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Was auf dem Spiel steht

Am Mittwoch soll es weitergehen mit den Startchancen-Verhandlungen. Die Zeit drängt, und die Gereiztheit nimmt wieder zu.

AM MITTWOCHNACHMITTAG ist wieder die Bund-Länder-Verhandlungsgruppe von fünf Staatssekretären verabredet, um über das "Startchancen"-Programm für benachteiligte Schüler und Schulen weiterzuverhandeln, voraussichtlich per Videokonferenz. Es soll eigentlich eine richtungsweisende Runde werden, denn die Zeit drängt: In zwei Wochen treffen sich die Amtschefs der 16 Kultusministerien, dann müssten sie die Eckpunkte einer Einigung fixieren, damit die Minister von Bund und Länder sie im Oktober offiziell beschließen können. 

 

Über die Sommerpause hatte sich die zuvor öffentlich ausgetragene Gereiztheit zwischen Bund und Ländern beruhigt. Doch jetzt dämpfen Signale, die KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch am Vortrag der Sitzung per Tagesspiegel-Interview in Richtung BMBF sendete, erneut den Optimismus. Die CDU-Politikerin, im Hauptjob Bildungssenatorin in Berlin, wirft dem von Bettina-Stark-Watzinger (FDP) geführten Bundesbildungsministerium im Finanzstreit mit den Ländern eine "Hinhaltetaktik" vor. 

 

Ihrer Meinung nach sei das Angebot der Länder, fünf Prozent der Bundesgelder nicht über den Königsteiner Schlüssel zu verteilen, das letzte Wort, betont Günther-Wünsch. Auf dieses Modell hätten sich die 16 Länder geeinigt, außerdem gebe es nur minimale Unterschiede zu dem vom Bund gelegten Modell, die noch dazu nur einzelne Länder beträfen. "Es wäre nicht zielführend, deshalb mit 16 Bundesländern noch einmal in die Debatte zu gehen." Stattdessen wollten die Länder über Inhalte sprechen, "darüber, wie das Geld auf die drei Säulen aufgeteilt wird, und über das Thema Kofinanzierung. Damit wir gemeinsam das, was die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen hat, 2024 endlich ins Laufen bekommen."

 

Was Günther-Wünsch nicht sagt: Die einzelnen Länder, die mit dem Bundesmodell ein großes Problem hätten, sind zuvorderst Bayern und Sachsen, weil sie wegen ihrer vergleichsweise niedrigen Armutsquoten dann mehr abgeben müssten. Die vier auf Länderseite verhandelnden Staatssekretäre stehen aber vor der Herausforderung, Anfang September alle 16 Amtschefs ins Boot zu holen. Vor dem Hintergrund erregt man sich vor allem auf CDU-Seite, es sei nicht hilfreich, dass der Bund versprochene Vorlagen und Finanzberechnungen bislang schuldig geblieben sei.

 

BMBF: Äußerungen von Günther-Wünsch
nicht mit der Verhandlungsgruppe abgestimmt

 

Auf Nachfrage heißt es aus dem BMBF, man befinde sich "in guten und konstruktiven Verhandlungen" mit den Ländern. Es gebe den gemeinsamen Willen, dass das Startchancen-Programm pünktlich zum Schuljahr 2024/25 starten könne. "Die Äußerungen von Frau Günther-Wünsch sind weder mit der Verhandlungsgruppe der Länder abgestimmt noch geben sie den Verhandlungsstand wieder."

 

Eine endgültige Einigung steht derweil nicht nur beim Verteil-Mechanismus aus, sondern (damit verbunden) auch bei der finanziellen Gewichtung der drei geplanten Programmsäulen – und ebenso bei der Frage der vom Bund gewollten Befristung der Mittelauszahlung auf zunächst drei Jahre, um nach einer Zwischenevaluation Änderungen vornehmen zu können. Auch muss final geklärt werden, wie die Förderung zwischen Grundschulen und weiterführende Schularten aufgestellt wird. Gesprochen wird zudem noch über die vom Bund geforderte 50-Prozent-Kofinanzierung durch die Länder – und was sie hierfür geltend machen können. Mehrere Länder, darunter Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, bereits mit den "Startchancen" vergleichbare eigene Förderprogramme, während andere Länder sich in dem Bereich bislang nicht engagiert haben.

 

Schließlich müssen BMBF und KMK sich auf die rechtliche Umsetzung des Programms einigen. Zur Diskussion stehen eine Verwaltungsvereinbarung oder ein sogenanntes Artikelgesetz. Wobei letzteres vom Bund offenbar bevorzugt, von vielen Ländern aber abgelehnt wird aus Furcht, seine Verabschiedung könnte weitere Monate kosten und zudem die Augenhöhe in einem hälftig vom Bund und den Ländern finanzierten Programm beseitigen. Weil dann die Zustimmung des Bundestages zur Voraussetzung werde, aber nicht die der einzelnen Länderparlamente. 

 

Stimmungsunterschiede
auf der Länderseite 

 

Hört man genau hin, stellt man freilich im Länderlager Stimmungsunterschiede fest zwischen SPD- und unionsgeführten Kultusministern. Grundsätzlich ist auf der sogenannten A- (der SPD-) Seite der Optimismus größer, dass die Eckpunkte bis zur Amtschefskonferenz Anfang September vorbereitet und dann dort beschlossen werden könnten. Allerdings gehören Bayern und Sachsen auch zur B-Seite, und in Bayern wird noch dazu demnächst gewählt.

 

Entsprechend warf der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, den CDU-geführten Kultusministerien im Tagesspiegel vor, sie wollten "ihre subjektiven Interessen gegenüber dem Bund durchsetzen", statt an einem fairen Miteinander von Bund und Ländern zu arbeiten. "Das stört die Verhandlungen über gemeinsame Bund-Länder-Programme und gefährdet letztlich weiter die Akzeptanz des Bildungsföderalismus."

 

Offizielles aus der Fünfer-Verhandlungsgruppe von Bund und Ländern hört man derweil nichts. Man hat Vertraulichkeit vereinbart. Zu viel stehe auf dem Spiel, heißt es. 


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