2021 war alle, vorzeitig ausgeschöpft durch die Vielzahl an Antragstellern.

 

Und auch nachdem Robert Habeck (Grüne) das in Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) umbenannte Haus übernommen hatte, gab es zunächst keine guten Nachrichten: Die für 2022 eingestellten 550 Millionen Euro reichten nur für die Bewilligung der bereits aufgelaufenen Anträge und zur Finanzierung weniger Ausnahmeregelungen vom generellen Stopp, teilte die Bundesregierung am 10. Dezember auf eine parlamentarische Anfrage der linken Bundestagsfraktion mit. Die Einschränkungen "können aufgehoben werden, wenn die für das ZIM im Jahr 2022 und in den Folgejahren zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel dem Bedarf entsprechend angepasst werden." Unterzeichnet war die Antwort des BMWK noch vom alten BMWi-Staatssekretär Ulrich Nußbaum – fünf Tage vor seiner Ablösung. 

 

Ein spätes, dafür aber wenigstens
gutes Ende der ZIM-Krise?

 

ZIM ist auf die Innovationsförderung in kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnitten, unabhängig von ihren Branchen oder ihrer technologischen Ausrichtung. Die Unternehmen sind die Haupt-Antragsteller, aber auch Forschungseinrichtungen und Hochschulen können als Kooperationspartner mitgefördert werden. Wie wichtig die finanzielle Unterstützung der KMU ist, zeigen regelmäßig Studien wie die ZEW-Innovationserhebung: Demzufolge geben Großunternehmen mit durchschnittlich 4,3 Prozent ihres Umsatzes fast dreimal so viel für Innovationen aus wie kleine und mittlere Unternehmen (1,5 Prozent). 

 

Trotzdem dauerte es bis Anfang August, bevor das BMWK in fetten Lettern auf der Website des Zentralen Mittelstandsprogramms verkündete: "Aktuelle Info: Ab sofort wieder ZIM-Anträge möglich". Zu diesem Zweck hatte die Ampel das Programmbudget für dieses Jahr um 60,5 auf 610,5 Millionen Euro hochgefahren. Ein spätes, aber dafür wenigstens gutes Ende der ZIM-Krise? Wie man es nimmt.

 

In der Szene ist der Frust jedenfalls fast so groß wie die Erleichterung. Von einem "Tritt ins Schienbein der forschenden Unternehmen" schrieb auf LinkedIn Mikko Hofsommer, Geschäftsführer der Gesellschaft für Lebensmittelforschung. Er meinte damit vor allem die neu eingeführte Regel, dass Unternehmen nur noch alle 24 Monate eine ZIM-Bewilligung erhalten dürfen – und zwar mit rückwirkender Geltung. Außerdem schränkt das BMWK die Möglichkeit von Laufzeitverlängerungen der Projekte und von Mittelverschiebungen nach eigener Formulierung "streng" ein.

 

"Hurra! Innovationen finden für KMU jetzt nur noch alle 24 Monate statt", kommentierte ein Forschungsmanager, der namentlich nicht genannt werden will. Wie viele seiner Kollegen, die sich ärgern, aber nicht öffentlich mit Kritik zu Wort melden –wohl weil sie sonst bei künftigen ZIM-Anträgen Nachteile fürchten.

 

Martin Bastian, Präsident der Zuse-Gemeinschaft, nennt ZIM "das Flaggschiff der Förderung von Innovation und Transfer in Deutschland" und seinen Neustart "überfällig". Doch seien die neuen Auflagen "nicht nur alles andere als praxisgerecht, sondern sogar extrem kontraproduktiv. Sie dienen ganz offensichtlich ausschließlich der bürokratischen Verwaltung des eklatanten finanziellen Mangels bei ZIM."

 

Ministerium will Antragszahlen
besser steuern

 

Das streitet auch Habecks Ministerium auf Nachfrage nicht wirklich ab. Eine Sprecherin sagt: Ziel der veränderten Förderbedingungen sei, "die Antragszahlen besser steuern zu können und gleichzeitige eine breite Teilnahme sicherzustellen. Hierfür ist die weitere Beschränkung der Bewilligungen pro Unternehmen ein wirksames Instrument". Über ZIM geförderte Forschungs- und Entwicklungsprojekte wiesen eine durchschnittliche Dauer von etwa 24 Monaten auf, insofern gewährleiste die neue Regel, "dass viele verschiedene, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen von der ZIM-Förderung profitieren können und gleichzeitig das einzelne Unternehmen – bei Bedarf und entsprechenden förderfähigen Projektanträgen – relativ kontinuierlich am ZIM teilnehmen kann."

 

Die eingeschränkte Laufzeitverlängerung und Mittelverschiebung solle darüber hinaus "zu hohe Vorbindungen in den Folgejahren zu verhindern und die Flexibilität für neue Vorhaben langfristig zu erhalten", ist auf der ZIM-Website nachzulesen. Tatsächlich waren es ja genau diese "Vorbindungen", die dafür sorgten, dass der fast komplette Antragstopp in diesem Jahr trotz 550 Millionen Euro frischen Geldes nahtlos weitergehen musste. 

 

Und die Mittel bleiben knapp. Denn selbst mit seinen jetzt 610,5 Millionen Euro für 2022 hängt das ZIM-Budget um 23 Millionen hinter dem Vorjahr her – das allerdings wegen des Corona-Haushalts des Bundes ein besonderes war und in dem das Geld trotzdem nur bis Oktober reichte. Droht schon bald der nächste Förderstopp? Habecks Sprecherin weicht in ihrer Antwort aus. "Es ist das Ziel des BMWK, einen neuerlichen Antragsstopp zu vermeiden", sagt sie. Deshalb ja die "Anpassungen der Förderbedingungen".

 

Mit der man offenbar hofft, die Antragsintensität dauerhaft einzubremsen. Die Zahl der Antragsteller war Ende 2019 kurz vor dem Wechsel zu einer neuen ZIM-Richtlinie explodiert und im Frühjahr 2020 "krisenbedingt" (BMWK) hoch geblieben. Unmittelbar dem Stopp lag sie bei rund 550 pro Monat. Doch selbst wenn ihr Runterfahren jetzt nachhaltig gelingt, droht aus der ZIM-Krise ein Dauerzustand werden. So soll es 2023 zwar mit 694 Millionen Euro zunächst noch einmal deutlich Geld mehr für das Zentrale Mittelstandsprogramm geben, doch ist anschließend in mehreren Schritten ein Rückgang auf nur noch 598 Millionen im Jahr 2026 vorgesehen.

 

Wie passt das zu der programmatischen Ansage aus dem Ampel-Koalitionsvertrag, die Innovationsförderung und -finanzierung zu "stärken" und zu "entbürokratisieren" und zu diesem Zweck Förderprogramme wie ZIM weiterzuentwickeln?

 

"Gerade in einer Zeit, in der wir mit existentiellen Herausforderungen wie dem Klimawandel, den Folgen des Krieges in der Ukraine und einem zunehmenden Fachkräftemangel konfrontiert sind, brauchen wir – statt bürokratischer Hemmnisse – endlich eine bedarfsgerechte Finanzierung von ZIM und damit eine wirkungsvolle, zukunftsorientierte und nachhaltige Förderung von Innovation und Transfer im Mittelstand", sagt Zuse-Präsident Bastian, der 77 industrienahe Forschungsinstitute vertritt.

 

ZIM hat seit langem ein
Legitimationsproblem

 

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Das ZIM-Programm hatte schon vor dem Antragsstopp und unabhängig von seiner Finanzierung ein Legimationsproblem. Die Mittel seien bei einer Bewilligungsquote von über 60, teils über 70 Prozent an die immer selben Antragsteller mit den immer gleichen Antragsformaten gegangen – bemängelten Kritiker,  allerdings ebenfalls meist hinter vorgehaltener Hand: Ungewöhnliche, unorthodoxe Projekte hätten dagegen viel geringere Chancen gehabt – oder sich gar nicht erst ins Rennen begeben. In einer von 2019 stammenden offiziellen, ansonsten sehr positiven ZIM-Evaluation, durchgeführt im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, wurde das diplomatisch so formuliert: "Die Ansprüche an die Innovationshöhe der beantragten Projekte und das Niveau der Eigenbeiträge durch die Unternehmen selektiert jedoch in Richtung FuE-erfahrenere Unternehmen." Und: ZIM sei es im Laufe der Jahre weniger gelungen, "junge Unternehmen anzusprechen, als es in den frühen Programmphasen der Fall war".

 

Ob man den möglichen Mitnahmeffekten allerdings mit planwirtschaftlich anmutenden neuen Förderbedingungen beikommt? Fest steht: Für die 24-Monats-Regel gibt es keine innovationspolitischen, sondern ausschließlich budgetäre Gründe, denn für die Beurteilung der Güte, Kreativität oder Einzigartigkeit einer Entwicklungsidee kommt es nicht darauf an, ob sie die erste, zweite oder dritte eines Unternehmens ist. Zu einer nicht finanzpolitisch motivierten Weiterentwicklung von ZIM würde dagegen gehören, die Förderung für Startups und junge Unternehmen attraktiver und zugänglicher zu machen. Wozu das BMWK vor allem die Bewilligungsverfahren bei den Projektträgern und die seitenlangen Bestimmungen dazu in der ZIM-Richtlinie ernsthaft anzupacken müsste. Gern auf Kosten der Platzhirsche.



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