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Auf dem Mittelweg

Das BMBF hat am Freitag seine Eckpunkte zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorgelegt. Ein parteipolitischer Kompromiss. Entsprechend fallen die Reaktionen aus der Wissenschaft aus.

Foto: Pxhere, CCO.

FAST ENTSCHULDIGEND klang eine der Vorbemerkungen, die das BMBF dem Vorschlag für die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) voranstellte, den es am Freitagnachmittag öffentlich machte. "Der Stakeholderprozess hat die zwischen und innerhalb der Interessensgruppen zum Teil sehr unterschiedlichen Vorstellungen und Akzentsetzungen verdeutlicht." Auch wenn dann der Nachsatz folgte, dass der Prozess "zugleich aber an einigen Stellen auch Übereinstimmungen" sichtbar gemacht" habe. Die Botschaft sollte wohl lauten: Und aus dieser Vielzahl an Positionen mussten wir dann ein Konzept basteln. "Die grundlegende Systematik des WissZeitVG" bleibe erhalten, betont das BMBF explizit.

 

Der Stakeholderprozess, das war das Bemühen des Ministeriums, über verschiedene Formate und Veranstaltungen hinweg möglichst viele – wie das BMBF selbst es formuliert: "die wichtigsten" – Akteure der Wissenschaftslandschaft mit ihren Erwartungen anzuhören, bevor es selbst etwas zu Papier brachte. Das Ministerium zählt in dem Papier auf: "Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Beschäftigteninitiativen, Gewerkschaften, Fördermittelgeber, Länder usw".

 

Interessanterweise ließ das Ministerium damit eine Gruppe unerwähnt, die am Ende die ausschlaggebende war: die für das Thema zuständigen Abgeordneten der Ampel-Bundestagsfraktionen, die sogenannten Berichterstatter, mit denen das Ministerium bis rauf zur Spitze in den vergangenen Wochen viele Male zusammengesessen hatte. Weil Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und ihre Staatssekretäre wussten: Wenn wir mit unserem Vorschlag rauskommen, muss er sitzen. Mindestens mal parlamentarisch. 

 

Donnerstagabend hatte man zuletzt verhandelt. Ob die vereinbarten Eckpunkte als Vorschlag nun aber auch in der Szene sitzen, die spätestens seit Beginn des BMBF-Stakeholderprozesses im vergangenen Sommer den Einzelheiten der geplanten Novelle entgegengefiebert hatte? 

 

Die wichtigsten Bestandteile des
am Freitag vorgestellten Konzeptes

 

- Es soll erstmals explizite Mindestvertragslaufzeiten für die Erstverträge von Promovierenden geben, drei Jahre, als sogenannte "Soll-Vorschrift", die den Hochschulen noch einen gewissen Spielraum lässt.

 

- Es soll bei der bisherigen Höchstbefristungsgrenze von sechs Jahren bis zum Abschluss der Doktorarbeit bleiben, die familien- und inklusionspolitischen Verlängerungsregeln werden nicht ausgeweitet.

 

- Der Qualifizierungsbegriff bleibt bestehen, es soll aber eine Klarstellung zur wissenschaftlichen Qualifizierung in der Begründung der Gesetzesnovelle geben. 

 

- Die Höchstbefristungsdauer nach der Promotion wird auf drei Jahre abgesenkt, außerdem wird es – wiederum als sogenannte "Soll-Vorschridt" eine Mindestlaufzeit für den Postdoc-Erstvertrag von zwei Jahren geben, auch hier bleiben die familien- und inklusionspolitischen Verlängerungsregeln unverändert.

 

- Um der wissenschaftliche Qualifizierung den Vorrang zu geben und wissenschaftlichen Arbeitgebern das Ausweichen auf die Regeln der Drittmittelbefristung zu erschweren, soll diese künftig erst erlaubt sein, wenn die Höchstbefristungsgrenzen bei der Qualifizierungsbefristung, auch im Falle einer Drittmittelfinanzierung, ausgeschöpft worden sind.

 

- Für studentische Beschäftigte wird eine  Soll-Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr eingeführt und die Höchtbefristungsdauer auf acht Jahre hochgesetzt. 

 

- Die Tarifsperre wird gelockert in der Definition etwa bestimmter Korridore zum Abweichen für die Tarifpartner von der Postdoc-Mindestvertragslaufzeit nach unten.  

 

Festgezurrt fürs
parlamentarische Verfahren?

 

Soweit die wichtigsten, aber nicht alle Eckpunkte. Wobei es sich eben nur um Eckpunkte handelt. Da diese allerdings sehr konkret gefasst sind, sollte die Überführung in den BMBF-Referentenentwurf hauptsächlich noch eine Fleißarbeit sein. Abzuwarten bleibt hingegen, welche Veränderungen dann im parlamentarischen Verfahren hinzukommen. Allerdings ist die offensichtliche Hoffnung des BMBF, durch den Stakeholder-Prozess und die erfolgreichen Berichterstattergespräche das Paket schon sehr festgezurrt zu haben. 

 

Ministerin Stark-Watzinger sagte bei der Präsentation der Eckpunkte, sie freue sich sehr, "dass wir heute die wesentlichen Inhalte unseres Reformvorschlags vorlegen können. Unser Ziel ist, die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierephasen zu verbessern. Mit der Reform schaffe wir mehr Verlässlichkeit, Planbarkeit und Transparenz im Wissenschaftsbetrieb." Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde verbessert und die Leistung und Handlungsfähigkeit des Wissenschaftssystems gesichert. 

 

 

Wie die Wissenschaft
auf die Pläne reagierte

 

Haben sich besagte Akteure im Wissenschaftssystem nun genauso gefreut? 

 

Die von der Ampelkoalition ausgehandelten Eckpunkte zeigten "Schritte" in Richtung des im Koalitionsvertrag enthaltenen, von der GEW übernommenen Slogans "Dauerstellen für Daueraufgaben" auf, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller. Insgesamt aber blieben die Pläne hinter den eigenen Versprechen zurück. "Die Koalition muss bei der jetzt anstehenden Ausarbeitung des Gesetzentwurfs deutlich nachlegen." So werde durch die Verkürzung der Postdoc-Höchstbefristungsdauer von sechs auf drei Jahre der Druck auf die Betroffenen sogar deutlich erhöht, und die Mindestvertragsdauer von drei Jahren für Promovierende sei angesichts eine durchschnittlichen Zeit bis zur Doktorarbeit von 5,7 Jahren viel zu kurz ausgefallen. In Sachen Tarifsperre habe sich die Koalition zwar nicht auf deren ersatzlosen Streichung durchringen können, "sie soll aber Löcher bekommen."

 

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, sagte die Eckpunkte bemühten sich "erkennbar, einerseits die Funktions- und Leistungsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems zu erhalten und andererseits dem berechtigten Interesse nach besserer beruflicher Planbarkeit von Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen zu entsprechen." Einzelne der avisierten Neuerungen, "etwa die eindeutig zu kurze Befristungsmöglichkeit in der Postdoc-Phase, der undifferenzierte Vorrang der Qualifikationsbefristung im Drittmittelbereich und die Öffnung der Tarifsperre", gäben allerdings "klar Anlass zur Sorge, weil dem Hochschul- und Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig Wettbewerbsnachteile entstehen können." Am Dienstag werde der HRK-Senat die Eckpunkte diskutieren

 

Die Initiatoren der "#IchbinHanna"-Debatte, die den Reformdruck auf die Politik stark erhöht hatte, äußerten sich enttäuscht. "Der Systemwechsel bleibt aus und Wissenschaft als Beruf wird noch unattraktiver", teilten Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon mit. "Mit diesem halbgaren Kompromiss wird nur der Druck auf die Beschäftigen erhöht, aber nicht auf die Arbeitgeber." Die müssten weiterhin keine dauerhaften Perspektiven für Postdocs schaffen. "Unverbindliche Soll-Vorschriften nützen Promovierenden nichts."

 

Das Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGA Wiss) kommentierte, es sei nicht erkennbar, dass das Gesetz zu einer Verringerung der Befristungen in der Wissenschaft beitragen werde. "Eine dreijährige PostDoc-Befristung ist ein Einfallstor für fortgesetzten Gesetzesmissbrauch: Die Anforderungen an weiterhin prekäre Promovierte werden zeitlich verdichtet statt in erkennbarer Weise reduziert. Das verhindert gute Wissenschaft. Aussichten auf eine Dauerbeschäftigung in der Wissenschaft bleiben unsicher und ungerecht verteilt."

 

Die Sprecherin der Mitgliedergruppe der Universitäten in der HRK, die Düsseldorfer Unirektorin Anja Steinbeck, twitterte unterdessen, Forderungen nach einer Abschaffung des WissZeitVG anstelle einer Verkürzung der Postdoc-Höchstbefristungen seien "Quatsch". "Das hätte den Druck auf die PhD-Phase verschoben und die ohnehin langen Promotionszeiten."

 

Ampel spricht von "solider Basis" und eingelösten
Versprechen, die Opposition von Ernüchterung

 

Währenddessen lobten die an den Berichterstattergesprächen beteiligten Ampel-Wissenschaftspolitiker die mit dem BMBF gemeinsam geschmiedeten Reformpläne. Die Grünen sprachen von einer "soliden Basis" für das weitere parlamentarische Verfahren. "Mit der Einführung von Mindestvertragslaufzeiten in der Promotions- und Post-Doc-Phase haben wir einen wichtigen Anker gesetzt", sagte die grüne Obfrau im Wissenschaftsausschuss, Laura Kraft. "Als Bündnisgrüne freuen wir uns besonders darüber, dass wir die Mitbestimmungsmöglichkeiten für Tarifpartner erheblich ausweiten werden."

 

Die grüne Fraktionssprecherin für Bildung und Wissenschaft, Nina Stahr, sagte, klar sei aber auch: "Allein mit dem WissZeitVG werden wir den wissenschaftlichen Nachwuchs nicht halten können." Es brauche zügig weitere Maßnahmen.  Für mehr Dauerstellen in Forschung und Wissenschaft müssten Bund und Länder an einem Strang ziehen. "Wir wollen das Tenure-Track-Programm ausbauen und verstetigen und mit einem Best-Practice-Programm für moderne Personal- und Organisationsstrukturen den Wandel für gute Arbeitsbedingungen vorantreiben."

 

Der FDP-Fraktionssprecher für Forschung, Technologie und Innovation, Stephan Seiter, sagte, für ihn gehe es darum, "den hohen Anspruch an die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wissenschaftssystems mit attraktiveren Entwicklungsperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu verbinden". Mit dem Ergebnis der Eckpunkte sei er zufrieden. Gleichzeitig verwies auch er aufgrund der "sehr eingeschränkten Kompetenz des Bundes in Hochschulangelegenheiten" auf die Länder. Diese müssten ihrer Verantwortung über die Hochschulen und deren zukünftigen Personalausstattung nachkommen. "Ihnen obliegt eine wichtige Aufgabe bei der Umsetzung attraktiver Qualifizierungspraxen wie Tenure-Track. Dabei lassen wir auch in Zukunft alle Formen der Wissenschaftsqualifikation zu."

 

Die SPD-Forschungspolitikerin Carolin Wagner sagte: "Wir brechen die Tarifsperre auf und legen somit viele Regelungsbereiche in die Hände der Tarifparteien."Die Begrenzung der Postdoc-Phase auf drei Jahre werde zu einem Systemwechsel im Anforderungsbereich führen. "Mit dem Tenure-Track hat sich ein Weg zur Professur etabliert, den wir hierdurch stärken." Wer den langen Weg zur Professur geht, tue dies "mit der klaren Maßgabe, dass danach auch eine solche Stelle erreicht wird. Damit schaffen wir klare Karriereperspektiven in der Wissenschaft."

 

Die linke Bundestagsopposition nannte die Reformpläne der Ampel ernüchternd und unzureichend. "Zum Leidwesen tausender Beschäftigter in der Wissenschaft bleibt die radikale Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wohl aus", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nicole Gohlke. An mehreren Stellen gebe es nur Minmalkonsense. Gohlkes Abgeordnetenkollegin, die Forschungsexpertin Petra Sitte, sagte, die Bundesregierung sei jetzt aufgefordert, "mit den Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen in ernsthafte Verhandlungen darüber zu treten, was nötig ist, um tatsächlich in der Praxis zu verlässlicheren und langfristigen Beschäftigungsverhältnissen zu kommen." Ein wichtiger Schritt werde sein, die Drittmittel des Bundes für die Finanzierung unbefristeter Stellen freizugeben.

 

Doch gleich, ob am Freitagnachmittag das vermeintliche Fehlen des großen Wurfes beklagt wurde oder schon ein Zuviel an Regulierung: Die kritische Frage, die das BMBF wird beantworten müssen, ob sich hinter der Sammlung verschiedener Kompromisslösungen eine sie verbindende Linie, ein in sich stimmiges Ordnungsprinzip verbirgt. Der Direktor des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), Matthias Steinmetz, schrieb auf Twitter, das sei kein Kompromiss, "sondern das Gegenteil davon, nämlich die Summe der Regeln die keiner möchte". 

 

Einig waren sich viele Kommentatoren jedenfalls, dass man jetzt erstmal das parlamentarische Verfahren abwarten müsse. Bis dahin werden Bettina Stark-Watzinger und ihr Ministerium angesichts der Kritik von beiden Seiten vermutlich auf die Stakeholder-Vorbemerkung in ihrem Papier verweisen.


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Kommentare: 12
  • #1

    Karla K. (Samstag, 18 März 2023 09:45)

    Es ist ein Trauerspiel, und die Koalitionäre sind sich nicht zu schade, sich dafür auf die Schulter zu klopfen. Da braucht man sich nicht wirklich Hoffnung darauf zu machen, dass im parlamentarischen Prozess tatsächlich noch Substanzielles kommen könnte.

    Es wäre hilfreich, wenn die HRK mal erläutern würde, was sie unter "Funktions- und Leistungsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems" versteht, die sie vor allem mit befristet beschäftigten Wissenschaftler:innen gewährleisten möchte und welche "nachhaltigen Wettbewerbsnachteile für den Hochschule- und Wissenschaftsstandort" halbwegs attraktive Beschäftigungsbedingungen haben würden.

    Wenn sich die HRK-Uni-Sprecherin über die "ohnehin langen Promotionszeiten" beklagt, wird sich in ihr sicherlich eine Fürsprecherin dafür finden, dass die Arbeit an der Dissertation in ausreichendem Umfang als reguläre Dienstaufgabe verankert wird und vor allem auch realisiert werden kann. Nur hierüber legitimiert sich das Sonderbefristungsrecht WissZeitVG doch überhaupt.

    Es ist vollkommen richtig, dass auf die Verantwortung der Länder und der Hochschulleitungen verwiesen wird - das nimmt die Koalitionäre aber nicht aus der eigenen Verantwortung, mit ihrer Zuständigkeit den passenden Rahmen zu schaffen (der neben den arbeitsrechtlichen Bestimmungen beispielsweise auch umfasst, die ordnungsgemäße Verwendung der ZSL-Mittel zu gewährleisten).

    Was wird passieren? Mit der nächsten Evaluation wird im Jahr 2030 wieder dokumentiert, das die Maßnahmen nicht geeignet waren, substanziell zur Zielerreichung beizutragen? Es ist so frustrierend, ernüchternd und zum Heulen.

  • #2

    na ja (Samstag, 18 März 2023 11:01)

    Verkürzung der befristeten post doc-Zeit auf 3 Jahre? Was für ein Irrsinn. Wie soll innerhalb von 3 Jahren nach Promotion erkennbar sein, ob eine (eigenständige) Forschungsqualität vorliegt, die Festanstellung oder - im Grunde gleichwertig damit - tenure track rechtfertigen würde? In der Regel beträgt, etwa in der Mathematik, alleine der Zeitraum zwischen Einreichung eines paper und seiner Akzeptanz nach peer review und Revision ca 1 Jahr, und dann ist es schon günstig gelaufen. Vom Zeitraum bis zur Publikation gar nicht zu reden. Davor muss das paper aber erst noch geschrieben werden. Solche Vorschläge zeugen von völligem Unverständnis der Abläufe in der Forschungspraxis.

    Alle diese Anstrengungen, den wissenschaftlichen Karriereweg in eine planbare Bürotätigkeit zu verwandeln, verkennen immer wieder den besonderen Charakter von Forschertätigkeit. Wissenschaft, wenn sie substantiell betrieben werden soll, benötigt Personen, die dafür brennen und das ohne Unterlass und ohne Büroschluss. Auf alle anderen kann Wissenschaft verzichten, ohne dass wesentliches verloren geht.

  • #3

    Eine Hanna (Samstag, 18 März 2023 11:28)

    Wie wäre es, wenn das Ministerium einmal seine politische Führungsaufgabe übernehmen würde, statt zu moderieren? Die 92% prekär Beschäftigten, die den Betrieb der Unis noch gewährleisten, sollten endlich ihren Allerwertesten auf die Straße bekommen und für Normalarbeitsverträge demonstrieren oder gewerkschaftlich organisiert streiken. Wer Veränderung will, darf nicht alles mit sich machen lassen! - Wir sind die 92%!

  • #4

    Penny Worthless (Samstag, 18 März 2023 12:07)

    Ich finde es ärgerlich, dass der Bund strenge Regeln macht und die Länder dann sehen müssen, wie sie mehr Dauerstellen finanziert bekommen, um den Laden Wissenschaft am Laufen zu halten.
    Was mir nicht einleuchtet ist, ist was die Betroffenen sich vom WissZeitVG erhofft haben: Berliner bzw. GEW-Modell mit Dauerstellen nach der Promotion (aber dann leider eben so gut wie gar keine freien Stellen mehr) oder die Möglichkeit für Kettenverträge bis zur Rente? Was hätte das Bundesgesetz dort schaffen sollen? Jetzt sind die Länder und Unis am Zug, um endlich Finanzierungs- und Stellenkonzepte zu liefern.

  • #5

    Benjamin Bisping (Samstag, 18 März 2023 19:17)

    Herzstück scheint ja die Verkürzung der PostDoc-Qualifizierungs-Befristung.

    Vielleicht sollte man dann so ehrlich sein, dass so ein 2-oder-3-Jahres-PostDoc-Vertrag sicherlich nicht mehr der Qualifizierung dient, sondern nur der Überbrückung, bis sich irgendwo eine passende Juniorprofessur auftut oder man sich Drittmittel einwirbt (...oder bis man geht).

    Für Fächer, die an der Habilitation festhalten wollen, und für Hochschulen, die Anschlusszusagen für akademische Stellen unterhalb der Professur machen würden (Berlin), passt das 3-Jahres-Überbrückungsmodell nicht. Hier wäre es schön, wenn eine Öffnung tarifliche Regelungen für echte (!) Qualibefristungen erlauben würde.

  • #6

    Edith Riedel (Samstag, 18 März 2023 19:42)

    "wird sich in ihr sicherlich eine Fürsprecherin dafür finden, dass die Arbeit an der Dissertation in ausreichendem Umfang als reguläre Dienstaufgabe verankert wird und vor allem auch realisiert werden kann."

    Ja hoffentlich! Es ist ein Unding, dass Professor*innen weiterhin ganz offen der Meinung sind, dass die Arbeit an der Promotion in der Privatzeit zu erfolgen hat. Ausbeutung ist im Wissenschaftsbetrieb einfach viel zu normal.

  • #7

    HM (Sonntag, 19 März 2023 01:35)

    M.E.n. hätten die Initiatoren von #IchbinHanna" diesen Fall kommen sehen müssen und schon am Anfang des Hash-Tags dagegen angehen sollen. Sie mögen zwar die Initiatoren sein, aber sie sprechen nicht für alle #ichbinhannas. Jetzt wird sich die Situation von Wissenschaftlern erheblich in Deutschland verschlechtern. Gut, wer jetzt schon versorgt ist.

    Wie wird man jetzt genau Professor? Natürlich nur mit dem Top-Promotionsthema. Also liebe #firstgens, ihr werdet noch mehr benachteiligt werden, weil ihr Euch nicht auskennt. Ist das Promotionsthema ein Griff ins Klo oder bricht die Finanzierung der PhD Arbeit ab oder kommt zu spät, sind Eure Prof-Träume ausgeträumt.

    Menschen wie Anja Steinbeck, die es in drei Jahren nach dem PhD nicht zur Professur geschafft haben, sollten peiplicherweise lieber den Mund halten. Sie genügen nicht dem Anspruch, den sie von anderen fordern.

  • #8

    Forscher (Sonntag, 19 März 2023 12:27)

    #Schwach-Watzinger

  • #9

    NK (Sonntag, 19 März 2023 12:34)

    Lieber Herr Wiarda, kein Kommentar, sondern eine Wissensfrage: Gibt es eigentlich parallele Überlegungen im Bereich der Verbeamtungen auf Zeit, die ja nicht Tarifrecht unterliegen? Bisher war die Akademische Ratsstelle auf Zeit (3+3 Jahre) in mancher Hinsicht eine privilegierte Postdoc-Stelle, aber dennoch genauso befristet wie eine Tarifstelle, und zwar ebenfalls mit einem Rahmen von 6 Jahren. Wird es in Zukunft möglich sein, Postdocs mit einer auf Zeit verbeamteten Stelle weiterhin 6 Jahre lange zu befristen (und, wollte man es ausreizen, ggf. im Anschluss plus 4 Jahre Oberratsstelle auf Zeit, plus ggf. vorab noch 3 Jahre Postdoc auf einer Tarifstelle)? Natürlich ist das ein Weg, der nur offensteht, wenn die entsprechenden "Hüllen" vorhanden sind, aber eine in manchen Bereichen gängige Form der Postdoc-Befristung ist es nichts desto trotz. Das schreibe ich aus NRW, ich bin nicht sicher, ob das in allen Bundesländern so gehandhabt wird...

  • #10

    Jan-Martin Wiarda (Sonntag, 19 März 2023 13:03)

    Liebe/r NK,

    vielen Dank für die Frage! Parallele politische Überlegungen sind mir nicht bekannt, das Beamtenrecht ist ja auch eine ganz andere Sphäre. Aber ein interessanter Aspekt. Weiß da jemand der Mitlesenden mehr?

    Beste Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #11

    Fumarius (Sonntag, 19 März 2023 16:32)

    Verwunderung: Die Ampelkoalition stellt Eckpunkte vor, die letztlich auf eine massive Verschlechterung der PostDoc-Phase hinauslaufen, wenn sich nichts anderes am Status quo ändert. Offenbar ist das auch genau das Ziel: Handlungsdruck auf Länder und Hochschulen zu schaffen. Doch: Anstatt das bei der Vorstellung der Eckpunkte klar auszudrücken, werden sie in völlig abwegige Selbstlobprosa einer Verbesserung von Arbeitsbedingungen gepackt - die eigentliche (?) Intention scheint danach nur in einzelnen Twitter-Antworten auf. Wer kommt auf eine so hanebüchene Kommunikationsstrategie? Verwunderung aber auch über die andere Seite: die Fixierung auf das WissZeitVG war von Beginn an unverständlich - weil das das Kernanliegen verwässert hat: der Wunsch nach mehr dauerhaften Stellen bzw. zumindest einem besseren Verhältnis zwischen befristeten und unbefristeten Stellen. Stattdessen wurde viel über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Befristetung gesprochen. Und auch jetzt: Kritik an den Eckpunkten vor allem in Richtung Ampel - anstatt das in ihnen liegende (und offenbar sogar beabsichtige) Potential zu nutzen, nun tatsächlich die Länder und die Hochschulen mit dem eigentlichen Anliegen zu konfrontieren und unter Druck zu setzen: nämlich zu verhindern, dass die Reform tatsächlich dem Wissenschaftssystem massiv schadet, indemalles weitere bleibt, wie es ist.

  • #12

    David J. Green (Sonntag, 19 März 2023 22:23)

    Immer öfter stelle ich mich die Frage, ob nicht die erst Mitte der 80er Jahre eingeführte Drittmittelbefristung wieder abgeschafft gehört? Aber vielleicht würde eine WissZeitVG-Änderung "Quali vor Drittmittel" dies ohnehin durch die Hintertür bewirken, wenn die Regierung nicht äußerst vorsichtig mit dem Gesetzestext ist. Erlauben Sie mir ein Gedankenspiel.
    Wissenschaftseinrichtungen, die befristete Arbeitsverträge aufsetzen, wollen vor allem eines: Rechtssicherheit. Nun angenommen, X hat so viel von der zulässigen Quali-Zeit verbraucht, dass es jetzt eine rechtliche Grauzone ist, ob X eine weitere Quali-Befristung haben darf – zumal der neue Vertrag lang genug sein muss, um irgendein Quali-Ziel zu erreichen. Folglich wird X keinen Vertrag mehr mit Quali-Befristung bekommen, wegen Rechtssicherheit.
    Was aber, wenn die Wissenschaftseinrichtung X einen Vertrag mit Drittmittel-Befristung ausstellt? Dann könnte X eine Feststellungsklage auf Dauerbeschäftigung erheben, mit der Begründung, die Drittmittelbefristung sei deswegen unwirksam, weil der Quali-Rahmen noch nicht ausgeschöpft. Lieber als dieses Risiko eingehen wird die Wissenschaftseinrichtung X gar keinen Vertrag mehr geben, womit die Drittmittelbefristung faktisch abgeschafft wäre.