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Die Neue

Die KI-Expertin Tina Klüwer soll die Vakanz an der Spitze der BMBF-Innovationsabteilung beenden. Eine gute und interessante Personalentscheidung von Forschungsministerin Stark-Watzinger.

SEIT ANFANG JUNI ist die Leitung der Innovationsabteilung im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unbesetzt. Damals hatte BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Informatikerin Ina Schieferdecker von einem Tag auf den anderen abberufen, ohne eine Nachfolge in der Hinterhand zu haben. Vor sechs Wochen hatte die Pressestelle des Ministeriums dann auf meine Anfrage hin mitgeteilt, die Nachbesetzung sei "derzeit in Vorbereitung und soll in Kürze erfolgen". 

 

Wie zuerst mein Kollege Manfred Ronzheimer im Tagesspiegel Background berichtete, ist jetzt klar, was mit "in Kürze" gemeint war: Die KI-Expertin Tina Klüwer, aktuell Leiterin des Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrums (K.I.E.Z.) in Berlin, soll zum 1. Dezember die Führung der Abteilung 5, "Forschung für technologische Souveränität und Innovationen" übernehmen, teilte Stark-Watzinger am Mittwoch in einer Mail an alle BMBF-Mitarbeiter mit. Was bedeutet, dass diese strategisch so wichtige Position am Ende ein halbes Jahr lang vakant gewesen sein wird.

 

Auf der Habenseite kann die Ministerin verbuchen, dass die promovierte Computerlinguistin Klüwer einen ausgezeichneten Ruf in der Tech-Szene genießt – und einen interessanten Werdegang vorweisen kann. Neben der Computerlinguistik studierte sie Philosophie und Germanistik, sie sammelte erste wissenschaftlich-berufliche Erfahrungen beim Language Technology Lab des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). 2015 wurde sie Mitgründerin und Geschäftsführerin von "parlamind", einem Startup, dessen Hauptprodukt als "Künstliche Intelligenz für den Kundenservice" beschrieben wird, "die die Kundenkommunikation analysiert, vorverarbeitet und selbstständig beantwortet und sich so als Teammitglied in den Kundenservice integriert". 2021 wurde "parlamind" von der 4TechnologyGroup übernommen. 

 

Erfreulich ist auch, dass Stark-Watzinger mit Klüwer eine nicht-politische Personallösung gewählt hat. Im vergangenen Dezember hatte Überraschung verursacht, dass sie Stefan Müller zum Leiter der Nachhaltigkeitsforschungs-Abteilung ernannt  hatte, zu dem Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion in Hessen, wo Stark-Watzinger Partei-Landesvorsitzende ist. Müllers Landtagsthemen bis dahin: Innenpolitik, Sport und Verwaltungsreform. Manche Beobachter hatten deshalb nach der plötzlichen Abberufung Schieferdeckers vermutet, hier könnte der nächste Parteifreund Stark-Watzingers folgen.

 

Sie habe die Absicht, die bislang von Schieferdecker geführte Abteilung "inhaltlich und personell neu aufzustellen", hatte die Ministerin im Juni in einer BMBF-Mitarbeitermail erklärt, verbunden mit einem vagen Hinweis auf das "zweite Jahr der Zeitenwende". Und war dann über Monate die Antwort schuldig geblieben, was genau sie damit meinte.

 

So groß erscheinen die Unterschiede zwischen Klüwer und ihrer Vorgängerin nun auf den ersten Blick zwar nicht: Schieferdecker ist Informatikerin, war Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme und Gründungsdirektorin des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft. Doch fällt der starke KI-Bezug bei Klüwer natürlich ins Auge. Deutet sich an der Stelle auch die inhaltliche Neuaufstellung der Abteilung an?

 

Ende August hatte die Ministerin mit dem sogenannten Aktionsplan 2023 ein Update der KI-Strategie der Bundesregierung vorgestellt, allerdings zunächst nur in einer Zusammenfassung. Im September hatte das BMBF dann in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion ausgeführt, für welche Maßnahmen insgesamt 1,6 Milliarden Euro fließen sollen. Woraufhin das Handelsblatt berichtete, in der Branche herrsche Enttäuschung und laut Ministerium stünden nur 352 Millionen Euro für "neue Bewilligungen" zur Verfügung, über fünf Jahre verteilt. Auf weitere Details des Aktionsplans wartet die Szene noch.

 

Stark-Watzinger selbst hob in ihrer Mitarbeiter-Mail am Mittwoch auch Klüwers Kompetenz "für den weiteren Auf- und Ausbau einer transferorientierten Forschungspolitik“ hervor, dafür sei diese "die ideale Besetzung". Beauftragter im BMBF für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft ist der parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg, der durch Klüwer eine dringend benötigte Unterstützung bekommen dürfte.

 

Und hier zeigt sich dann die zweite, interessant andere Nuancensetzung: Hatte Schieferdecker ihre Karriere als Forscherin mit Anwendungsbezug gemacht, ist es bei Klüwer umgekehrt: Sie ist eine Anwenderin mit Forschungsbezug, die bei dem von den Berliner Universitäten gegründeten K.I.E.Z in den vergangenen Jahren Dutzende Startups im KI-Bereich unterstützte. 

 

Als Themen, bei denen sie sich aus der Abteilung 5 zahlreiche neue Impulse erwarte, nannte Stark-Watzinger neben der KI zudem explizit das Supercomputing und die Quantentechnologie.

 

Apropos Personalien: Zuletzt hatte das Handelsblatt berichtet, dass die Volkswirtin Stark-Watzinger selbst neben weiteren Kandidaten für einen anderen Job gehandelt werde: als Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Favorisiert sei allerdings noch niemand. Reine Spekulation, lautete der Kommentar aus Stark-Watzingers Umfeld.


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Kommentare: 1
  • #1

    Aspergillus (Donnerstag, 12 Oktober 2023 08:39)

    Die Vita von Frau Klüwer ist ja echt ein Fang fürs BMBF und Ministerin Stark-Watzinger, und auch, erneut eine Frau für den Job angeworben zu haben. Allerdings hat die Abteilung 5 ja viel viel mehr Themen als „nur“ KI. Eine ausgewiesene Expertin für genau eines dieser vielen Themen an die Spitze zu setzen, auch wenn es ein Querschnittsthema wie KI ist, muss nicht gutgehen. Da ist ein Risiko, dass sie „ihr“ Thema bevorzugt (vielleicht auch unterbewusst) oder auch nur so wahrgenommen wird, wie auch das Risiko, dass sie die KI etwas stiefmütterlich behandelt, um sie nicht zu bevorzugen und weil sie sich erstmal in die Breite einarbeiten muss. Und auch eine Abteilungsleitung von außen, also so ganz ohne Verwaltungserfahrung, muss nicht gutgehen. Mehr Startup-Kultur würde einer Behörde sicher guttun, und erst recht dieser Abteilung in diesem Ministerium; aber die Beharrungskräfte sind doch groß, die Besitzstandswahrer wird es auch dort geben, und in Ministerien sind die Abhängigkeiten von anderen Abteilungen ebenso groß, die ganz viel ausbremsen können (über grundlegende Strategien, über zentral vorgegebene Prozesse wie über Haushalts- und Personalressourcen). Frau Schieferdecker hatte im Prinzip ganz ähnlich gute Voraussetzungen. Es bleibt zu hoffen, dass Frau Klüwer jetzt dauerhafte positive Impulse geben kann.