· 

Weniger, besser, aussichtsreicher

30.000 abgeschlossene Promotionen jedes Jahr: Wenn wir die Karrierechancen im Wissenschaftssystem verbessern wollen, müssen wir auch über die Zahl der Doktoranden reden. Ein Gastbeitrag von Johannes Freudenreich.

Johannes Freudenreich ist Geschäftsführer der Potsdam Graduate School an der Universität Potsdam. Foto: privat.

DIE DEBATTE um die Neufassung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) ist in vollem Gange. Gesucht wird eine Regelung, die eine hochwertige wissenschaftliche Ausbildung ermöglicht, Planungssicherheit für Forschende schafft und das Wissenschaftssystem insgesamt innovativ und flexibel hält. Das ist eine schwierige Aufgabe, zumal die zentrale Logik des WissZeitVG in der Diskussion meist aus dem Blick gerät: die Qualifizierung. Sie allein begründet das Sonderbefristungsrecht in der Wissenschaft und damit die Abweichung von üblichen Arbeitsvertragsregelungen.

 

Die Promotion ist heute häufig die letzte formale wissenschaftliche Qualifikation, da viele akademische Karrierewege ohne Habilitation auskommen. Auch aus diesem Grund hat der Wissenschaftsrat Ende April eine umfassende Würdigung der Promotion in Deutschland vorgelegt und auf drei deutsche Besonderheiten hingewiesen: Erstens wird die Promotion in Deutschland nicht primär als Qualifikationsleistung im Sinne eines dritten Zyklus der Hochschulausbildung verstanden, sondern der eigenständige Forschungsbeitrag steht im Vordergrund. Zweitens ist die Promotion in den unterschiedlichen Fachdisziplinen sehr unterschiedlich ausgestaltet. Drittens ist die Promotionsquote, also das Verhältnis von Promotionen zu promotionsberechtigten Hochschulabschlüssen, über alle Fächer hinweg etwa doppelt so hoch wie im OECD-Durchschnitt. 

 

Jährlich schließen in Deutschland rund 30.000 Personen ihre Promotion ab, dem stehen rund 4.000 unbefristete Stellen in der Wissenschaft gegenüber, die jedes Jahr neu besetzt werden können, wie Peter-André Alt kürzlich in einem lesenswerten Artikel in der Welt darstellte. Das heißt, eine Promotion qualifiziert in aller Regel für eine langfristige Karriere außerhalb der Wissenschaft. Trotzdem bleibt das Karriereziel für viele, auch aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Promotion, weiter die Wissenschaft.

 

Ein Dilemma, drei mögliche Lösungen

 

Grundsätzlich kann dieses Dilemma nur durch drei Maßnahmen gelöst werden: Erstens könnte die Zahl der jährlich zu besetzenden unbefristeten Stellen in der Wissenschaft langfristig deutlich erhöht werden. Zweitens könnte der Übergang zum außeruniversitären Arbeitsmarkt effizienter gestaltet und die Promovierenden besser und früher für diese Karriere vorbereitet werden. Drittens könnte die Promotionsquote gesenkt werden.

 

Letztere Option wird selten diskutiert, da Doktorandinnen und Doktoranden in vielen Forschergruppen einen Großteil der Forschungsarbeit leisten und befürchtet wird, dass die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands bei einem Rückgang der Promovierendenzahlen gefährdet sei. Tatsächlich ist der leichte Anstieg der jährlichen Promotionen – in den vergangenen 20 Jahren rund 15 Prozent –  unter anderem auf die gestiegene Drittmittelfinanzierung zurückzuführen, die auch mit Exzellenzinitiative und -strategie zusammenhängt. Zudem ist die Zahl der Promotionen häufig ein Kriterium bei der leistungsorientierten Mittelvergabe an Universitäten. Auch aus diesem Grund stellt der Wissenschaftsrat fest: "Eine Selbstbeschränkung der Einrichtungen bei der Zulassung von Doktoranden und Doktorandinnen [ist] nicht zu erwarten."

 

Wie könnte eine Senkung der Promotionsquote sinnvoller Weise aussehen? 

Die Promotionsquoten variieren zwischen den Fächern stark. Sie reichen laut Wissenschaftsrat von 4 Prozent in den Kunstwissenschaften über 38 Prozent in Mathematik und Naturwissenschaften bis zu 56 Prozent in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften. Auch die Betreuungsrelationen schwanken: In den Geisteswissenschaften sowie den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften werden durchschnittlich fünf Promovierende gleichzeitig von einer Professur betreut.

 

In den Mathematik- und Naturwissenschaften ist eine Professur für durchschnittlich sieben Promovierende zuständig. In der Medizin und den Gesundheitswissenschaften sind es etwa zehn Promovierende gleichzeitig pro Professur, wobei dort die Promotion im Gegensatz zu den anderen Fächern häufig studienbegleitend erfolgt. Zwar haben sich in den Fächern unterschiedliche Betreuungsmodelle etabliert, die eine qualitativ hochwertige Betreuung gewährleisten sollen. Der Wissenschaftsrat sieht jedoch weiter die Gefahr, dass eine angemessene Betreuung nicht mehr gewährleistet werden kann, wenn zu viele Promovierende auf eine Betreuungsperson kommen. 

 

Die Zahl der Promotionen reglementieren

 

Ich plädiere daher dafür, dass wir Promotionsquoten, Betreuungsrelationen und Betreuungsmodelle viel stärker als bislang in den Vordergrund der Debatte stellen. Hier wird es auch in Zukunft Unterschiede zwischen den Fächern geben müssen, weil die Art der Forschung und die Anschlussfähigkeit an den außeruniversitären Arbeitsmarkt unterschiedlich sind. In jedem Fall aber müssen wir mehr in die Exzellenz der einzelnen Promotionsprojekte investieren, was auf weniger, dafür aber gut ausgewählte, intensiv betreute und ausreichend finanzierte Promotionsprojekte hinausläuft. Bereits bei der Zulassung zur Promotion muss es klare und transparente Qualitätskriterien für die Auswahl und Betreuung geben, und die Qualitätssicherung muss intensiviert werden.

 

Es könnte zum Beispiel festgelegt werden, wie viele Promotionen maximal von der Professorenschaft qualitativ hochwertig parallel betreut und wie promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offiziell in die Betreuung einbezogen werden können. Durch die reglementierte Zahl von Promotionen würden Anreize geschaffen, Promotionsvorhaben zügig und erfolgreich abzuschließen – oder bei wenig aussichtsreichen Promotionsvorhaben die Promovierenden bei einer frühzeitigen beruflichen Neuorientierung zu unterstützen.

 

Für die Diskussion um das WissZeitVG ist eines entscheidend: Bessere Betreuungsrelationen führen zu weniger, dafür besser qualifizierter Forschenden, denen deutlich bessere Karriereoptionen zur Verfügung stehen. Damit wird deutlich Druck aus dem deutschen Wissenschaftssystem genommen. 

 

Viele Vorschläge, die derzeit im Rahmen der Novellierung des WissZeitVG diskutiert werden, gehen aus meiner Sicht am Kern des Problems vorbei, nämlich an der Frage der hochwertigen Qualifizierung von Forschenden. Das liegt auch daran, dass wir nicht über Betreuungsrelationen und Betreuungsmodelle in der Wissenschaft diskutieren. Wenn wir uns stattdessen auf die Vertragslaufzeiten konzentrieren, ist die Gefahr groß, dass wir entweder ein für die Wissenschaft zu starres System schaffen, dass wir die Innovationsfähigkeit des Wissenschaftssystems aus dem Blick verlieren – oder dass sich an der jetzigen Situation kaum etwas ändert. Damit wäre auch der Planungssicherheit der Forschenden nicht gedient.


Kommentar schreiben

Kommentare: 17
  • #1

    Joern Wilms (Donnerstag, 11 Mai 2023 11:54)

    Ich denke, bevor über die Frage der Begrenzung der Zahl der Promotionen nachgedacht wird, sollte über den Sinn der Promotionen nachgedacht werden. Sowohl dieser Beitrag als auch viele andere Beiträge in der momentanen Diskussion sehen die Promotion hauptsächlich als einen Schritt auf dem Weg hin zu einer akademischen Karriere und zu einer Professur. Dies ist aber zumindest in den Naturwissenschaften nicht mehr wirklich der Fall. Es besteht hier meiner Beobachtung nach (die sich hauptsächlich auf die Physik beschränkt) nur von einer Minderheit der Promovierenden das Verständnis, dass damit eine Karriere in der Forschung vorgezeichnet ist. Die Art der Promotion in den Naturwissenschaften übermittelt eine Vielzahl von Fähigkeiten, die auch außerhalb des akademischen Umfeldes gesucht sind und die z.B. durch spezielle Studiengänge auch nicht vermittelt werden könnte. De facto existiert für diesen Personenkreis daher auch kein Problem, eine Stelle außerhalb der Wissenschaft zu finden. Gleichzeitig ist der überwiegende Feedback dieser Personen aber auch der, dass sie gerne promoviert haben, dies im Nachhinein auch weiterhin getan hätten und ihnen die Erfahrung in der Forschung auch weiterhin im Arbeitsleben hilft. Deutschland als Land mit geringen natürlichen Ressourcen ist auf eine sehr gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft angewiesen. Es ist meines Erachtens daher fraglich, ob eine Reduktion der Zahl der Promotionen unter Hinweis auf die begrenzte Zahl akademischer Stellen wirklich das Ziel sein kann.

  • #2

    BUSchneider (Donnerstag, 11 Mai 2023 12:13)

    Ich stimme dem vorherigen Kommentator zu und erweitere das auf die Ingenieurwissenschaften. Dort ist die Promotion in den seltensten Fällen der direkte Weg in die Wissenschaft. Vielmehr ist die Promotion eine eigenständige Weiterqualifizierung für hochwertige Tätigkeiten in der Wirtschaft und das funktioniert auch nach wie vor sehr gut. Eine PostDoc-Zeit ist dort (von beiden Seiten) nur in absoluten Ausnahmefällen gewollt. Manche Promovierte kommen nach einer Zeit in der Wirtschaft an die Hochschule "zurück" (als dann ProfessorInnen), aber auch das ist nur eine Minderheit.

    Es wäre wünschenswert, wenn Vorschläge, die auf Allgemeingültigkeit zielen, die Spezifika der Fachkulturen stets im Auge haben. Die grundlegende Anforderung an alle Vorschläge muss sein, dass sie entweder fachspezifisch formuliert werden oder die Vielfalt der wissenschaftlichen Wege an den Hochschulen berücksichtigen.

  • #3

    Düsseldorfer Doktorand (Donnerstag, 11 Mai 2023 13:29)

    "Drittens könnte die Promotionsquote gesenkt werden."

    Die Universität Düsseldorf geht hier mit gutem Beispiel voran und schickt einmal im Semester eine Email (auch) an ihre Doktoranden, in der erklärt wird wie man sein Studium abbricht, um stattdessen eine duale Berufsausbildung anzufangen. Kein Witz.

  • #4

    Thorsten Bleifuß (Donnerstag, 11 Mai 2023 13:29)

    Die Überlegung, die Zahl der Doktoranden in Deutschland zu reduzieren, ist meines Erachtens unbedingt richtig. Ich habe selbst sehr viele Doktoranden erstbetreut und kann mir daher für mein Fachgebiet ein Urteil erlauben.

  • #5

    Aus einer Berliner Uni (Donnerstag, 11 Mai 2023 14:51)


    Ich stimme #1 und #2 vollkommen zu. Meines Wissens nach herrscht unter Akademiker*innen in Deutschland Vollbeschäftigung. Mir sind in keinem Fach grosse Zahlen arbeitsloser Promovierter bekannt. Zu einem Teil erscheinen mir die Forderungen um IchBinHanna deshalb etwas bequem - "ich habe zu Thema X ein Forschungsinteresse und deswegen (nach Promotion) Anspruch auf eine Lebenszeitstelle zu Thema X". Die Alternative ist ja nicht, wie so oft behauptet, Arbeitslosigkeit, sondern eine Stelle, die sich halt nicht mit dem eigenen Lieblingsthema beschäftigt.

    Bzgl. der Zahl der Promotionen würde ich dringend anregen, die im Fach Medizin rauszurechnen, die ca. 1/4 ausmachen. Die kann man einfach nicht mit anderen Fächern vergleichen, das Rausrechnen führt aber gleich zu anderen Quotienten.

    Beste Grüße

  • #6

    Stipendienverzerrung (Donnerstag, 11 Mai 2023 16:16)

    Bei der Anzahl der Promotionen muss auch bedacht werden, dass gerade in den Geisteswissenschaften viele Promovierende mit Stipendien der staatlich finanzierten Begabtenförderungswerke auf ihrer Promotionsstelle (extern) finanziert werden. Die Gremien, die diese Promovierenden auswählen, haben aber i.d.R. nur den akademischen gehalt des zu fördernden Promotionsprojektes im Blick und nicht die Perspektive des/der Geförderten. So gut die Stipendien auch sind, Menschen mit zu geringen finanziellen Mitteln unter die Arme zu greifen, sorgen sie gleichzeitig dafür, dass Menschen in Fächern promovieren, die eigentlich keine Finanzierung für sie während der Promotion haben und häufig vermutlich auch keine Anschlussperspektive

  • #7

    Najaaa (Donnerstag, 11 Mai 2023 16:32)

    Forderungen nach unbefristeten Beschäftigungen sind m.E. weniger ein Luxusproblem als ein Grundbedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit, das in jeder Branche und nicht nur in Hochschule und Wissenschaft besteht. Warum sollte die Mehrheit der WissenschaftlerInnen hier anders behandelt werden als bspw. LehrerInnen an Gymnasien? Oder fordert irgendjemand ernsthaft, dass man dort auch nur eine kleine Elite dauerhaft beschäftigt, sehr gut bezahlt und die große Masse der LehrerInnen befristet anstellt und nach 6 Jahren rausschmeißt, weil sie ja mit ihrem Hocschulabschluss schließlich auch woanders gute Chancen haben und der Anteil Arbeitsloser unter den AkademikerInnen ziemlich gering ist? Eben.

  • #8

    Auch naja (Donnerstag, 11 Mai 2023 17:36)

    Klar wollen wir alle Sicherheit. Dafür muss jemand zahlen. In der Wirtschaft wird dazu das Geld erst verdient, dann ausgezahlt. Im öffentlichen Bereich ist es aber Steuergeld, und da müssen besonders hohe Ansprüche an die "Nützlichkeit" der Stelle gestellt werden. Und nicht jedes (Promotions-)Thema ist gesellschaftlich nützlich. Klar ist das schwer zu definieren, aber es passiert dauernd, weswegen es z.B. zig neue Professuren in der Informatik aber nur wenig Bewegung in der Kunstgeschichte gibt (nichts geben Kunstgeschichte!).

    Der Vergleich mit den Lehrer*innen hinkt stark. Die unterrichten einen im wesentlichen seit Jahrzehnten nur wenig geänderten Stoff. Forschung muss aber immer und ständig neu sein - sonst ist es keine Forschung. Und junge Leute sind nun mal viel offener für neue Themen als ältere (Nobelpreisforschung passiert, glaube ich, stets unter 30). Bevor jetzt wieder das Argument mit den verbeamteten Professor*innen kommt - stimmt genau! Könnte man abschaffen oder periodischen Evaluationen unterwerfen..

    Das Hauptproblem bleibt aber - ohne neues Geld nimmt jede verdauerte WiMi Stelle ca. 9 anderen Personen die Möglichkeit, sich in der Wissenschaft durch eine Qualifikation zu qualifizieren (bei 40 Dienstjahren und 4 Jahren pro Promotion). Und glaub irgendjemand, dass bald die Budgets der Universitäten wachsen werden?

  • #9

    Mittelbau (Donnerstag, 11 Mai 2023 21:56)

    Das Argument der "Verstopfung" des Wissenschaftssystems ist hinreichend widerlegt (s. Scheinwahrheit Nr.1b: https://mittelbau.net/argumentationshilfen/).
    Es braucht unterhalb und neben der Professur einfach langfristig mehr Karrierewege. Das deutsche Wissenschaftssystem läuft mit 10 % Profs. Der Rest sind abhängig beschäftigte Doktorand:innen und befristete Postdocs bis 40 an deren Lehrstühlen. Menschen zwischen 40-65 kommen an den Unis kaum vor. Das ist ziemlich einzigartig auf der Welt. Andere Länder machen es besser: Wissenschaftler:innen aller Erfahrungsstufen in kollegialen Departmentstrukturen. Die Mitarbeiterstruktur sollte die Gesellschaft wiederspiegeln. Es geht auch um mehr Demokratie an Hochschulen und um faire Arbeitsverträge. - Klar, nicht jede:r Ingenieur:in will an der Uni bleiben, im Lehramt aber ist es kontraprodduktiv, die bestausgebildeten, erfahrenen Postdocs vor die Tür zu setzen. In der Lehramtsausbildung braucht es neben angewandter Forschung eben auch exzellente Lehre. Sonst sitzen vor der Nase Ihrer Kinder dann lauter Lehrer, die von unerfahrenen 25-jährigen Masterabsolvent:innen ausgebildet wurden. Wollen Sie das? Vermutlich nicht. Im Lehramt braucht es auch erfahrene Lehrende im Mittelbau auf Dauerstellen. - Der Fachkräftemangel wird die Unis schon zwingen, unbefristete E14-Stellen zu generieren.

  • #10

    Erik Gengel (Freitag, 12 Mai 2023 02:30)

    Die im Beitrag verfolgte Logik erschließt sich mir zwar, aber ich finde den dahinter stehenden Blickwinkel auf die Problematik bedenklich: 4 von 5 Kinder mit akademischem Elternhaus gehen selbst an die Uni. Nur 1 Kind von 5 mit nicht-akademischem Hintergrund. Soll dieser Trend noch weiter verstärkt werden?

    Ich stimme auch #1 und #2 zu, die sich insbesondere auf einen zentralen Bereich der Universitäten beziehen: die MINT Fächer. Unternehmen sind auf Innovation und nicht nur Optimierung angewiesen. Ohne Leute, die mit unlösbaren Problemen umgehen können wird es sicher schwierig.

    Warum kann man nicht die Bildung besser fördern, Stellen entfristen? Es ist einzig der Unwillen in Gesellschaft und Politik, wo Steuergelder in veraltete Wirtschaftszweige fließen, wo aber für innovative WissenschaftlerInnen immer neue Hürden aufgerichtet werden. Und wenn kein Geld da ist, dann soll das Problem dadurch ignoriert werden, dass man einfach die Stellen reduziert.

    #3: Welches Unternehmen würde seinen Angestellten schon schreiben: "LiebeR MitarbeiterIn, wir sind froh, dass sie bei uns sind, haben sie mal darüber nach gedacht bei uns zu kündigen?"

  • #11

    Zu #9 (Freitag, 12 Mai 2023 12:16)



    Das Argument der Verstopfung kommt in diesem Thread doch gar nicht vor. Der zitierte Link widerlegt auch gar nichts, sondern argumentiert in eine bestimmte Richtung - der Argumentation kann man folgen, muss man aber nicht, da sie im wesentlich unvollständige Analogien zieht (Vergleich zw Ländern) oder über die Zukunft spekuliert.

    Das Argument aus #8, dass jede unbefristete Besetzung X Promotionen verhindert, ist erst Mal faktisch richtig (wenn es kein neues Geld gibt). Etwas Anderes ist die Frage, wie viele Entfristungen man vornimmt. Die Forderung diesbezüglich, die ich am häufigsten höre, ist aber "jeder PostDoc" (vielleicht garniert mit hochtrabenden Bemerkungen bzgl "Tenure Track", die nach deutschem Recht praktisch immer zu einer Entfristung führen werden). Anlass der Diskussion ist auch eine Renovierung des WissZeitVG, und ich habe nirgends gelesen, dass dann in einem langsamen Prozess die Zahl unbefristeter Stellen über die nächsten zwei Generationen erhöht wird, so dass keine Generation benachteiligt wird und sich insgesamt eine gute Altersmischung einstellt - das ist ja die Situation in vielen anderen Ländern. Die Forderung ist stattdessen: Möglichst alle und sofort. Und dann ist man in der Tat bei einer "Verstopfung" (das Wort ist übrigens hochgradig polemisch, ich kenne es nur von Befürwortern schneller Entfristungen zur Diskreditierung der Gegenseite).

    Bzgl. E14: Volle Zustimmung.

  • #12

    André Baier (Samstag, 13 Mai 2023 18:41)

    Ich sehe noch eine vierte Option: Einfach die Titelhuberei beenden. Problem gelöst.

    Ich bin schwer dafür, dass es gesellschaftlich verpönt ist sich außerhalb von Uni als "Dr." oder. "Prof." irgendwo einzutragen, vorzustellen, anreden zu lassen etc - sprich diese "Titel" verlieren außerhalb von Uni jeglichen Wert. Und in der Uni sollten wir alles dransetzen, dass diese "Namenszusätze" weitestgehend eingeschränkt werden und möglichst nur noch in Bezug auf die konkrete Funktion genutzt werden - und selbst da würde ich den Beruf "Hochschullehrer_in" dem (gesellschaftlichen) Status "Prof." vorziehen.

    Es ist daher bezeichnend, dass diese vierte Option im obigen Gastbeitrag nicht auftaucht.

    Und bevor der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen wird: Jan-Martin Wiarda lebt diese vierte Option in seinem Blog schon vor und die Erde dreht sich immer noch.

    Und Letztlich macht diese Option demütig(er), denn Dr./Prof. dienen wohl in der erste Linie dem Ego.

  • #13

    (Prof. Dr.) Egon Seiffart (Sonntag, 14 Mai 2023 09:12)

    @12: Es geht doch nicht um Titelhuberei. Eine ordentliche
    wissenschaftliche Leistung verdient dann auch einen Doktor-Grad. Die genannte vierte Option ist sinnentleert.

  • #14

    Fischer (Montag, 15 Mai 2023 10:20)

    Leider fehlt mir ein wenig die Umgebungsbetrachtung. Wie schon in den Kommentaren oben erwähnt, gibt es praktisch keine Arbeitslosigkeit unter Promovierten. Der Arbeitsmarkt außerhalb der Hochschulen saugt diese auf und stattet sie in der Regel auch mit unbefristeten Verträgen aus. Der letzte BuWin zeigt dies eindrucksvoll. Zudem ist von 2001-2021 nicht nur die Zahl der Promotionen um 14 Prozent gestiegen, sondern die Zahl der hauptberuflichen Professorinnen und Professoren im gleichen Zeitraum um 33 Prozent (alles Zahlen aus den Zeitreihen des Statistischen Bundesamtes). Nicht zu vergessen ist die Zahl der Studierenden in diesem Zeitraum um um 36 Prozent (jeweils Wintersemester) gestiegen. Defacto haben wir also bereits eine Reduzierung der Promotionen pro Professor/Professorin bzw. pro Studierendem.

  • #15

    Wissenschaftsmanagerin (Dienstag, 16 Mai 2023 09:29)

    Das Instrument Tenure Track kann als Argument für eine quantitative Limitierung und qualitative Verbesserung herhalten und in Analogie zur Promotionsphase gesetzt werden. TT Profs entwickeln sich in der Regel extrem gut, werben viele Drittmittel ein, machen gute Lehre, betreuen eng und erreichen ihre Ziele oft schon (lange) vor ihrer Tenure Evaluation. Liegt das nur an guter Kommissionsarbeit? Vermutlich nicht. Es ist anzunehmen, dass hier die sehr guten Rahmenbedingungen in der TT-Phase ausschlaggebend sind, dass sich die nach Potential Berufenen voll entfalten können.
    PostDocs mit kurzen Kettenverträgen und halben Stellen können nur kurzfristig planen und forschen, werden durch Zeit- und Geldsorgen stark im Entfalten eingeschränkt.
    TT als Beispiel dafür, wie ermöglichende Forschungskontexte aussehen, sollte viel ernster genommen werden und in der Diskussion um #ichbinhanna, Promovierendenzahlen und WissZeitVG eine stärkere Position bekommen

  • #16

    Frage an #15 (Dienstag, 16 Mai 2023 10:37)


    Hallo,
    haben Sie vielleicht eine Quelle, die Ihre Aussagen zur Qualität der TT Professuren belegt? Das würde mich wirklich interessieren - ich kenne solche und solche Fälle. Und womöglich aufgeschlüsselt nach akademischen Alter - tatsächlich kann man ja auch sehr erfahrene Personen auf TT Professuren berufen (wo das eigentlich nicht gerechtfertigt ist), während der Trend klar in Richtung "direkt nach der Promotion" geht, siehe 1000-Prof Programm des Bundes.

    Danke,

  • #17

    Ralf Meyer (Mittwoch, 17 Mai 2023 18:16)

    Beim internationalen Vergleich sollte man berücksichtigen, dass in anderen Ländern die staatlichen Drittmittelgeber deutlich weniger Stellen finanzieren. Dadurch ist es in Deutschland besonders leicht, ein Promotionsstudium zu finanzieren, und es gibt dann natürlich entsprechend mehr Promotionen. Sinnvoll erschiene es mir, einen Teil dieser Projektförderung in staatliche Grundfinanzierung umzuwidmen. Das kann zu weniger Promotionsprojekten und mehr Dauerstellen in der Wissenschaft führen. Diese Umschichtung wird allerdings dadurch erschwert, dass die meisten Projektmittel vom Bund und die Grundfinanzierung von den Bundesländern kommt.