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Staat, aber anders

Sie soll Sprunginnovationen fördern und ist als Bundesagentur selbst eine Innovation. Drei Jahre nach ihrer offiziellen Gründung scheint die SPRIND Fuß gefasst zu haben.

TRANSMISSIONS-BLOCKER, die künftige Pandemien im Keim ersticken sollen. Langfristige Energiespeicher für die Stromnetze, um sogenannte Dunkelflauten zu überwinden, also Zeiten, in denen weder Solar- noch Windenergie produziert wird. Oder neuartige Computerkonzepte, die den Energieverbrauch drastisch senken und die Rechenleistung trotzdem steigern sollen: Das sind nur drei der hochgesteckten Ziele, die von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) mit ihren aktuell fünf sogenannten Innovationswettbewerben verfolgt werden. Und dann sind da die inzwischen acht Tochtergesellschaften, die SPRIND gegründet hat. In jeder verfolgt ein Team seine ganz eigene Vision eines Durchbruchs, von der Entwicklung eines Holodecks zur persönlichen Kommunikation bis hin zum Sieg über die Alzheimer-Krankheit.

 

Die 2020 gegründete Agentur mit ihrem für eine staatliche Fördereinrichtung äußerst ungewöhnlichen Konzept ist in Fahrt gekommen, was viel zu tun hat mit ihrem nicht weniger ungewöhnlichem Chef, dem ehemaligen Softwareunternehmer Rafael Laguna de la Vera. In einem Bericht an den Haushaltsausschuss meldet das Bundesfinanzministerium nun, dass SPRIND dieses Jahr sein Budget erstmals nahezu ausschöpft. 111,7 Millionen Euro seien bereits gebunden.  Zum Vergleich: 2020 wurden erst 38 Prozent der vorgesehenen Mittel ausgegeben, 2022 bereits 84 Prozent. Für eine neu gegründete Einrichtung eine erstaunliche Erfolgsgeschichte – gerade vor dem Hintergrund, dass anderswo Fördergelder des Bundes oft über Jahre liegenbleiben oder nur sehr zögerlich abgerufen werden. 

 

Wegen der Haushaltssperre müssen
Tochteragenturen verschoben werden

 

Tatsächlich stößt die Agentur jetzt sogar an ihre finanziellen Grenzen, was auch damit zusammenhängt, dass der Haushaltsausschuss, wie er es häufig bei neuen Haushaltstiteln tut, 20 Prozent der SPRIND-Mittel gesperrt hat. Mit ärgerlichen Folgen, wie Laguna bestätigt: Tatsächlich musste die für den 1. April geplante Gründung zweier weiterer Tochtergesellschaften  verschoben werden. Weshalb das Finanzministerium nun beim Parlament die Freigabe von 23 der 30 gesperrten SPRIND-Millionen beantragt hat.  >>>



So sieht die Agentur sich selbst: Screenshot von der SPRIND-Website

 

>>> So erfolgreich die Agentur beim Investieren ist, stellt sich natürlich sofort wieder die Frage, warum der SPRIND-Chef dann öffentlich so viel Druck gemacht hat, dass die Politik dringend das versprochene SPRIND-Freiheitsgesetz umsetzen müsse. Sogar mit seinem Rücktritt hatte Laguna indirekt gedroht.

 

Das Gesetz solle die "rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Agentur für Sprunginnovation umgehend substanziell verbessern, damit sie freier agieren und investieren kann", hieß es im Ampel-Koalitionsvertrag. Dass die Bundesregierung bereits 2022 erste Änderungen bei der Governance beschlossen hatte, außerdem ein flexibleres Vergaberecht für die Tochtergesellschaften und mehr finanzielle Freiheiten für SPRIND bei der Budgetplanung, reicht Laguna nicht. Dabei scheinen die vom Finanzministerium an den Haushaltsausschuss berichteten Zahlen doch zu belegen, dass es auch jetzt schon gut klappt.

 

Laguna sagt, es gehe nicht darum, ob SPRIND das Geld ausgeben könne, sondern welche Verrenkungen dafür nötig seien. "Wir sind schon jetzt die mit Abstand effizienteste Fördereinrichtung, aber wir verbringen viel zu viel Zeit mit Bürokratie und der Produktion schöner Papiere. Wir müssen schneller werden und mehr von unserer Kraft auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren können." 

 

Kanzler verspricht neues
Gesetz noch dieses Jahr

 

In der Politik hat der Agenturchef mit seinem Drängeln jedenfalls Gehör gefunden. In der Rede, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Innovationsgipfel halten wollte und die dann, weil Scholz kurzfristig verhindert war, von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (ebenfalls SPD) verlesen wurde, stand die Ankündigung, das neue Gesetz noch dieses Jahr ins Parlament zu bekommen. 

 

Was allerdings eher Schadensbegrenzung als Ausdruck ambitionierter Innovationspolitik wäre. Denn schon im März 2022 hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) abgestimmten Gesetzentwurf formuliert. Doch meldete das Bundesfinanzministerium (BMF), nachdem es erstmal etlichen Monaten nichts gesagt hatte, Änderungswünsche an. Diese wurden eingearbeitet, kurz vor Weihnachten legte das BMBF intern seinen überarbeiteten Gesetzentwurf vor. 

 

Und nun? In dem auf den 27. März 2023 datierten BMF-Bericht an den Haushaltsausschuss steht, der Gesetzentwurf befinde sich immer noch "in der Vorabstimmung" zwischen den federführenden BMBF und BMWK mit dem BMF und dem Justizministerium. Was genau im geplanten Freiheitsgesetz stehen wird, das weiß der SPRIND-Direktor selbst nicht genau. Das "Big Picture" habe er nicht, sagt Laguna. "Wir hören mal dies und mal das, manchmal sind wir erschrocken und manchmal nicht." Die beteiligten Ministerien halten sich bedeckt. Genau wie der Bericht des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss.

 

Doch, sagt Laguna, er habe großes Vertrauen in die Arbeit der beteiligten parlamentarischen Staatssekretäre Mario Brandenburg (BMBF), Franziska Brantner (BMWK) und Florian Toncar (BMF). "Die hängen sich total rein", sagt er und klingt spürbar optimistischer als noch vor einigen Monaten. Was vielleicht mit den guten SPRIND-Zahlen zusammenhängt, die auch den Erwartungsdruck auf Laguna verringern.

 

Ausnahmen
oder Vorboten?

 

Derweil läuft die Ausschreibung für die geplante SPRIND-Evaluation. Der Auftrag soll für den Zeitraum von Juli 2023 bis Dezember 2024 vergeben werden und sämtliche Bereiche der Agentur durchleuchten, inklusive Gesamtkonzept, Organisation, Ausstattung, Ablaufeffizienz, Personal, Innovationswettbewerbe, Tochtergesellschaften und weitere Finanzierungsinstrumente. Schließlich geht es nicht nur darum, dass die Agentur ihr Geld ausgeben kann, sondern auch darum, dass sie am Ende Sprunginnovationen produziert und – im Idealfall – die Innovationskultur in Deutschland insgesamt ankurbelt.

 

Die Ergebnisse der Evaluation werden deshalb nicht nur für die Zukunft von SPRIND selbst wichtig sein. Sondern auch für den Aufbau der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI), dessen halbfertiges Gründungskonzept BMBF-Staatssekretär Brandenburg  im vergangenen Jahr von seinem zurückgetretenen Vorgänger Thomas Sattelberger geerbt hatte. Nach einer Reihe sogenannter "Stakeholder"-Dialoge könnte es in Kürze vorliegen. Der Erfolg von SPRIND wird aber über eine noch grundsätzlichere Frage entscheiden: Ob SPRIND und DATI Ausnahmen bleiben – oder ob sie zu Vorboten werden einer grundsätzlich neuen Logik der Forschungs- und Innovationsförderung.

 

Laguna selbst hat dazu eine klare Meinung. Die Evaluation, so hofft er, werde helfen, die noch zu komplizierten Prozesse mit den Ministerien zu verbessern. Ansonsten gelte: "Natürlich sind wir schon ein Erfolg, das zeigt ja unsere Arbeit." 


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Kommentare: 5
  • #1

    Sparfuchs (Donnerstag, 13 April 2023 14:20)

    Dieser Beitrag enthält einige durchaus anfechtbare Behauptungen. Drei Beispiele:

    1. "111,7 Millionen Euro seien bereits gebunden. Zum Vergleich: 2020 wurden erst 38 Prozent der vorgesehenen Mittel ausgegeben, 2022 bereits 84 Prozent. Für eine neu gegründete Einrichtung eine erstaunliche Erfolgsgeschichte ..."

    Das bloße Geldausgeben ist bereits eine Erfolgsgeschichte? Dann hätte Reimund Neugebauers Spesengebaren ein Bundesverdienstkreuz verdient. Es ist überfällig, in der Forschungs- und Innovationsfinanzierung endlich von diesem Inputdenken wegzukommen. Hinzu kommt: Bei einer experimentellen Einrichtung wie SPRIND ist es ein schlechtes Zeichen, wenn so schnell so viel Geld rausgehauen wird. Gute Wagniskapitalgeber steigern Investitionen in ein riskantes Frühphasen Start-up nur langsam und allenfalls dann, wenn Meilensteine erreicht werden. Bei SPRIND passiert das Gegenteil.

    2. "Wir sind schon jetzt die mit Abstand effizienteste Fördereinrichtung"

    Diese Behauptung bleibt nicht nur unbelegt. 3 Minuten Internetrecherche erweisen sogar das Gegenteil: Bei DARPA betreut ein Mitarbeiter im Schnitt 15 Mio. USD Jahresbudget. Bei SPRIND sind es nur gut 2 Mio. EUR . Und das berücksichtigt noch gar nicht, daß SPRIND viele Begutachtungen auslagert -- und die Kosten dafür geheim hält. Diese Ineffizienz rührt natürlich dahier, daß sich SPRIND viel zu stark verzettelt hat: Anstatt zunächst 2-3 Themenbereiche zum Laufen zu bringen und darin Kompetenz aufzubauen, will man querbeet die ganze Welt auf einmal retten. Das funktioniert aber nicht.

    3. "Natürlich sind wir schon ein Erfolg, das zeigt ja unsere Arbeit."

    Zeigt sie eben nicht. Aspirationen hat SPRIND viele. Aber mir ist kein Fall bekannt, in dem SPRIND tatsächlich ein Projekt zum Erfolg geführt, oder es auch nur signifikant veredelt hätte. Beim Höhenwindrad z.B. hätte SPRIND schon beim initialen Screening feststellen müssen, dass es auf absehbare Zeit technisch unmöglich ist, die mechanische Energie vom Propeller effizient zum Generator am Fuße des Geräts zu übertragen. Skeptiker z.B. am KIT hatten das sofort gesehen. SPRIND brauchte dafür Jahre und muß nun kostenträchtig auf Behelfslösungen ausweichen.

    Fazit: SPRIND besteht überwiegend aus Schaumschlägerei. Es gibt auch weiterhin keine klare Definition davon, was eine Sprunginnovation ist. Stattdessen werden opportunistisch Projekte gefördert, die in den Zeitgeist passen (anstatt diesem voraus zu sein wie bei DARPA).

    Natürlich wird das bei der Evaluation nicht heraus kommen, weil das BMBF gar kein Interesse daran hat, gefördetern Institutionen auf die Finger zu hauen: Mit gehangen, mit gefangen. Siehe Fraunhofer.

  • #2

    Sparfuchs (Donnerstag, 13 April 2023 14:51)

    Korrektur: Mitgefangen, mit gehangen

  • #3

    Lichtenberger (Freitag, 14 April 2023 08:45)

    @Sparfuchs Sie erwähnen gar nicht mal die größten Pannen beim Höhenwindrad:

    Erstens hat SPRIND bei der Antragsprüfung ebenfalls übersehen, daß so große Rotorblätter wie im Bendix'schen Entwurf gar nicht auf Straßen transportiert werden können. Es scheint unter den 50+ Mitarbeitern bei SPRIND niemanden zu geben, der Projekte ganzheitlich (=systemisch) durchdenken kann. Diese Fähigkeit ist aber ganz entscheidend für den Erfolg einer solchen Agentur.

    Zweitens und vor allem ist SPRIND jetzt deshalb u.a. darauf ausgewichen, ein normales Windrad auf einen Turm stellen zu wollen. Bis Ende '24, verkündete man stolz in der Presse, könne ein erster Prototyp stehen. Dabei hat SPRIND übersehen, daß es so etwas längst gibt: Die Berliner Genossenschaft Howoge baut so etwas bereits auf Mietshäuser drauf, z.B. an der Frankfurter Allee. Die Innovationsagentur SPRIND verbrennt nicht nur Geld für etwas, das es schon gibt, sondern wird auch noch in der Umsetzung ausgerechnet von einer Wohnungsbaugenossenschaft überholt. Und das liegt nicht an einem bösen Ministerium oder einem kleinkarierten Rechnungshof, sondern an eigenem Unvermögen bei SPRIND selbst.

  • #4

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 14 April 2023 14:15)

    Liebe Leserinnen und Leser,

    bitte beachten Sie, dass ich Kommentare mit nicht überprüfbaren Tatsachenbehauptungen künftig nur freischalten werde, wenn entsprechende Links eingebaut sind oder sie unter Klarnamen abgegeben werden. Zugleich behalte ich mir vor, Kommentare offline zu stellen, sollte sich herausstellen, dass hier gemachte Angaben nicht den Tatsachen entsprechen.

    Ich bitte um Ihr Verständnis, da ich rechtlich für meine Seite verantwortlich bin.

    Beste Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #5

    WTT-Praktiker (Mittwoch, 19 April 2023 14:40)

    "Wir sind schon jetzt die mit Abstand effizienteste Fördereinrichtung..." - wurde da Effizienz mit Effektivität verwechselt? Effizienter als SPRIND (hohe Fördersummen bei geringen Verwaltungskosten) ist sicher die Forschungszulage. Wichtiger wäre es, effektiver zu sein. Da zählen z.B. die geschaffenen Arbeitsplätze, z.B. im Durchschnitt pro ausgezahlter Fördermillion. Aber: nicht die im Projekt geschaffenen, befristeten Arbeitsplätze, die nach Abschluss des Fördervorhabens wieder verloren gehen, sondern die langfristig geschaffenen Arbeitsplätze, die durch Produktion und Vermarktung innovativer Produkte entstehen.

    Ach übrigens: wurde die SPRIND-Praxis der Auftragsvergabe statt Zuschussbewilligung schon mal beihilferechtlich oder vergaberechtlich geprüft?