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Alles, was hilft

Die Ruhr-Universität Bochum verhängte einen Stellenstopp, um noch ihre Energie-Rechnung bezahlen zu können – und verkündete ihn auf Nachfragen selbst per Pressemitteilung. Eine beispielhafte Flucht nach vorn in einer für viele Hochschulen beispiellosen Lage.

Audimax der RUB bei Frühlingswetter, wenn ans Heizen in den 60er-Jahre-Gebäuden keiner denkt. Foto: LeO Tiresias, CC BY-SA 4.0.  

IST DAS NOCH gut gepokert oder schon echte Not? Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat wegen der explodierten Energiekosten einen Einstellungsstopp beschlossen. Und, nachdem die Nachricht an die Medien durchgesickert war, nichts kleingeredet, sondern per Pressemitteilung mutig die Flucht nach vorn ergriffen.

 

Voraussichtlich an die 250 Stellen, die bis Ende Mai durch Rente oder Jobwechsel frei werden, sollen mindestens sechs Monate frei bleiben. Aber nur im nichtwissenschaftlichen Bereich und nur vorübergehend. Denn, wie die Uni betont, es handelt sich nicht um Stellenstreichungen, sondern um einen temporären Aufschub, um einmalig sieben Millionen Euro einzusparen. 

 

Gut gepokert: Mit ihrer Notmaßnahme und noch mehr mit ihrer offensiven Kommunikation der plakativen Stellenzahl setzt die RUB die neue Düsseldorfer Landesregierung gehörig unter Zugzwang. Und das zu Recht: Abgesehen von Energie-Sparappellen und einem im Gegenzug dazu sehr vagen "Wir lassen die Hochschulen nicht im Regen stehen" warteten die Hochschulen im größten Bundesland vergangene Woche immer noch auf konkrete Hilfspakete aus der Landeshauptstadt. Und das, was bislang in Planung sein soll, 50 Millionen zusätzlich für 2022, wird bei 37 staatlichen Hochschulen und 750.000 Studierenden kaum mehr als ein Kopfschütteln auslösen. 

 

Großes Delta und echte Not

 

Immerhin hat die Bundesregierung zugesagt, dass auch Hochschulen von der Gas- und Strompreisbremse profitieren, und das zu genauso günstigen Konditionen wie alle Großverbraucher, Unternehmen vor allem. Das Problem ist indes, dass viele Hochschulen bislang Verträge mit teilweise sehr niedrigen Tarifen abgeschlossen hatten. So dass selbst der günstigste Preisdeckel laut Hochschulrektorenkonferenz für sie immer noch auf Kostensteigerungen zwischen mindestens 40 (Strom) und bis zu 200 Prozent (Gas, Fernwärme) hinausläuft. Im Ergebnis bleibt so ein dramatisch großes Delta an Mehrkosten. Echte Not. 

 

Im Falle der RUB besagte sieben Millionen allein für 2022, die sie auch nicht mit einem Antrag auf Mittel aus dem zusätzlichen Energie-Härtefallfonds der Bundesregierung ausgleichen kann. Denn dieser ist zwar für Forschungseinrichtungen geöffnet, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, Hochschulen sind von dem 500-Millionen-Topf aber fast vollständig ausgeschlossen.

 

Woraus folgt: Ihr Delta können Hochschulen, wenn ihre jeweiligen Landesregierungen nichts drauflegen, nur auf eine Weise schließen: durch Haushaltsstopps und Stellenstreichungen, die – wie in Bochum – bestenfalls vorübergehend sind. Andere Hochschulen in NRW gehen übrigens längst denselben Weg wie die RUB, sie machen ihren Haushaltsstopp nur verschämter, ohne begleitend eine Pressemitteilung zu verschicken. Doch auch sie könnten vom Mut der Bochumer profitieren, denn nach der RUB-Nachricht sollen in Ministerium und Landtag hektische Aktivitäten ausgebrochen sein. 

 

Etliche Bundesländer sind schon weiter als NRW

 

Derweil sind etliche Bundesländer schon weiter als NRW. Brandenburg etwa will 90 Prozent der Energie-Mehrkosten der Hochschulen übernehmen. Rheinland-Pfalz (weniger als ein Viertel der Einwohner NRWs) plant 2023 und 2024 jeweils 32 Millionen Euro zusätzlich ein. Baden-Württemberg wiederum legt im Doppelhaushalt 2023/24 eine ganze Milliarde Euro oben drauf, allerdings für alle Liegenschaften des Landes und alle inflationsbedingten Mehrausgaben. 

 

Und doch: Auch anderswo machen Sorgen vor drohenden Einsparungen die Runde. Die GEW machte am Donnerstag Berichte öffentlich, demzufolge die Hochschulleitung der Goethe-Universität Frankfurt am Main für 2023 eine Haushaltssperre von mindestens sechs Prozent auf alle Budgets erwäge, was auf das Nicht-Nachbesetzen von über 100 Stellen hinauslaufen könnte. Die Hochschulleitung bestätigte die Haushaltssperre, betonte aber, es habe von ihr keinerlei Aussagen zu einem möglichen Stellenabbau gegeben. Und ergänzte Richtung GEW: Wie groß die Handlungsspielräume seien, hänge auch von den bevorstehenden Tarifabschlüssen ab.

 

Dieser Kommentar erschien heute in leicht gekürzter Fassung zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.


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