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"Dieser Bildungsgipfel verdient seinen Namen nicht."

Dirk Zorn und Anette Stein, Direktoren des Programms "Bildung und Next Generation" der Bertelsmann Stiftung, Fotos:  Bertelsmann Stiftung / Kai Uwe Oesterhelweg. 

1. Was ist für Sie das größte Problem in unserem Bildungssystem?

 

Tatsächlich gibt es nicht das eine Kernproblem. In der Bildung droht Deutschland auf mehreren Ebenen den Anschluss zu verlieren. Es muss endlich gelingen, unser Bildungssystem dauerhaft sowohl chancengerechter als auch leistungsstärker zu gestalten. Wir können es uns nicht länger leisten, einem Fünftel der jungen Menschen echte Teilhabechancen zu verwehren; zumal die Zahl der Abgehängten steigt. Wir müssen diese beiden Ziele schaffen, während uns gleichzeitig hunderttausende Erzieher:innen und Lehrkräfte fehlen. Dafür brauchen wir eine nationale Kraftanstrengung, die neue, kreative Lösungen freisetzt und ermöglicht. "Mehr vom Alten" reicht nicht mehr.

 

2. Hat der Bildungsföderalismus in Deutschland langfristig eine Zukunft?

 

Der Föderalismus an sich ist nicht das Problem, wie das Beispiel Kanada zeigt. Der deutsche Bildungsföderalismus hat eine Zukunft, wenn wir uns auf drei Schwerpunkte konzentrieren: Um jedes Kind individuell zu fördern, muss Bildung erstens datenbasierter werden. So können Lernentwicklungen besser verfolgt, Ressourcen bedarfsgerechter verteilt und politische Ansätze genauer evaluiert werden. Zweitens brauchen wir verbindliche Ziele für den Bildungserfolg aller jungen Menschen. Und drittens müssen wir daran arbeiten, das Vertrauen zwischen all denen zu stärken, die für diese Ziele gemeinsam Verantwortung tragen.

 

3. Welche konkreten Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an den Bildungsgipfel?

 

Dieser Bildungsgipfel verdient seinen Namen nicht. Unsere Erwartung richtet sich deshalb darauf, was es stattdessen bräuchte: einen echten Nationalen Bildungsgipfel, zu dem der Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder einladen. Dann hätte Bildung endlich politische Priorität. Dieser Nationale Bildungsgipfel müsste der Auftakt zu einem Dialog- und Reformprozess sein, der alle zusammenbringt, die für gute Bildung notwendig sind, inklusive der Schüler:innen selbst. Föderale Ebenen und Ressorts dürfen dabei keine Rolle spielen. Vielmehr müssen die Interessen der jungen Menschen im Mittelpunkt stehen: sowohl im Hinblick auf ihre individuellen Rechte und Chancen als auch im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft insgesamt.