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"Wir richten den Blick nach innen"

Haben die deutschen Universitäten den Reformwillen, um ihre Karrierewege wirklich zu verändern? Und welche Unterstützung brauchen sie dafür? Eine neue Folge von "Wiarda wundert sich" mit drei Autor:innen eines streitbaren Thesenpapiers. 

Der Fragensteller-Podcast mit Waltraud Kreutz-Gers (oben), Walter Rosenthal (unten Mitte) und Georg Schütte (rechts). Foto Kreutz-Gers:Thomas Hartmann; Foto Rosenthal: Jens Meyer; Foto Schütte: Philip Bartz.

DREI UNICHEFS, eine Kanzlerin und der Generalsekretär der Volkswagenstiftung haben sich zusammengetan, um ein gemeinsames Thesenpapier zur "Reformbedürftigkeit universitärer Beschäftigungsstrukturen" zu schreiben. Ist das ein letzter Abwehrversuch, damit sich angesichts von "#IchbinHanna" und WissZeitVG-Debatte nicht zu viel ändert? Oder Ausdruck des Bewusstseins, dass an den deutschen Hochschulen tatsächlich vieles nicht so bleiben kann, wie es ist? 

 

"Mit der Veröffentlichung dieses Thesenpapiers möchte die VolkswagenStiftung die Debatte um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in neue, weiterführende Bahnen lenken", steht bereits im Vorwort. Und im letzten Absatz heißt es: "Angesichts der demografischen Entwicklung, eines sich wandelnden Arbeitsmarktes und nicht zuletzt angesichts des zunehmenden Wunsches nach einer ausgeglichenen Work-Life Balance" müsse sich das universitäre System verändern.

 

Aber was bedeutet das konkret? Waltraud Kreutz-Gers, Kanzlerin der Universität Mainz, sagt im Podcast, dass eine Gesetzesreform für sich genommen das Problem bei den Perspektiven und der Planbarkeit wissenschaftlicher Karrieren nicht lösen werde. "Wir richten den Blick (an den Universitäten) also nach innen, auf die eigene Reformbedürftigkeit." 

 

Walter Rosenthal, gerade neu gewählter Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und langjähriger Präsident der Universität Jena, sagt, die Universitäten müssten künftig "anders mit zeitlich befristeten Stellen umgehen", "neue Kategorien" und "Verlässlichkeit und Transparenz" schaffen. "Und in einzelnen Fällen wird es hier und da auch mehr Dauerstellen geben, aber sicher nicht flächendeckend", was sich schon aus der Finanzierung der Universitäten ergebe.

 

Es gebe "eine gewisse Trägheit im System", sich so zu verändern, sagt Stiftungs-Generalsekretär Georg Schütte. Es brauche ein "Zusammenspiel von Eigendynamik in den Hochschulen, die ja auch zu Recht autonom handeln können und sollen". Aber auch die Gesetzgeber und Wissenschaftsförderer müssten handeln. 

 

Tatsächlich ist im Papier und auch im Podcast viel von Transparenz und attraktiven Beschäftigungsbedingungen die Rede. Hierarchische Strukturen werden als Modernisierungshemmnis bezeichnet, attraktive Qualifizierungsphasen und Vertragslaufzeiten angemahnt – und Dauerstellen ein "Element der universitären Zukunftsfähigkeit" genannt. Gleichzeitig plädieren die Autor:innen aber dafür, den Betroffenen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie sich auf die (nach Meinung meiner Gesprächspartner immer mit einer wissenschaftlichen Karriere verbundenen) Unsicherheit einlassen wollen. 

 

Wie das alles zusammenpasst und warum die Universitäten nach Meinung meiner drei Gäste bereits auf einem guten Weg sind: Eine neue Folge von "Wiarda wundert sich" über universitäre Transformationsprozesse mit Waltraud Kreutz-Gers, Walter Rosenthal und Georg Krausch. Die weiteren Autoren des Papiers waren die Präsidenten der Universität Mainz und Frankfurt am Main, Georg Krausch und Enrico Schleiff. 



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Kommentare: 5
  • #1

    Hanna (Dienstag, 16 Mai 2023 00:41)

    "Und in einzelnen Fällen wird es hier und da auch mehr Dauerstellen geben, aber sicher nicht flächendeckend" - "Gleichzeitig plädieren die Autor:innen aber dafür, den Betroffenen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie sich auf die (nach Meinung meiner Gesprächspartner immer mit einer wissenschaftlichen Karriere verbundenen) Unsicherheit einlassen wollen."

    - Leider scheint aus den Köpfen die falsche Grundaxiomatik nicht herauszubringen sein: I) das System gebe nicht mehr Dauerstellen her, ii) wissenschaftliche Karrieren müssen unsicher bleiben und iii) die Mitarbeiter sollen schuld sein, wenn sie besch****** Arbeitsbedingungen tolerieren. - WTF!! Andere Länder zeigen, dass es besser geht: verlässliche Karrierewege neben der Professur. Diese bedeuten u. a. auch: mehr Frauen in der Wissenschaft, bessere Lehre, mehr Expertise in der Forschung. - An manchen deutschen Unis/Lehrstühlen ist man inzwischen ja schon so weit, dass man nicht mal mehr Wiss. Mitarbeiter, sondern lieber zig Studentische Hilfskräfte anstellt, da diese billiger sind und auch irgendwie Klausuren korrigieren, Sekretariatsarbeiten erledigen und asynchrone Lehrveranstaltungen mitbetreuen können: noch billigere und noch flexiblere Arbeitskräfte halt. - Irgendwo muss der Steuerzahler und müssen die Landesministerien der Hochschulautonomie doch einmal den Riegel vorschieben, wenn Studienabschlüsse noch qualitativ gehaltvoll sein sollen. Es kann nicht sein, dass man den Unis nur das Geld pro Studienplatz/Abschluss überweist und die Qualität (Mitarbeiterstruktur und Betreuungsschlüssel) nicht prüft (bzw. an Akkreditierungsagenturen auslagert, die von den Aufträgen der Unis leben, die sie prüfen sollen). So kann sich jede Uni durch max. billige und schlechte Lehre Abschlüsse generieren. Manch Studierende, die nur wegen eines Abschlusses studieren, wirds ebenfalls freuen. Das kann doch so nicht bleiben! Nehmt endlich mehr Geld in die Hand für gute Arbeitsplätze und qualitativ hochwertige Forschung und Lehre, statt nur massenweise Bullshit-Output zu produzieren. Wo bleibt in euren New-Public-Management-Konzepten und Kennzahlen die Qualität? Stattdessen: Ideenlosigkeit oder mangelnder Veränderungswille. Wann überwindet Deutschland endlich das patriachale Lehrstuhlprinzip und kommt zu einem demokratischeren, partizipativeren Departmentmodell, in dem Forschende unterschiedlicher Karrierestufen gemeinsam Verantwortung übernehmen können und es mehr Pluralismus in den Forschungsthemen gibt. Think BIG!

  • #2

    die Hochschulen (Dienstag, 16 Mai 2023 10:47)

    haben doch bisher die Probleme auch nicht angepackt; gerade die großen Taditionsunis sind doch ein Hort der Beharrlichkeit - sorry, aber ich glaube euch einfach nicht, dass ihr jetzt plötzlich euren Laden selbst umbaut

  • #3

    na ja (Dienstag, 16 Mai 2023 16:35)

    Zitat: "Gleichzeitig plädieren die Autor:innen aber dafür, den Betroffenen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie sich auf die (nach Meinung meiner Gesprächspartner immer mit einer wissenschaftlichen Karriere verbundenen) Unsicherheit einlassen wollen.''

    Das was oben in Klammern steht, ist symptomatisch für eines der großen Missverständnisse in der Debatte seitens der Mitarbeiter und seitens der Akteure von außen (Politiker, Journalisten etc). Eigenständig substantielle Wissenschaft zu betreiben, ist nichts, was man durch reinen Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Disziplin erreichen könnte. Die letztgenannten Eigenschaften sind in der Regel zwar notwendige Bedingungen, aber keine hinreichenden Bedingungen für eine erfolgreiche Tätigkeit in der Wissenschaft. Erwartet werden dafür eigenständige Leistungen auf höchstem Niveau, die das jeweilige Gebiet substantiell voranbringen. Also: eigenständig, substantiell, höchstes Niveau. Ob diese drei Bedingungen tatsächlich vorliegen, stellt sich i.d.R. erst nach vielen Jahren heraus. Die Verfassung einer Doktorarbeit unter inhaltlicher Anleitung und Unterstützung des Doktorvaters reicht dafür nicht aus. Hier fehlt (mittlerweile) in der Regel die Eigenständigkeit. Auch 2 Jahr post doc Frist nicht. Ob die Person tatsächlich in der Lage ist, eigenständig substantielle Ergebnisse zu erzielen, stellt sich i.d.R. erst viele Jahre nach der Promotion heraus. Warum? Weil es i.d.R. lange dauert, substantielle Probleme zu lösen. Und es dauert nicht deswegen lange, weil es VIEL Arbeit ist, sondern weil es eine SCHWIERIGE Arbeit ist, und man evtl monatelang nachdenken muss, bevor man die erste gute Lösungsidee bekommt. Ob man diese Idee überhaupt bekommt, ist keine Frage von Fleiss und Disziplin. Sondern von Talent auf höchster Stufe. Fleiss und Disziplin sind hilfreich, weil sie einen durchhalten lassen, mehr aber auch nicht. Ob dieses Talent vorliegt, weiss man also erst relativ spät. Das ist die Unsicherheit, um die es geht, und die den betroffenen Mitarbeitern einmal in aller Deutlichkeit erklärt werden sollte. Das tun viele Kollegen leider nicht, sondern schüren sogar noch die Hoffnungen ihrer Mitarbeiter, weil es so bequemer ist.

  • #4

    Hannes (Mittwoch, 17 Mai 2023 01:31)

    Solche Unimitarbeiter, Profs sind machthungrig. Sie wollen nicht, dass #ichbinhanna mehr Macht bekommt.
    Ich bin überzeugt: Entmachtet man diese Leute, indem man ihnen das Geld und Arbeitgeberrechte wegnimmt, Hannas Chef wäre jemand anderes, dann wäre das besser.
    Forschungsfreiheit haben sie immer noch, sie können selbst im Labor stehen, um zu forschen. Selbst Schuld.

  • #5

    oh je (Mittwoch, 17 Mai 2023 12:53)

    @Hannes: tja, für manche Leute reduziert sich das ganze Leben einzig zu einer Frage von Machtverhältnissen. Ein wenig arg simpel, diese Sicht auf die Dinge, finden Sie nicht?