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Sozial aufgeschlossen

Private Hochschulen haben ihre Studierendenzahlen innerhalb von 20 Jahren verzwölffacht. Warum das eine gute Nachricht für die Bildungsgerechtigkeit ist – und eine Herausforderung für die staatlichen Institutionen.

11,6 PROZENT DER STUDIERENDEN waren laut Statistischem Bundesamt im Wintersemester 2021/22 an einer privaten Hochschule eingeschrieben,  rund 342 600, zwölfmal so viele wie 20 Jahre zuvor. Die Institutionen, die sie besuchen, sind vergleichsweise klein: Die 116 Privaten machten 27 Prozent aller im HRK Hochschulkompass gelisteten Hochschulen aus, wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) vorrechnet. 67 von ihnen haben sogar weniger als 1000 Studierende.

 

Doch abgesehen davon, wie erstaunlich lang es mitunter in Deutschland dauert, bis bestimmte statistische Auswertungen vorliegen, eignen sich solche Zahlen nicht wirklich für empörte Debatten, und erst recht nicht zu solchen über scheinbar abgehobene Eliten. 

 

Das fängt schon damit an, dass es kaum private Universitäten gibt, weil deren Finanzierungsmodell fast nie nachhaltig ist. Klar existieren Hochschulen, die bezahlte Alternativen zu zulassungsbeschränkten Studiengängen in Medizin oder Psychologie bieten. Die sich junge Menschen mit dicken Geldbeutel eher leisten können. Doch vor allem erklärt sich der Erfolg der Privaten dadurch, dass sie sich meist auf die Lehre konzentrieren und es dabei sehr gut schaffen, Studierende in ihren – oft vom gedachten Mainstream – abweichenden Lebenslagen abzuholen.

 

Mütter und Väter, die in Teilzeit studieren; Berufstätige, die berufsbegleitend einen Abschluss erreichen wollen; aufstiegsorientierte Handwerker, die sich eine praxisnahe akademische Bildung wünschen; Erstakademiker, deren Eltern nicht studiert haben und die eine besondere Unterstützung beim Studieren brauchen, die sie an den großen staatlichen Universitäten vermissen. 

 

All das lässt sich mit Glück auch an staatlichen Hochschulen finden, aber seien wir ehrlich: In Zeiten rekordverdächtiger Studierendenzahlen dachten die großen Player bislang meist in Schema F und richteten sich, schon aus Ressourcenmangel, oft nicht an den Bedürfnissen der Nicht-Norm-Studierenden aus. Die, wenn man sie alle kombiniert, bald die Mehrheit unter den Erstsemestern stellen könnten. Was derzeit auch an vielen staatlichen Einrichtungen, Stichwort Rückgang der Studierendenzahlen, zum Nach- und Umdenken führt.

 

Noch aber gilt: Obwohl die Privaten sich über Studiengebühren finanzieren (die allerdings fast immer weit von britischen oder amerikanischen Verhältnissen entfernt sind) sind sie gerade bei Studierenden erfolgreich, die nicht das große Geld haben. Sie sind das Gegenteil einer finanziellen Elite. Aber sie haben große Ambitionen. 

 

Einen ebenfalls drastischen Anstieg berichtete das Statistische Bundesamt übrigens bei den Schülern privater Schulen. Hier liegen die Dinge allerdings anders. Hier müssen wir sehr wohl über Gefahren (und Realitäten) sozialer Exklusion sprechen. Dazu dann ein anderes Mal.

 

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Kommentare: 5
  • #1

    Hannah (Donnerstag, 26 Oktober 2023 11:42)

    Am Wochenende mit einer Person gesprochen, die an einer privaten amerikanischen Hochschule in Deutschland lehrt. Da die Uni von den hohen Studiengebühren der Studierenden lebt, müssen sich die Lehrenden sehr serviceorientiert verhalten. Im konkreten Fall heißt das offenbar: Am Ende dürfen auch den unvorbereiteten und offensichtlich nicht mitlernenden Studierenden nur Grades zwischen A und B gegeben werden, damit die Hochschulleitung den Dozenten nicht auf die Finger klopft. Ob die Privatisierung und Kommerzialisierung von Abschlüssen immer so sinnvoll ist, bezweifle ich.

  • #2

    Django (Donnerstag, 26 Oktober 2023 15:17)

    "Am Ende dürfen auch den unvorbereiteten und offensichtlich nicht mitlernenden Studierenden nur Grades zwischen A und B gegeben werden, damit die Hochschulleitung den Dozenten nicht auf die Finger klopft."

    Die Steigerung davon ist dann die Dean's List, d.h. Kinder von Sponsoren bestehen immer alles...

  • #3

    emob (Sonntag, 29 Oktober 2023 08:21)

    Meine Vorkommentatoren versammeln hier die üblichen Vorurteile der öffentlichen. Woher die selbsgerechte Annahme der unabhängigen Lehre und rigorosen Prüfung kommt, lässt einen alleine wenn man die Skandale der letzten Jahre der fehlerhaften und unzureichenden Promotionen, die so durchgewinkt wurden und werden von Prüfern und Zweitprüfern, schon wundern.
    Private Hochcschulen durchlaufen rigorose Akkreditierungen u.a. auch institutionelle Akkreditierungen (die öffentliche eben nicht durchführen müssen) durch den Wissenschaftsrat, der Prüfungsprozesse ziemlich genau unter die Lupe nimmt.
    Bei dem geringen Gewicht, die die Lehre für die Karriere von WissenschaftlerInnen hat, gibt es da auch für gute Lehre kaum Anreize. Das nimmt so absurde Züge an, dass teilweise hohe Durchfallquoten auch gerne mal als Qualitätsmerkmal gesehen werden.
    Alles in allem muss man sich da an der Stelle vielleicht von solchen Klischees lösen und genauer schauen wo der Schuh drückt und was andere vielelicht besser machen.

  • #4

    McFischer (Dienstag, 31 Oktober 2023 10:42)

    #1 Wenn ich auf meine Erfahrungen an Prüfungen an öffentlichen Universitäten zurückdenke... da wurden in manchen Fächern die Bestnoten auch en bloc vergeben. Was schlimmer war: es gab gar keinen Konsens, was (kompetenorientiertes) Prüfen eigentlich ist. Jeder Prüfer hatte andere Vorstellungen, was eigentlich erwartet wird - das machte Noten eh kaum vergleichbar und die Prüfungskultur war erschreckend.
    Dass an privaten Hochschulen die guten Noten verschenkt werden... das ist mir eindeutig zu pauschal. Sicher gibt es solche Fälle, aber eine gute Hochschule braucht für eine gute Reputation (und dafür zahlt man dann ja auch) auch ein gutes Prüfungsspektrum.

  • #5

    Gast123 (Dienstag, 07 November 2023 11:18)

    Im NC-Fach Psychologie besteht ein großer Mangel an Masterplätzen. Auf die Bachelorplätze kommen meist deutlich weniger Masterplätze (2/3 noch eine gute Quote), der Bachelor selbst ist auf dem Arbeitsmarkt aber wertlos. z.T. werden ganze Jahrgänge an staatlichen Unis mit Bachelor-Absolventen von privaten Universitäten aufgefüllt, die bessere Noten mitbringen. Viele staatliche Studierende, für die privat studieren aus finanziellen Gründen nicht möglich war/ist, stehen dann vor langen Wartezeiten, beruflicher Neuorientierung oder hohen Krediten.
    Zudem ist die staatliche Platzkapazität an den Arbeitsmarkt gebunden, der durch die zahlreichenden privaten Hochschulen nun überflutet wird.