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20 Prozent weniger Promotionsstipendien?

Das BMBF hat den Begabtenförderungswerken erlaubt, nach sieben Jahren ihre Fördersätze zu erhöhen. Mehr Geld sollen sie dafür aber nicht erhalten. Bleibt es dabei, dürfte die Zahl der Stipendiaten deutlich sinken.

Doktorandin im Labor (Symbolbild). Foto: Katherine Stember, CC BY 4.0.

FÜR AKTUELLE STIPENDIATEN ist es eine gute Nachricht. Erstmals seit 2016 erhöht das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Höhe Promotionsstipendien der 13 Begabtenförderungswerke, und das kräftig. Die Sätze sollen in drei Stufen bis 2025 um insgesamt 300 auf 1.650 Euro klettern, plus wie bislang 100 Euro Forschungskostenpauschale. Auch die Regelförderungszeit soll steigen. Derzeit liegt sie bei zwei Jahren und kann um bis zu ein Jahr verlängert werden. Künftig sollen es in der Regel drei Jahre sein zuzüglich einer Verlängerungsmöglichkeit um sechs Monate.

 

Die Anhebung der Sätze nach sieben Jahren sei dringlich, um die Stipendien attraktiv und konkurrenzfähig zu halten, und daher von allen Begabtenförderungswerken gefordert worden, sagt Annette Julius, die Generalsekretärin der Studienstiftung des deutschen Volkes. Die Stipendienlaufzeiten seien gar seit Jahrzehnten nicht angepasst worden.

 

Allerdings hat die Sache einen gewaltigen Haken. "Angesichts der angespannten Haushaltslage ist es jedoch leider nicht möglich, für diese Änderungen zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen", bestätigt eine BMBF-Sprecherin. "Die Anpassungen werden daher in Rücksprache mit den Begabtenförderungswerken vollständig aus dem bisherigen Korridor der Promotionsförderung finanziert."

 

Bekannt geworden war die Erhöhung der Sätze ohne gleichzeitige Kompensation für die Begabtenförderungswerke durch eine parlamentarische Anfrage der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, die das Vorgehen des BMBF denn auch als "fatal" bezeichnete. Zuerst hatte der Newsletter ZEITWissen 3 darüber berichtet. 

 

Besser dotierte Stipendien
gleich weniger Stipendien

 

Die mathematische Gleichung ist dabei in der Tat simpel: Besser dotierte und längere Stipendien bei einem gleichbleibenden Budget für die Förderungswerke bedeuten weniger neue Stipendiaten. Schießt das BMBF nichts nach, würden die Werke die Zahl ihrer Geförderten in den kommenden drei Jahren um zwischen 15 bis 20 Prozent absenken müssen, so geht es aus ihren internen Berechnungen hervor. Was bei insgesamt über 4.000 Promotionsstipendiaten mittelfristig auf rund 600 bis 800 Personen weniger hinausliefe.

 

Ein Deal, auf den sich die Förderungswerke vermutlich nur zähneknirschend eingelassen haben. Aber am Ende bewerteten sie die so lange überfällige Erhöhung der Sätze als alternativlos angesichts einer Geldentwertung um schon jetzt ein Sechstel seit 2016. Monika Grütters, Berichterstatterin für Begabtenförderung der CDU/CSU-Fraktion, kommentierte in ZEITWissen 3, das BMBF wolle offensichtlich "weniger Promovierende unterstützen und die nur mit ganz kleinem zusätzlichem Geld".  

 

Dem hält das BMBF entgegen, mit der Erhöhung stärke man die Begabtenförderung," indem wir die Promotionsstipendien als zentrales Instrument zur Qualifikation des wissenschaftlichen Spitzennachwuchses wieder wettbewerbsfähiger machen".

 

Die Frage, wie die gleichzeitig notwendige Absenkung der Neubewilligungen zu dem erklärten Ziel der Bundesregierung passt, die Zahl der Stipendiaten weiter zu erhöhen, lässt die Ministeriumssprecherin derweil unbeantwortet. Ebenso die Frage, ob das BMBF den Werken zumindest mittelfristig mehr Geld überweisen wolle zur Finanzierung der höheren Sätze – worauf die Begabtenförderungswerke offenbar hoffen. Das Haushaltsaufstellungsverfahren für das Jahr 2024 dauere an und werde nach der Sommerpause mit den Beratungen im Bundestag fortgesetzt, lautet hierzu die wenig aussagekräfte Antwort aus dem Ministerium. Das gelte auch für die mehrjährige Finanzplanung. "Insofern bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir uns zu einzelnen, haushaltsrelevanten Vorhaben, die noch der abschließenden Diskussion bedürfen, momentan nicht äußern können."

 

Die Studienkostenpauschale für Studierende
wurde seit 2013 nicht erhöht

 

Im Haushaltsentwurf, den das Bundeskabinett Anfang Juli beschlossen hat, kann man freilich nachlesen, dass nach dem Willen der Bundesregierung alle Begabtenförderungswerke zusammen 2024 342,9 Millionen Euro an Zuschüssen erhalten sollen – exakt so viel wie 2023. Trotz sechs, sieben Prozent Inflation.

 

Was unter anderem dazu führt, dass die Mehrheit der gut 30.000 von den Werken geförderten Studierenden auch künftig mit einer Studienkostenpauschale auskommen müssen, die seit 2013 unverändert bei 300 Euro liegt. Für sie ist keine Erhöhung vorgesehen. Besser stehen immerhin alle BAföG-berechtigten Stipendiaten da, weil sich die Berechnung ihrer Grundstipendien an die Ausbildungsförderung anlehnt, sie also abhängig von ihrer eigenen finanziellen Situation und der ihrer Eltern genauso von der kürzlichen Erhöhung profitieren.

 

Unterdessen sollen die Promotionsstipendien von Oktober 2023 an zunächst um 100 Euro steigen, im Herbst 2024 und Herbst 2025 dann jeweils um weitere 100 Euro. Die schrittweise Anhebung helfe, die gleichzeitig nötige Absenkung der Gefördertenzahlen in verträglicher Weise umsetzen zu können, sagt Studienstiftung-Generalsekretärin Julius.

 

Frust über baldiges Ende der
Corona-Verlängerungsmöglichkeiten

 

Weniger öffentliche Beachtung als die Erhöhung der Sätze und Laufzeiten für Promovierende hat unterdessen die Ankündigung aus dem Bundesbildungsministerium gefunden, die Corona-Kompensation für die Stipendiaten schon von Oktober 2023 an auslaufen zu lassen. Unter Betroffenen verursacht die Entscheidung allerdings Frust.

 

Seit Mai 2020 durften die Begabtenförderungswerke die Stipendien zunächst um bis zu sechs Monate verlängern, falls die Promovierenden Corona-bedingte Verzögerungen glaubhaft machen konnten. Seit März 2021 konnten nach individueller und laut Förderungswerken strenger Prüfung sogar bis zu zwölf Monate drangehängt werden. Das ändert sich jetzt: Bis einschließlich September sind der vom BMBF verkündeten Regelung zufolge noch Verlängerungen um bis zu zwölf Monate möglich, bis einschließlich Juni 2024 dann noch um bis zu sechs Monate. 

 

Promovierende berichten von konkreten Einschränkungen. So rechnet ein Stipendiat vor, er sei im April 2021 in die Förderung aufgenommen worden – mitten hinein in den Lockdown seiner Universität. Seine Corona-bedingte Verzögerung beziffert er auf neun Monate, "eine gänzlich und durchgehend einschränkungsfreie Arbeit war sogar erst nach 22 Monaten möglich." Doch ende sein Stipendium inklusive der pauschal gültigen sechs Monate Verlängerung nun Ende September 2024. "Danach ist Schluss für mich, ein pandemiebedingter Verlängerungsantrag nicht mehr möglich."

 

Studienstiftung:
"Eine faire Regelung"

 

Doch war der jetzt verkündete Zeitplan offenbar schon ein Zugeständnis an die Förderwerke, eigentlich habe das BMBF die Verlängerungen noch früher abschneiden wollen, ist aus den Förderwerken zu hören. Tatsächlich verweist das BMBF darauf, dass die bundesweiten Corona-Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz bereits im April 2023 außer Kraft getreten seien, die besonderen Corona-Regelungen fürs BAföG gar schon im Frühjahr 2022. 

 

Vor dem Hintergrund sagt auch Studienstiftungs-Generalsekretärin Julius, dass es sich "aus unserer Sicht um eine faire Regelung" handle. Zumal parallel zum schrittweisen Abbau der Corona-Kompensation die Laufzeiterhöhung für alle um ein zusätzliches halbes Jahr greife. 

 

Insgesamt haben die Studienstiftung seit 2020 gut 300 Anträge auf eine pandemiebedingte Verlängerung erreicht. Über alle diese Anträge hinweg habe die zusätzlich bewilligte Förderdauer bislang im Schnitt bei 4,5 Monaten gelegen – wobei je nach Einzelfall die gesamte Bandbreite zwischen einem und zwölf Monaten ausgeschöpft worden sei.


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Kommentare: 3
  • #1

    Johannes (Mittwoch, 09 August 2023 09:22)

    Mathematik ist doch eine gute Wissenschaft, weil manche Aussagen dann eigentlich nicht diskutiert werden müssen: Danach bedeuten höhere Stipendien logischerweise weniger Stipendien. Und keine Erhöhung seit 2016 bedeutet rechnerisch eine spürbare Absenkung. Ein langsames Austrocknen des Promotionswegs Stipendien (bei MPG, DFG etc. gibt es schon länger keine mehr) ist doch zahlenmäßig nachweisbar der Trend - egal wie man ihn bewertet. Und die Verlängerung der Laufzeit folgt ebenso der allgemeinen Anpassung an die realen Promotionszeiten. Insgesamt muss die Promotionsfinanzierung angesichts der demografischen Entwicklung von der Höhe und Lände der Finanzierung attrativer werden, wenn Promotion eine attraktive Option nach dem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss sein soll ("soll" nicht im normativen Sinn, sondern weil die Hochschulen sonst ihre Forschung und Lehre nicht abgearbeitet kriegen). Aus meiner Sicht ist das alles keine höhere, sondern recht einfache Mathematik. Trotzdem gibt es vielleicht ein Diskussiönchen im Wassergläschen, bei einem in den letzten zwanzig Jahren deutlich unbedeutender gewordenen Thema...

  • #2

    Evi (Sonntag, 13 August 2023 11:33)

    Viel dramatischer ist eigentlich die Situation der Promotionsstipendiaten, in Bezug auf die restriktiven Arbeitszeitgrenzen des BMBF. Wer neben der Promotion einer Tätigkeit nachgehen will (die in den meisten Fällen auch promotionsrelevant ist), darf nur fünf Wochenstunden arbeiten. Wenn diese Regelung abgeschafft werden würde, dann könnte das BMBF sofort viele Promotionsstipendiaten entlasten, ohne auch nur einen Cent mehr ausgeben zu müssen.

  • #3

    Brain Drain Dieter (Dienstag, 15 August 2023 23:28)

    Nach der Lektüre des gründlich recherchierten Artikels bleibe ich doch etwas ungläubig zurück. Um 300 Euro sollen in den nächsten 3 Jahren die Fördersätze für Promotionstipendiaten steigen um wettbewerbsfähig zu bleiben. Was nach einer saftigen Erhöhung klingt, zerbröselt wie der sprichwörtliche Keks, wenn man bedenkt, dass die Inflation alleine bei knapp 7% liegt und Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung, nach der Erhöhung im letzen Jahr, weiter steigen sollen (Promotionsstipendiaten müssen sich selbst in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichern, da fallen schon Mal 250 bis 300 € monatlich weg). Wenn man ausserdem bedenkt, dass Promotionstipendiaten weder in die Arbeitslosen- noch Rentenkassen einzahlen (da das Stipendium keine Anstellung bedingt), wird der ein oder andere sich wundern, dass nach dem Ende der marginal verlängerten Laufzeit, im Falle das es mit dem PostDoc nicht nahtlos kappt, nicht etwa ALG 1 wartet, sondern direkt das Bürgergeld. Die verlorenen Beitragsjahre und was das in Bezug auf die mögliche Rente bedeutet führe ich jetzt mal gar nicht aus. Kurzum, natürlich kann von wettbewerbsfähigkeit gar keine Rede sein.

    Das es auch anders geht macht das EU Ausland schon lange vor. Doktoranden in den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Norwegen und der Schweiz, um nur ein paar alternative Bildungssysteme zu nennen, werden ordentlich entlohnt, zahlen in Sozialsysteme ein und das Renomee der dortigen Universitäten ist oftmals gleichwertig, wenn nicht sogar höher als beim deutschen Pendant. In diesem Sinne kann man den zukünftigen Promovierenden nur anraten dringend die Biege aus dem unterfinanzierten deutschen Bildungssystem zu machen und die akademische Karriere anderswo fortzuführen.