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Dreimal Misstrauen

BAföG, Wissenschaftsfinanzierung, Digitalpakt 2.0: BMBF-Chefin Stark-Watzinger sieht sich nach dem Haushaltsentwurf für 2024 mit Vorwürfen und Sorgen konfrontiert. Sie reagiert mit Klarstellungen.

Bettina Stark-Watzinger. Foto: Matti KarstedtCC BY-SA 4.0.

FÜR BMBF-CHEFIN Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist die Situation paradox. Einerseits hat sie sich in den Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2024 immerhin so gut geschlagen, dass sie bis zum Kabinettsbeschluss in der Forschung harte Einschnitte vermeiden konnte. Andererseits hat sie dafür so massive Abstriche beim BAföG-Titel machen müssen, dass ein Aufschrei der Empörung durch die Hochschulszene hallte. Schließlich sah die Ministerin sich sogar zu einer Klarstellung per Twitter veranlasst, dass alle BAföG-Berechtigten auch in Zukunft ihre gesetzlichen Leistungen in vollem Umfang erhalten würden. "Anderslautende Behauptungen treffen nicht zu, entsprechende Darstellungen weise ich zurück."

 

Zu dem eigentlichen Problem sagte sie freilich nichts: Durch die massiven Kürzungen beim BAföG stehen jeder weitere Inflationsausgleich und erst recht die dringend notwendige (und im Koalitionsvertrag versprochene) Reform bestenfalls noch in den Sternen. Laut Matthias Anbuhl, dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Studierendenwerks, nicht einmal mehr dort. "Die Bundesregierung lässt das BAföG ausbluten", sagte Anbuhl der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.

 

Doch selbst bei den Nutznießern der haushaltspolitischen Weichenstellungen schleicht sich Misstrauen ein: Die außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG erhalten auch 2024 wie jedes Jahr ihr garantierten drei Prozent Aufwuchs. Zusammen mit dem Zukunftsvertrag für die Hochschulen und der Exzellenzstrategie steigt ihr Anteil am insgesamt schrumpfenden BMBF-Haushalt damit auf deutlich über 50 Prozent. Wann, fragen sich manche bei Max Planck, Helmholtz & Co, wird der politische Druck zu groß fürs Ministerium, Einschnitte an den sogenannten Wissenschaftspakten vorzunehmen? Wenn doch gleichzeitig andere Vorhaben und Programme gar nicht mehr oder nicht mehr ausreichend finanziert werden können?   

 

Der Bund stehe zu den gemachten
Vereinbarungen, sagt das BMBF

 

Fragen und Sorgen, die sich, wenig verwunderlich, die Opposition im Bundestag demonstrativ zu eigen gemacht hat. Er finde es "besorgniserregend, dass sich die Bundesregierung beim Pakt für Forschung und Innovation und beim Zukunftsvertrag Studium und Lehre nicht mehr klar und deutlich zu den versprochenen Aufwüchsen in Höhe von drei Prozent pro Jahr bekennt, sondern nur noch von jährlichen Aufwüchsen spricht", sagt CDU-Wissenschaftspolitiker Thomas Jarzombek. Er erwarte von der Ministerin, "dass sie uns zügig darlegt, wie die Pakte in der mittelfristigen Finanzplanung haushälterisch hinterlegt sind".

 

Woraufhin jetzt die nächste Klarstellung aus dem BMBF folgt. Das Ministerium stehe zu den mit den Ländern vereinbarten jährlichen Steigerungen für den Pakt für Forschung und Innovation und für den Zukunftsvertrag, sagte ein Sprecher von Stark-Watzinger auf Anfrage. Diese seien auch Bestandteil des Koalitionsvertrags, und im aktuellen Regierungsentwurf für den Haushalt 2024 seien die Steigerungen bereits berücksichtigt. "Für die Haushalte der nachfolgenden Jahre wird das BMBF die entsprechenden Steigerungen – wie bisher – auch künftig einbringen."

 

Was natürlich stimmt – andererseits fiel das Einbringen der Steigerungen bei einem über viele Jahre teilweise deutlich wachsendem Ministeriumshaushalt bedeutend leichter. 

 

Interessant übrigens, dass das BMBF mit dem Koalitionsvertrag argumentiert. Dieser verspricht nämlich auch ein "grundlegend reformiertes BAföG" in der laufenden Legislaturperiode. Und einen "Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030".

 

Länder laden kurzfristig zur
Digtalpakt-Pressekonferenz

 

Schon länger zeichnete sich allerdings ab, dass letzterer aus Haushaltsgründen nicht nahtlos an den bis Mai 2024 laufenden Digitalpakt 1.0 anknüpfen wird (2024 ist dafür kein Euro vorgesehen). Aber kommt er überhaupt? Wie beim BAföG und bei den Wissenschaftspakten schlägt Stark-Watzinger auch hier ein wachsendes Misstrauen entgegen, in diesem Fall aus den Ländern und konkret von den Kultusministern. "Will sie die Fortsetzung insgesamt beerdigen?", fragten sie in den vergangenen Monaten immer direkter. Der Bund habe die Verhandlungen um eine Fortsetzung über Monate verschleppt. "Wir können uns nicht vorstellen, dass der Digitalpakt 2.0 nicht kommt", sagte zuletzt etwa Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, der die SPD-regierten Kultusministerien koordiniert. "Das wäre ein derartiges Desaster für die Schulbildung, für die Digitalisierung in Deutschland insgesamt."

 

Einer Umfrage von Table.Media zufolge haben die Länder inzwischen die fünf Bundesmilliarden des ursprünglichen Basis-Digitalpakts (die 1,5 Extra-Milliarden für Schüler- und Lehrergeräte sowie Systemadministratoren kamen später) nahezu vollständig verplant. 

 

Für heute Mittag haben KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch (CDU), Hessens Bildungsminister Alexander Lorz (CDU) und Hamburgs Bildungssenator Rabe jetzt überraschend eine Online-Pressekonferenz angesetzt, Thema laut Einladung: "Sorge der Länder über die ausbleibende Zusage für die Weiterführung des Digitalpakts Schule". 

 

Es sieht so aus, als müsste Bettina Stark-Watzinger schon bald die nächste Klarstellung vornehmen. Hoffentlich tut sie es.  

 

Update am 12. Juli, 13.30 Uhr:

Meinen Bericht zur KMK-Pressekonferenz und zur vorweggenommenen Erwiderung Bettina Stark-Watzingers finden Sie hier


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Kommentare: 1
  • #1

    Karl-Heinz Reith (Mittwoch, 12 Juli 2023 09:56)

    Bei allem Desaster der aktuellen Sparpolitik im BMBF-Haushalt: Sind die Digitalisierung im Schulwesen, die Schaffung von besseren Bildungsstartchancen für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, Reformprojekte zur Lehrerausbildung nicht alles rein originäre Länderaufgaben? Der Bund soll nur zahlen, mitreden oder mitmachen etwa bei einem Bildungsrat darf er nicht.