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Fraunhofer zieht die Handbremse

Wann gibt das BMBF den Prüfbericht zu seinen Ermittlungen bei Fraunhofer frei? Das Ministerium verweist auf einen Widerspruch gegen die Herausgabe, wollte zunächst aber nicht sagen, wer ihn eingelegt hat.

SEIT MONATEN ist er fertig. Und noch länger haben sich verschiedene Journalisten und Medien um offiziellen Zugang bemüht zum Prüfbericht, den Beamte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach ihren Ermittlungen in der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft erstellt haben. Ermittlungen, die der frühere parlamentarische BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger (FDP) kurz nach seinem Amtsantritt Anfang 2022 angestoßen hatte. Und deren Ergebnisse es nicht nur in sich haben, sondern nach Sattelbergers Dafürhalten jetzt sofort an die Öffentlichkeit gehören. "Irgendwann ist der Fraunhofer-Skandal auch Ihr #Skandal, liebe Frau Ministerin!", postete er im Januar auf LinkedIn . "Bitte veröffentlichen Sie den Prüfbericht!"

 

Doch befindet sich Stark-Watzinger in einer Zwickmühle. Sobald der Bericht öffentlich ist, müsste das BMBF auch zu einzelnen Punkten (und die haben es in sich!) Stellung nehmen – und das obwohl die Aufarbeitung des Skandals um die mutmaßlich rechtswidrige Verwendung von Reise- und Repräsentationskosten durch den Fraunhofer-Vorstand längst nicht abgeschlossen ist. Auch nicht in Bezug auf das BMBF und seine eigene Rolle darin. Zumal die im BMBF-Bericht thematisierten Sachverhalte nach den Berichten vieler Whistleblower bei Fraunhofer nur die Spitze des Eisbergs sein sollen.

 

Tatsächlich ist die Lage zuletzt durch einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der ebenfalls ermittelt hatte, sogar noch komplexer geworden – wird dem BMBF darin jetzt sogar vorgeworfen, selbst die Arbeit der Rechnungsprüfer behindert zu haben. Was das Ministerium zurückweist. Auch ist in dem Bericht unter anderem von fragwürdigen Bewirtungen eines hochrangigen BMBF-Beamten durch ein Fraunhofer-Vorstandsmitglied die Rede. Drohen am Ende sogar strafrechtliche Konsequenzen? Gegen den Fraunhofer-Vorstand zumindest prüft die Staatsanwaltschaft München laut Business Insider bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahren. 

 

BMBF hatte Freigabe des Berichts
Ende Dezember zugesagt

 

Immerhin hatte das BMBF nach monatelanger Prüfung Ende Dezember signalisiert, unter anderem meinen Antrag auf Herausgabe des Berichts auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) stattgeben zu wollen. Mit juristisch begründeten Auslassungen an verschiedenen Stellen, aber auch mit der Weitergabe verschiedener personenbezogener Daten, da deren Schwärzung "den Informationsgehalt deutlich schmälern" würde und dazu geeignet wäre, "das öffentliche Vertrauen in staatlich geförderte Forschungseinrichtungen zu gefährden". 

 

Dadurch würde vor allem auch Licht auf die Rolle des Noch-Fraunhofer-Präsidenten Reimund Neugebauer geworfen, der seit Jahren besonders in der Kritik steht. Nicht nur wegen seines mutmaßlichen Umgangs mit Spesen, sondern auch wegen seines angeblich autoritären Führungsstils, was dieser und Fraunhofer stets zurückwiesen. Neugebauer hat bereits im Herbst seinen vorzeitigen Rücktritt zu Ende September 2023 angekündigt. Nur einen Tag zuvor hatte ich im Tagesspiegel über Neugebauers Auftritt im Imagefilm eines Unternehmens berichtet, dessen Anteilseigner er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war. Was in dem Film keine Erwähnung fand, wohl aber Neugebauers Position als Fraunhofer-Präsident. 

 

Vor der Herausgabe des Berichts allerdings, teilte das Ministerium Ende Dezember mit, müsse diese Entscheidung noch den "beteiligten Dritten" mitgeteilt werden – inklusive einer vierwöchigen Widerspruchsfrist. Die dann fast komplett verstrich – bevor Ende Januar der Widerspruch kam. Fast, als lege es da jemand auf ein Zeitspiel an. Aber wer?

 

Das wollte das Ministerium auf Nachfrage – obwohl man es sich denken konnte – zunächst nicht sagen, denn eine namentliche Nennung des "Widerspruchsführers" sei "dazu geeignet (...), den Zweck des Drittbeteiligungsverfahrens zu vereiteln", lautete die Begründung ohne weitere Erläuterungen. Und das BMBF schrieb weiter: Der Bericht könne jetzt erst "nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens" herausgegeben werden, sodass ein Informationszugang zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich ist". Man bitte insofern noch um "ein wenig Geduld".

 

Unklare Aufklärungsstrategie
des Ministeriums

 

Es vergingen weitere zehn Tage inklusive einem mehrfachen Nachfragen nach der rechtlichen Grundlage der Nicht-Nennung, bevor das BMBF doch umschwenkte. "Nach Abwägung der gegenseitigen Interessen" überwiege das "presserechtliche Informationsinteresse". Und weiter: "Wir teilen Ihnen daher mit, dass der Widerspruch von der Fraunhofer-Gesellschaft eingelegt wurde."

 

Sieht so das Bemühen der Forschungsgesellschaft um einen Neuanfang und Transparenz aus? Jedenfalls ein weiterer Hinweis, dass Fraunhofer möglicherweise zwischen ihren eigenen Interessen als Institution und den Interessen einiger seiner Vorstandsmitglieder immer noch nicht ausreichend zu differenzieren weiß. Gegenüber dem Bundesrechnungshof hatte Fraunhofer bereits erreicht, dass die Namen der betroffenen Vorstandsmitglieder pseudonymisiert wurden, so dass die Person, deren Ausgabenverhalten mit Abstand am häufigsten durch die Prüfer beanstandet wurde, im Bericht lediglich mit "Vorstandsmitglied X" benannt wird. Ob es sich bei Vorstandsmitglied X um Präsident Neugebauer handelt, hatte die Fraunhofer-Zentrale auf Anfrage nicht sagen wollen. 

 

Auch die Aufklärungsstrategie des BMBF bleibt unklar. Abgesehen von dem Handling der IFG-Anträge, das keine Anzeichen interner Priorisierung erkennen lässt: Einerseits wird unter anderem in Gesprächen mit Abgeordneten sehr deutlich gesagt, dass man sich der Dimensionen der Fraunhofer-Affäre bewusst sei, andererseits lehnt etwa Ministerin Stark-Watzinger eine öffentliche Stellungnahme auch zum Rechnungshofbericht ab – mit der Begründung, dass dieser noch nicht öffentlich sei. Wobei es eine sehr selektive Ablehnung ist – denn etwa gegen den im Bericht enthaltenen Vorwurf des Rechnungshofs, das Ministerium habe seine Arbeit behindert, hatte das BMBF sich sehr wohl bereits der Presse gegenüber geäußert.

 

Somit rückt das Augenmerk immer stärker auf die Abgeordneten des Haushaltsausschusses, bei dem der Rechnungshofbericht jetzt liegt. In der Vergangenheit war Fraunhofer-Präsident Neugebauer stets für seinen geschickten Umgang mit Parlamentariern bekannt.


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Kommentare: 7
  • #1

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 16 Februar 2023 20:40)

    Liebe Leserinnen und Leser,

    leider nehmen manche Kommentare in diesem Blog derzeit einen gegenüber Dritten persönlich verunglimpfenden Ton an, den ich nicht akzeptieren kann. Insofern werde ich kritische Kommentare jederzeit freischalten. Persönlich herabwürdigende Kommentare, die noch dazu anonym verfasst werden, dagegen nicht.

    Ich freue mich normalerweise sehr über den guten Diskurs hier in der Kommentarspalte – auch und gerade bei Meinungsverschiedenheiten. Bitte sorgen Sie alle gemeinsam dafür, dass es dabei bleibt.

    Beste Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #2

    Anonym (Sonntag, 19 Februar 2023 21:07)

    Er sollte sich den Titel seines jüngsten Interviews zu Herzen nehmen: „Wir brauchen Zukunfts- statt Krisenmanagement“

  • #3

    Timo Müde (Dienstag, 21 Februar 2023 13:45)

    Das Thema wird wahrscheinlich wieder einfach ausgesessen. So, wie seit den ersten kritischen Berichten zur Person Neugebauer. Niemand möchte gerne Fehler und Versäumnisse zugeben. Und offenbar wird auch nur noch in einem sehr limitierten journalistischem Rahmen darüber berichtet. Verschwendung von Steuergelder ist "noch" kein Straftatbestand. Insofern werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München sehr wahrscheinlich im Sand verlaufen. Karneval ist derzeit wichtiger. Schade und irgendwie doch traurig zugleich, denn offensichtlich sind es keine Einzelfälle bei der Fraunhofer Gesellschaft, sondern mittlerweile auf Vorstandsebene zumindest zur Normalität geworden.

  • #4

    Stefan (Dienstag, 21 Februar 2023 16:16)

    Ich habe selbst die "Führung" von Herrn Neugebauer miterlebt und es war furchtbar. Linientreue Mitarbeiter mit null Ahnung machten Karriere und die wirklich kompetenten wurden unterdrückt oder sind gegangen. Das ging bis daher, dass Leuten Professorenstellen angeboten wurden, die dafür wirklich komplett ungeeignet und nicht ansatzweise kompetent waren. Man sollte auch mal die Fluktuation der Mitarbeiter während der Ära Neugebauer betrachten.

  • #5

    Christian LUDWIG (Mittwoch, 22 Februar 2023 12:18)

    Ich möchte hier nicht ein eventuelles Fehlverhalten von Herrn Neugebauer und/oder anderen entschuldigen, aber darauf hinweisen, dass das Bundesreisekostengesetz meiner Meinung nach einer dringenden Anpassung an die Realität bedarf. Oder übernachtet der Bundesfinanzminister tatsächlich in Hotels, die nicht mehr als 70 € die Nacht kosten? zumindest nachweislich private Zuzahlungen sollten problemlos möglich sein. Momentan besteht legal diese Möglichkeit nicht.

  • #6

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 23 Februar 2023 09:16)

    @Armin P.: Ich bitte um eine kurze Kontaktaufnahme per Mail, bevor ich Ihren Kommentar veröffentlichen kann. Herzlichen Dank! Gern an post@jmwiarda.de

    Beste Grüße
    Ihr J-M Wiarda

  • #7

    Hanis (Mittwoch, 08 März 2023 17:27)

    Das monetäre Hauptproblem bei der FHG in München sind nicht die unsauber ausgegebenen Spesengelder des Vorstands, sondern der riesige Wasserkopf der Zentralverwaltung, die dreimal so groß wie die Zentralverwaltung der im Grunde ähnlich großen Max-Planck-Gesellschaft ist.