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Haushaltsausschuss verlangt vom BMBF Programm zum Ausbau von Dauerstellen in der Wissenschaft

Mit den Stimmen aller Koalitionsfraktionen pocht das Gremium auf die Umsetzung eines Ampel-Versprechens und setzt Ministerin Stark-Watzinger unter Druck: Sie soll bis Ende September 2024 über den Fortgang berichten.

DER HAUSHALTSAUSSCHUSS des Bundestages macht Druck auf Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). In einem sogenannten Maßgabebeschluss, den alle Ampelfraktionen, auch die FDP, mittrugen, hat das einflussreiche Parlamentsgremium am Mittwochnachmittag das BMBF zum Handeln aufgefordert. Verlangt wird ein "Konzept für ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur", das Stark-Watzingers Ministerium gemeinsam mit den Ländern vorlegen soll. 

 

Hintergrund: Offenbar glauben die Haushaltspolitiker nicht daran, dass das BMBF von sich aus Anstalten macht, dieses im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltene Versprechen noch umzusetzen. Wörtlich hatten SPD, Grüne und FDP Ende 2021 angekündigt: "Mit einem Bund-Länder-Programm wollen wir Best-Practice-Projekte für 1) alternative Karrieren außerhalb der Professur, 2) Diversity-Management, 3) moderne Governance-, Personal- und Organisationsstrukturen fördern".

 

Der grüne Haushaltspolitiker Bruno Hönel, einer der Initiatoren des Maßgabebeschlusses, kommentierte auf Anfrage: "Da zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Konzept zu Dauerstellen im Mittelbau vorliegt und auch keine Entwicklungen erkennbar sind, mussten nun wir Abgeordnete im Haushaltsausschuss tätig werden."

 

Weiter heißt es in der heute beschlossenen Aufforderung ans BMBF, bei der Ausgestaltung des Konzepts sei "insbesondere auf die positive Erfahrung des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Schaffung zusätzlicher Tenure-Track-Professuren zurückzugreifen und die Einführung moderner Governance-, Personal- und Organisationsstrukturen sowie Diversity an den geförderten Einrichtungen zu unterstützen". Die Anleihen am Koalitionsvertrag sind somit eindeutig. 

 

Signal des parlamentarischen
Selbstbewusstseins

 

Zugestimmt hat neben den Ampelfraktionen laut noch unbestätigten Berichten die Linke, die Union soll sich demnach enthalten haben und nur die AfD dagegen gewesen sein.

 

Der Maßgabebeschluss ist nicht nur bemerkenswert, weil die Ampel-Abgeordneten damit ihre eigene Ministerin öffentlich unter Druck setzen. Sondern auch weil man die Aufforderung im Kontext der monatelangen Debatten um die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) sehen kann.

 

Das BMBF hatte am Ende einen Referentenentwurf vorgelegt, ohne in einem zentralen Punkt – den Befristungsregeln für Postdocs – den Konsens mit den Fraktionen von SPD und Grünen zu erreichen. Gespannt wartet die Wissenschaftsszene seitdem auf den Beginn der parlamentarischen Beratungen der WissZeitVG-Novelle und mögliche Abweichungen vom BMBF-Aufschlag. Auch wenn das heute geforderte Bund-Länder-Programm in keinem direkten Zusammenhang mit dem WissZeitVG steht: Man kann es als Signal des parlamentarischen Selbstbewusstseins in der Debatte um bessere Karrierewege in der Wissenschaft verstehen. 

 

Eine entsprechende Intention bestätigt die SPD-Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar: "Unsere Erwartungen, dass es endlich mehr Entfristungen und verlässlichere Karrierewege gibt, sind hoch. Dafür wollen wir das WissZeitVG reformieren, dass wird alleine aber nicht reichen. Wir brauchen die Länder als Hauptzuständige für die Hochschulfinanzierung und wollen mit dieser gemeinsamen Bund-Länder-Vereinbarung beide Partner in die Pflicht genommen sehen. Wirklich besser werden kann es nur, wenn alle an einem Strang ziehen."

 

Die Probleme seien seit langem bekannt, sagt auch der Grünen-Abgeordnete Hönel. "Wissenschaftliche Stellen sind viel zu oft befristet oder projektbezogen, neben der Professur gibt es zu wenig Dauerstellen in Forschung und Lehre." Das erschwere nicht nur die Lebens- und Familienplanung, sondern verbrenne auch Potenziale und schadet damit auch der Wissenschaft insgesamt. "Wir wollen hier ein Stück weit mehr Sicherheit schaffen, auf positive Beispiele aus den Ländern aufbauen und einen Impuls für Veränderung geben, der Forscherinnen und Forscher sowie unser Wissenschaftssystem insgesamt stärkt." 

 

Wohlfeile Forderung an
ein Ministerium unter Spardruck?

 

Eine Reaktion des BMBF auf den Maßgabebeschluss lag auf Anfrage zunächst nicht vor (siehe dazu Aktualisierung am Ende des Artikels). Wie aber passt er  zur haushaltspolitischen Großwetterlage und einem Ministerium, das bereits jetzt unter einem hohen Spardruck steht (über den Etatentwurf 2024 hat der Haushaltsausschuss am Mittwoch ebenfalls abgestimmt, siehe unten)? Ist es nicht ein wenig wohlfeil, da von Stark-Watzinger auch noch höhere Ausgaben zu verlangen?

 

Die Parlamentarier setzten dem BMBF immerhin eine recht lange Frist zur Erfüllung ihrer Forderung: Bis Ende September 2024 muss das Ministerium laut Maßgabebeschluss "über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung" berichten. Was bedeutet: Selbst bei schnellstmöglicher Umsetzung würde der jetzt im parlamentarischen Verfahren befindliche Haushalt 2024 nicht mehr tangiert. Womit dem Ministerium aus Sicht der Haushaltspolitiker genug Zeit bliebe, in den Folgejahren das nötige Geld für das neue Programm durch Umschichtungen anderswo einzusparen.

 

Denn eines hat der Ausschuss nicht getan: dem BMBF zur Umsetzung mehr Budget in Aussicht zu stellen. Umgekehrt droht er aber bei Nichterfüllung bislang auch nicht mit der – sonst durchaus üblichen – Sperre von Geldern – wobei sich auch die Frage stellen würde, welche Haushaltstitel überhaupt in Haftung genommen werden könnten. 

 

So bleibt der am Mittwoch beschlossene Maßgabebeschluss haushaltspolitisch ein vergleichsweise stumpfes Schwert, aber wissenschaftspolitisch ist er eine Ansage: Die Ampel-Koalitionäre erwarten mehr von ihrer Bundesforschungsministerin.

 

Nachtrag am 12. Oktober

BMBF: Arbeiten bereits an Konzept

Am Nachmittag äußerte sich eine Sprecherin des BMBF zu dem Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses und versicherte, dass bereits ein Konzept erarbeitet werde. Mit dem Tenure-Track-Programm hätten Bund und Länder die Tenure-Track-Professur als eigenständigen Karriere im Wissenschaftssystem verankert. Mittlerweile seien 97 Prozent der 1.000 bewilligten Professuren eingerichtet und besetzt. Dem BMBF sei es auch weiterhin ein besonderes Anliegen, Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs planbarer und transparenter zu gestalten." Daher arbeite man derzeit an einem Konzept. "Die genaue Ausgestaltung befindet sich zur Zeit in der internen Abstimmung."

 

Ist damit aber auch ein Konzept für das geforderte konkrete Bund-Länder-Programm gemeint? Wenn dem so sein sollte, wäre das in der Tat eine Neuigkeit – auch für die Abgeordneten, die den Maßgabebeschluss gefasst hatten. Zugleich hieße das, dass das BMBF gar nicht so viel Zeit bräuchte, wie der Ausschuss ihm gegeben hat, sondern sehr viel früher in die konkreten Verhandlungen mit den Ländern einsteigen könnte. Die nächsten Monate werden zeigen, wie weit das BMBF tatsächlich schon ist.


Haushaltsausschluss stimmt BMBF-Haushalt zu

Mit den Stimmen der Koalition und nur minimalen Änderungen hat der Haushaltsausschuss am Mittwochnachmittag auch den Kabinettsentwurf für den BMBF-Haushalt 2024 durchgewunken.

 

Die Haushaltspolitiker erhöhten die Mittel für die Leseförderung um jeweils 2,3 Millionen Euro für die Jahre 2024 bis 2026. Außerdem soll der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) pro Jahr 3,0 Millionen Euro zusätzlich erhalten für seine neuen Fachkräfteprogramme "FIT" und "Profi plus", ebenfalls für die Jahre 2024 bis 2026. Einmalig eine Million mehr soll es 2024 für die Lithiumgewinnung in der Geothermie geben.

 

Keine Veränderung beschloss der Ausschuss etwa bei der vielkritisierten Kürzung des 

BAföG-Titels. SPD-Politikerin Esdar bekräftigte jedoch, dass dies keine Aufstecken ihrer Fraktion in der Sache bedeute. "Wir sehen, wie sehr die Lebenshaltungskosten auch bei den Studierenden gestiegen sind – darum braucht es dringend eine substantielle BAFöG-Novelle, die die weit überdurchschnittliche Inflation des letzten Jahres berücksichtigt." 

 

In den parlamentarischen Beratungen zum Einzelplan allerdings sei es zwar möglich, einzelne Akzente zu setzen. "Für eine Gesetzesänderung  mit einem so riesigen erforderlichen Volumen waren die Einzelplanberatungen von vornherein nicht der richtige Ort. Wer diese Erwartung hatte, dem kann ich nur sagen: Völlig unrealistisch."

 




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Kommentare: 1
  • #1

    Mathias Kuhnt (Freitag, 13 Oktober 2023 17:29)

    Schon allein das Ansinnen, "ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen" einzufordern, erscheint etwas paradox. Es stellt sich auch die Frage, was die positiven Erfahrungen beim Tenure-Track-Programm denn nun genau gewesen sind. Zugegebenermaßen ermöglichte es 1000 Wissenschaflter:innen gute Aussichten auf eine Dauerprofessur und das zu einem vorgezogenen Zeitpunkt. Diese 1000 Stellen sind jedoch bei ca. 190.000 wissenschaftlich Beschäftigten an deutschen Universitäten und davon wahrscheinlich ca. 70.000 Postdocs eher vernachlässigbar. Zusätzliche Professuren sind dadurch auch nicht entstanden, denn woher sollten die Hochschulen bei gleichen Haushaltsmitteln denn die Gelder dafür nehmen? Auch hat das Programm eher ein Strohfeuer entzündet als nachhaltig auf Personalstrukturen gewirkt. Eine Etablierung von Juniorprofessuren mit Tenure-Track konnte damit nicht erreicht werden. Bezogen auf das wissenschaftliche Personal machten Juniorprofessuren 2021 nur 0,8 Prozent aus, von denen wahrscheinlich der kleinere Teil mit einem Tenure-Track ausgestattet ist.

    Ein wirklich nachhaltiges Programm müsste daher dabei ansetzen, Anreize für einen dauerhaften Umbau der Personalstrukturen zu schaffen.

    Nachdem das BMBF nun also einen unabgestimmten Vorschlag zur Novellierung des WissZeitVG vorgelegt hat, der weiterhin ausufernde Befristungen im Hochschulbereich erlaubt und SPD und Grüne nun wahrscheinlich nicht in der Hochschulpolitik beginnen werden, sich gegen die FDP durchzusetzen, drängt sich der Eindruck auf, dass dieser Vorstoß eher dazu dient, das schlechte Gewissen einiger Parlamentarier:innen zu beruhigen.