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Bund lenkt ein: Massive Benachteiligung von Kindern im Infektionsschutzgesetz soll beseitigt werden

Doch kein gesetzliches Betretungsverbot und Frei-Testpflicht für Kitas und Schulen schon im Verdachtsfall. KMK-Präsidentin Prien: Irrweg gestoppt.

ES IST EIN ERFOLG für die Rechte von Kinder und Jugendlichen in der Pandemie. Nach heftigen Protesten von Kultusministern, Ministerpräsidenten und Verbänden lenkt der Bund ein: Die im Bundestag beschlossene Novelle des Infektionsschutzgesetzes wird nachgebessert. 

 

Konkret soll Corona nun doch nicht in den Paragraphen 34 des Gesetzes aufgenommen werden, der bislang einen Katalog von Infektionskrankheiten wie Masern, Röteln, Cholera oder der Pest enthält. Der Paragraph bestimmt unter anderem, dass schon der Verdacht auf diese Infektionen ausreicht, um Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen nicht besuchen zu dürfen. Da der Verdachtsfall nicht definiert ist, hätte dies effektiv bedeutet, dass Schüler oder Lehrkräfte möglicherweise schon bei einem Schnupfen zum Arzt gehen oder unter Aufsicht einen Schnelltest mit Nachweispflicht hätten absolvieren müssen. Vergleichbare Regeln bei einem Corona-Verdacht waren in Fabriken, Büros oder an anderen Arbeitsplätzen nicht vorgesehen.

 

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien, bestätigte, dass der Bund vor der heutigen Abstimmung im Bundesrat eine Protokollerklärung zum Gesetz hinzufügen werde. Diese werde die Umsetzung der zugesicherten Änderungen bis zum 7. Oktober enthalten. "Ich bin erleichtert und dankbar, dass es gelungen ist, mit einer massiven Intervention der Kultusminister und vieler Ministerpräsidenten diesen Irrweg zu stoppen", sagte Prien, die CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein ist. Sie hatte Mitte der Woche die vorgesehenen Regelungen heftig kritisiert und vom Bund den Verzicht darauf verlangt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte angekündigt, dem Gesetz im Bundesrat in der Form nicht zuzustimmen, andere Regierungschefs hatten sich zuletzt ähnlich geäußert.

 

"In der Endphase der Pandemie erstmals ein gesetzliches Betretungsverbot und eine Frei-Testpflicht nur für Kitas und Schulen selbst im Verdachtsfall einzuführen, entbehrt jeder Logik und Verhältnismäßigkeit", wiederholte Prien am Freitagmorgen ihre Kritik. "Es wäre erneut eine Regelung zu Lasten von Kinder und Jugendlichen und eine unvertretbare Belastung für die Familien mit Kindern gewesen."

 

Kinder- und Jugendärzte: Vergleichbarer Regelung in
der Welt der Erwachsenen kaum vorstellbar

 

Am Donnerstagabend hatten in einer gemeinsamen Erklärung auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) vor einer "klaren Benachteiligung" von Kindern gewarnt, die durch die vom Bund beschlossene Novelle festgeschrieben werde. 

 

"Mit Beginn der klassischen Husten- und Schnupfenzeit könnte nach der anstehenden Gesetzesregelung jegliches Erkältungsanzeichen als Verdachtsfall einer möglichen COVID-19-Infektion bewertet werden", warnten die Verbände. "Dieser mehr als vage Verdachtsfall würde ausreichen, dass das betroffene Kind sich unter Aufsicht einem Schnelltest mit Nachweispflicht unterziehen müsste."

 

Dabei lasse die Beschlussvorlage offen, welche Konsequenzen dieses Procedere in Kita oder Schule hätte. "Wird von Eltern erwartet, auch bei einem im Laufe des Tages auftretenden Schnupfen ihre Arbeit zu unterbrechen, um das Kind zu testen? Wie häufig soll ein solcher Test notwendig werden? Denn theoretisch könnte gemäß der gesetzlichen Regelung bei einem anhaltenden Schnupfen jeden Tag ein neuer Test verlangt werden." Vor allem aber bleibe offen, was einen Verdachtsfall ausmache und welche Qualifikation für diese Verdachtsdiagnose benötigt werde. "Die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte befürchten hier einen ungeordneten, im schlimmsten Fall willkürlichen Zugang, der die Rechte der Kinder komplett übergeht." Eine vergleichbare Regelung sei in der Welt der Erwachsenen kaum vorstellbar.

 

Das Einlenken des Bundes kam am Abend vor der geplanten Abstimmung im Bundesrat. 

 

Offen blieb zunächst, ob es auch bei einer anderen von den Kinderärzten kritisierten Regelung im geplanten Gesetz noch einmal Veränderungen gibt.  Kinder würden künftig übergangen, wenn es um die Festlegung der Impfnachweise gehe, warnten DGKJ, DGPI und BVKJ am Donnerstag. Obwohl es für Kinder unter fünf Jahren keine Corona-Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gebe, gelte für sie keine Ausnahmeregelung beim Impfnachweis. "Die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte fordern, dass Masken- oder Testpflichten im Freizeitbereich nicht vom Impf- oder Genesenenstatus von Kindern und Jugendlichen abhängig gemacht werden sollten."


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Kommentare: 8
  • #1

    Stefan (Freitag, 16 September 2022 10:25)

    Warum ist der (ohnehin nur geringfügig verbesserte) Schutz vor einer potenziell tödlichen Krankheit mit unklaren Langzeitfolgen eine "massive Benachteiligung"?

  • #2

    Ragna (Freitag, 16 September 2022 11:43)

    Framing

    Es ist also ok, wenn vor einer Krankheit, die noch gefährlicher ist als die Masern NICHT geschützt wird?

    Es ist also keine Benachteiligung,
    wenn infizierte Kinder andere anstecken, die dann nicht in die Kita können, ihre Verwandten anstecken, die dann nicht zur Arbeit können, krank werden und Schlimmeres?

    DAS ist kein InfektionsSCHUTZ.

    Es ist ein krank machen der Bevölkerung - sehenden Auges.

    Danke für nichts.

  • #3

    Working mom (Freitag, 16 September 2022 12:01)

    Ich bin sehr erleichtert, dass zumindest dieser Punkt aus dem Gesetz raus ist. Nun erscheinen Herbst und Winter nicht mehr ganz so gruselig, wie es bisher zu erwarten war.

  • #4

    working dad (Freitag, 16 September 2022 15:07)

    Es ist auch für die Kinder wichtig, das sie nicht mehr oder weniger willkürlich von Bringeangeboten ausgeschlossen werden ka
    können.

  • #5

    XY (Freitag, 16 September 2022 18:05)

    Zum Beitrag von Stefan (#1) und Ragnar (#2): das ist der typische Fall, mit dem einseitig zu Lasten von Kindern und Jugendlichen argumentiert wird.

    Denn wenn, wie die beiden Beitragsschreiber ausführen, COVID-19 trotz Impfung noch so gefährlich wäre, dass bei Infektionsverdacht ein Betreuungsverbot für Schulen und Kindergärten besteht, dann müsste etwas ähnliches auch für Erwachsene gelten. Für die war ähnliches aber nicht vorgesehen.

    Warum Kinder, die milder erkranken und ein geringeres Risiko haben, strengere Maßnahmen folgen müssen als Erwachsene, erschließt sich nicht.

  • #6

    Hubert Poell (Freitag, 16 September 2022 19:19)

    Ich finde es sehr gruselig das ein Verband, in dessen Vereinsnamen der Kinderschutz steht, die bewusste Infektion von Kindern in Kauf nehmen will! Es geht hier um das Recht auf körperliche Unversehrtheit, nicht um das Recht auf Präsenzarbeit der Eltern!

  • #7

    Anna (Samstag, 17 September 2022 15:31)

    Österreich löst es so:
    Symptome => zu Hause bleiben (egal welcher Infekt)
    Positiver Corona-Test, aber symptomfrei => Schulbesuchspflicht mit FFP2-Maske
    Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000138824380/mit-dem-virus-in-die-schule-wie-die-corona-regeln

  • #8

    Linda (Samstag, 17 September 2022 18:02)

    Ich bin erschrocken, mit welcher Eindringlichkeit und Überzeugung einige KommentatorInnen hier den Eindruck erwecken, daß KINDER (und deren Eltern) sich bei jedem hüsteln und laufender Nase (mein Kind hat schon Allergie - bedingt mehrfach im Jahr eine laufenden Nase) fühlen sollen, als wären sie potenzielle Killer, die leichtfertig das Leben anderer riskieren!
    Ich bin froh, daß diese Verordnung nicht durch ging.