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Heizung runter, Warmwasser abstellen: So bereiten sich die Hochschulen auf den Winter vor

Wie weiter mit den Unis angesichts enormer Energiekosten? Bundesweite Pläne reichen von gedrosselten Heizungen und Gebäudeschließungen bis zur Online-Lehre Anfang 2023.

DIE WEIHNACHTSFERIEN enden in Freiburg erst am 23. Januar. Vielleicht auch später. Denn die Albert-Ludwigs-Universität hat beschlossen: Um Energie zu sparen, gibt es in den ersten drei Wochen des Jahres 2023 keine Präsenzlehre, "falls notwendig auch noch darüber hinaus". Was genau das bedeutet? Offen. 

 

Die Universität Hamburg kommt bei ihren Plänen zum Wintersemester dagegen ohne Wenn und Aber aus. "Nach den Einschränkungen, die Studierende und Beschäftigte durch die Corona-Pandemie bei der Lehre, der Forschung und in der Verwaltung in den vergangenen zweieinhalb Jahren hinnehmen mussten", lautet die klare Botschaft: "Der Betrieb wird in Präsenz stattfinden."

 

Zwei Beispiele, die zeigen, wie unterschiedlich Hochschulen in Deutschland sich auf die kalte Jahreszeit bei gleichzeitig explodierenden Energiepreisen vorbereiten. Ein Blick quer durchs Land zeigt aber auch, wie ähnlich die Planungen sind. Da wird an den Öffnungszeiten der Bibliotheken geschraubt, Energiespar-Lampen werden eingeschraubt, Energie-Beauftragte ernannt und einzelne Gebäude stillgelegt, die Heiztemperatur gesenkt und das warme Wasser in den Toiletten abgeschaltet. Den Komplettwechsel zurück zur Online-Lehre jedoch, versichern Rektoren und Präsidentinnen von Kiel bis München, will vorerst niemand.

 

Die Bundesnetzagentur zählt die Hochschulen
zu den "geschützten Kunden"

 

Kein Wunder, denn der politische Erwartungsdruck ist groß. Anfang September hat die Bundesnetzagentur der Kultusministerkonferenz (KMK) mitgeteilt, dass sie die Hochschulen zu den "geschützten Kunden" zähle. Das bedeutet, dass ihnen auch im Falle einer Gas-Notlage nicht die Heizung abgestellt werden darf. Daraufhin haben die Wissenschaftsminister ihren Hochschulen unmissverständlich klargemacht, dass sie offen zu bleiben haben.

 

Man halte "nach den Erfahrungen der Semester unter Pandemie-Bedingungen die Sicherung des Präsenzstudiums auch bei einer möglichen Verschärfung der Energiekrise für unabdingbar", sagte KMK-Präsidentin Karin Prien, im Hauptberuf CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein.

 

Die Sicherheit, dass Gas fließt, verbunden mit der Erwartung der Wissenschaftsminister, bedeutet freilich nicht, dass die Hochschulen schon einen Plan haben, wie sie eine Verdopplung, eine Verdrei- oder Verfünffachung der Kosten aus ihrem Haushalt stemmen sollen. Das zeigt etwa die Ratlosigkeit von Berlins TU-Präsidentin Geraldine Rauch, die für 2023 mit Mehrkosten von bis zu 114 Millionen Euro rechnet.

 

Eine ebenso deutliche Garantie einer Kostenübernahme haben die meisten Wissenschaftsminister ihren Hochschulen mit der plakativen Forderung, in Präsenz zu bleiben, jedenfalls nicht mitgeliefert. Es würden "sicherlich noch harte Verhandlungen mit den Finanzministerinnen und Finanzministern, doch wir können die Schüler und Studierenden einfach nicht im Regen stehen lassen", sagte Prien Anfang September. Zuletzt hatte immerhin Berlins grüne Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote im Tagesspiegel gesagt, das Land Berlin werde "im Falle finanzieller Engpässe für seine Hochschulen selbstverständlich einstehen und sie finanziell als Zuwendungsempfangende unterstützen". Was genau das bedeutet? Unklar.

 

 "Wenn die Hochschulen mit den Kosten alleingelassen würden, wäre das nicht zu stemmen"

 

Und offenbar nichts, worauf sich alle Berliner Hochschulen bereits verlassen. Auf die Frage, welche Hilfen der Senat für die Hochschulhaushalte vorgesehen habe, damit sie die Energie-Mehrkosten bezahlen könnten, lautet die Antwort der Humboldt-Universität: "Keine". Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) verweist auf laufende Diskussionen. "Die Hochschulen gehen als staatliche Institutionen davon aus, dass es auch für sie Unterstützung geben wird", sagt HTW-Präsident Carsten Busch. Ähnlich äußert sich der Präsident der Freien Universität (FU), Günter M. Ziegler: Er setze auf politische Beschlüsse im Bund und im Land Berlin zur Übernahme der erwartenden drastischen Mehrkosten bei den Energiepreisen. "Wenn die Hochschulen hier mit den Kosten alleingelassen würden, wäre das nicht zu stemmen."

 

Fest steht, dass die Berliner Hochschulen unabhängig vom Gaspreis laut Landesvorgabe zehn Prozent ihrer Energie einsparen sollen. Was im Vergleich zu den anderen Bundesländern (teilweise 15 oder sogar 20 Prozent) noch maßvoll ist. Wobei, worauf die FU hinweist, die Referenzwerte nicht klar seien. "Es können kaum die Werte des letzten Winters sein, weil der kommende ja viel kälter oder auch viel wärmer sein könnte als der letzte", sagt FU-Sprecher Carsten Wette. Trotzdem wolle man sogar auf 15 Prozent kommen. "Sehr viel mehr wird bei vollumfänglicher Aufrechterhaltung der Funktionen der Universität – inklusive Präsenz in der Lehre, aber auch in der Verwaltung – über diesen Winter nicht zu stemmen sein."

 

Was an der FU unter diesen Voraussetzungen geplant ist: Die Raumtemperatur in Büros, Bibliotheken und Lehrveranstaltungen soll runter auf 19 Grad, Heizung aus in Fluren, Treppenhäusern und Foyers. Auch an anderen Hochschulen ist Frieren angesagt. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) nennt – wie zuvor die TU – als Maßnahmen außerdem die Schließung einiger Häuser am Wochenende oder früher am Abend.

 

Krisenszenarien 

und Stufenpläne

 

Lehrveranstaltungen sollen dann auf offene Gebäude konzentriert werden, "so dass es zu keiner Einschränkung der Präsenzlehre kommt". Ein HWR-Standort in Schöneberg werde in der Woche vor Weihnachten und nach Neujahr nur Online-Lehre anbieten. An der TU wurde in den vergangenen Wochen darüber gestritten, ob die Hochschule zwischen 19. Dezember und 2. Januar in den de facto Energie-Lockdown gehen soll.

 

Der Spareifer an den Berliner Hochschulen hängt auch damit zusammen, wie sie die Zehn-Prozent-Vorgabe des Senats verstanden haben: als Voraussetzung, dass das Land die übrigen Mehrkosten übernimmt. Die Senatsverwaltung und die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, Überschrift "Priorität für Präsenz". Hochschulübergreifende Eckpunkte für den Umgang mit Corona im Wintersemester gibt es bereits, eigene Eckpunkte für die Energiekrise sollen folgen. Nach dem Vorbild der Corona-Task Force wurde eine eigene Energie-Task Force eingerichtet.

 

Was genau deren Ziel ist? Da drückt sich die Wissenschaftsverwaltung noch wolkig aus. "Die Hochschulen in Berlin erarbeiten eigene Stufenpläne, da jede Hochschule am besten einschätzen kann und sollte, welches die für ihre Gegebenheiten geeignetsten Maßnahmen sind." Die Rede ist außerdem von einem weiteren Eckpunktepapier und einem gemeinsamen "Zeitplan", der voraussichtlich am Donnerstag erörtert werden soll. Kommt womöglich doch ein berlinweiter Stufenplan für die Hochschulen – und damit auch weitergehende Schließungsszenarien, falls sich die Energiekrise zuspitzt?

 

Eine Antwort lassen erste Aussagen über hochschulinterne Stufenpläne an der Humboldt-Uni und an der HTW erkennen. Aus der HU heißt es, dass eine Verlegung von Lehrveranstaltungen ins Digitale, die Schließung von Gebäuden oder längere Ferien nur in Frage kämen, wenn es zu Einschränkungen der Versorgungslage oder einer Notversorgung komme. Also eigentlich gar nicht, wenn die Bundesnetzagentur Wort hält. HTW-Präsident Busch erklärt auf Nachfrage: Natürlich gebe es – "wie an allen Hochschulen und überall" – auch "Worstcase-Szenarien". Doch gehe man derzeit noch davon aus, die Energiesparvorgaben an der HTW durch gemeinsames vernünftiges Handeln und ohne "Worstcase" gut zu erreichen.

 

Länger öffnen statt
früher schließen? 

 

Die Universität Hamburg, deren Präsident Hauke Heekeren früher Vizepräsident an der FU war, hat ihren Stufenplan bereits transparent ins Netz gestellt. Die "szenariobasierte Planung für den Gebäudebetrieb" legt fest, welche Einschränkungen es für Lehre, Forschung und Verwaltung abhängig von der Versorgungslage geben wird. Selbst im Notfall, bei "drastischer Reduktion" der Energie, soll es demzufolge mit Präsenzveranstaltungen weitergehen. Für die Beschäftigten in der Verwaltung könnte dann aber grundsätzlich Homeoffice gelten.

 

Vergeblich sucht man bislang in Hamburg, Berlin und anderswo eine Hochschule, die es macht, wie es der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks vorschlägt. "Die Hochschulen müssten in der Krise nicht kürzer, sondern länger öffnen", sagt Matthias Anbuhl.

 

Was nütze es, wenn Studierende wegen der Energiesparmaßnahmen ihrer Hochschulen mehr Zeit zu Hause verbrächten – und dort heizen müssten? "Damit würde das Problem lediglich auf sie verlagert, und volkswirtschaftlich gesehen könnte der Schaden so um ein Vielfaches höher sein."

 

 

Hinweis: Ich habe im ersten Absatz eine Angabe korrigiert. An der Universität Freiburg gibt es in den ersten Januarwochen keine Präsenzlehre, aber auch keine Online-Lehre. Ich bitte um Entschuldigung.

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst im Tagesspiegel.


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Kommentare: 2
  • #1

    Leander K (Dienstag, 27 September 2022 15:37)

    Also, ich bin Student und habe Probleme den winter zu finanzieren. Wir haben unsere Heizung ausgestellt und der plan ist die auch nicht wirklich anzustellen, unsere kosten für Gas wurden auch schon ein weiteres mal erhöht. Ich rechne damit mit Jacke und Mütze in der Wohnung rumlaufen zu müssen wenn es wirklich kalt wird. Es ist aber auch schon jetzt sehr kalt, ein schlecht isolierte alte Dachwohnung, wirklich warm kriegt man die eh kaum. Eine pragmatische Lösung meiner Meinung nach wäre die Bibliotheken weiter normal zu öffnen und zu beheizen. Dann hätte man zumindest einen warmen Ort zum arbeiten. Vorlesungssaal finde ich ok wenn der recht kalt bleibt.

  • #2

    Forschungsreferent (Mittwoch, 28 September 2022 16:19)

    Lieber eine offene und kalte Hochschule als eine geschlossene Hochschule.

    Lieber eine offene und kalte Hochschule als Studierende in die Online-Online und Beschäftige ins Home Office zu schicken.

    Lieber eine offene und kalte Hochschule als die Energiekosten der Studierenden und Beschäftigten im Daheim-Studium und Home Office zu "privatisieren".

    BTW: Online-Lehre schluckt auch Energie, die erzeugt und bezahlt werden muss.