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Einseitiger Freiheitsbegriff

An neuer Sprache entflammen sich Debatten. Das ist in Ordnung. Absurd ist, wenn Gegner des Genderns von Bevormundung reden und selbst Verbote verhängen wollen.

ICH GEBE ZU, ich gendere nicht durchgängig, sondern mehr so nach Gefühl. Manche meiner Leser:innen regt das auf, weil sie finden, dass ich nicht konsequent genug bin. Andere erregen sich, dass ich überhaupt mitmache "bei so einem Quatsch". Mir zeigen beide Reaktionen, dass wir uns noch mitten in einem gesellschaftlichen und kulturellen Aushandlungsprozess befinden. Was völlig normal und in Ordnung ist.

 

Was mich irritiert: wenn Gegner des Genderns sich als die vermeintlichen Bewahrer des wahren, guten und offenbar unveränderbaren Deutschen gerieren. Und wenn sie, um ihrer heiligen Empörung Stoff zu geben, von Repressionen und Bestrafungen per Noten-Herabsetzung berichten, die Schülern und Studierenden angeblich drohen, wenn sie die Benutzung von Binnen-I & Co verweigern. Dann ist von Bevormundung die Rede, von der Diktatur der Wokeness. Bittet man freilich um faktische Belege für die Verbote, fällt die konkrete Auflistung meist recht kurz aus. 

 

Eine Volksinitiative in Hamburg, die 16.000 Unterschriften gesammelt hat, verlangt nun, dass in Verwaltung und Bildungseinrichtungen nicht gegendert wird, konkret soll "die amtliche schriftliche oder elektronische Kommunikation und Veröffentlichung" unter Einhaltung der Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung geschehen. Die Verwendung des generischen Maskulinums sei die wirklich diskriminierungsfreie Kommunikation.

 

Geradezu absurd ist indes folgende Argumentationslinie in den Eckpunkten, auf die sich CDU und SPD in Hessen als Grundlage ihrer Koalitionsverhandlungen geeinigt haben: "Wir bekennen uns zum Leitbild des mündigen Bürgers. Das bedeutet für uns: Anreize statt Verbote, Beteiligung statt Bevormundung", und weiter: "Gleichzeitig werden wir festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat der deutschen Sprache erfolgt."

 

Ob die Parteispitzen selbst die Widersprüchlichkeit erkennen? Ob ihnen klar ist, dass die rechtliche Umsetzung dieses Eckpunkts mehr wäre als Bevormundung, nämlich eine Einschränkung mindestens von Wissenschafts- und Pressefreiheit? Doch es scheint so, als hätten manche Gender-Gegner mit Verboten gar kein Problem, solange sie der Durchsetzung ihrer eigenen Position dienen. Und der großen Geste in Zeiten des Rechtspopulismus.  

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



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Kommentare: 19
  • #1

    Franka Listersen (Dienstag, 28 November 2023 11:25)

    Lieber Herr Wiarda, das Thema ist vermint, insofern bewundere ich Ihre Entschlossenheit es anzusprechen. Allerdings sehe ich die Sache anders. Dass öffentliche Stellen sich an die öffentlich festgelegten Sprachregeln halten, ist keine Bevormundung und erst recht keine Einschränkung von Wissenschafts- und Pressefreiheit. Es dient der Sicherstellung öffentlicher Kommunikationsfähigkeit. Im Übrigen haben die Gegner der gegenderten Sprache lange auf tragfähige Argumente für das Gendern gewartet, allein: Es kamen keine. Alle vorgebrachten wurden samt und sonders widerlegt, sei es sprachhistorisch, sprachlogisch, sprachpsychologisch oder auch in Hinblick auf das Ziel der Gleichberechtigung. In der Breite hat sich Gendern schlicht nicht durchgesetzt. Es ist Zeit, von diesem toten Pferd abzusteigen.

  • #2

    Altsprachler (Dienstag, 28 November 2023 11:25)

    @Wiarda Ich fürchte, da liegen Sie hinter der Kurve: Der TSP verzichtet künftig auf das Gendern, in der Printausgabe:

    https://www.bild.de/politik/2023/politik/wegen-abo-kuendigungen-anti-gender-befehl-beim-tagesspiegel-86241096.bild.html

    Die plötzliche und fast flächendeckende Einführung des Genderns vor ca. 2 Jahren durch ÖRR, die allermeisten Zeitungen, Behörden, Universitäten etc. erfolgte nicht spontan durch Individuen, sondern sie war offensichtlich koordiniert. Eine illiberale Zwangsmaßnahme, da man sich als Bürger dieser von oben durchgesetzten Ansprache kaum entziehen konnte. Der deutsche Michel läßt sich bekanntlich viel gefallen -- aber jetzt hat von unten die Gegenbewegung eingesetzt. Und das ist auch gut so.

  • #3

    Thorsten Mundi (Dienstag, 28 November 2023 11:47)

    Zwei getrennte leidenschaftliche Bemerkungen.
    1)

    Bergbachklares Plädoyer für das Generische Femininum. Ich kann absolut nichts daran finden; denn: Wir haben es 2.000 Jahre anders herum gemacht – Mann wird das jetzt schon aushalten, Er ist ja schon groß. Ich zumindest werde das schon schaffen. Hinter dem Generischen Maskulinum liegt, man muss sich das klar machen, schlussendlich die Story aus dem Märchenbuch von Adam und der Rippe. Eine anregende Lektüre ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des einstigen Seehofer-Ministeriums zu Lambrechts Entwurf des neuen Sanierungs- und Insolvenzrechts, die im Generischen Femininum gefasst war. Hier ein Überblick: https://www.sueddeutsche.de/politik/gesetzesentwurf-gendern-generisches-femininum-1.5064169. Echtjetzt?! Logisch – ich kann mich dann als Mann diskriminiert fühlen, wie das der dereinst dagegen klagende Audi-Mitarbeiter tat. Echtjetzt? Wir haben alle 1.000 Texte produziert, in denen so oder so ähnlich steht „aus Gründen der Lesbarkeit schließt die männliche Form die weibliche ein“. Wenn wir es s jetzt anders herum machen, kommt jemand und sagt „fragwürdig aus sprachwissenschaftlichen / rechtlichen / irgendwelchen Gründen“? Echtjetzt? Dann aber gerade. Weil: der entscheidende Unterschied sind die Wirklichkeitspartikel; s.u.).

    Sprache macht Wirklichkeit. Ist so. Wenn ich Generisches Maskulinum verwende, reflektiere ich den gesellschaftlichen Konsens über die Bedeutung der einschlägigen Wirklichkeitspartikel („Wahrheit“ gibt es keine, aber Konsens über wenigstens ein bisschen Wirklichkeit – sonst sind stabile Interaktionsbeziehungen nicht denkbar). Im Kopf des Lesers findet die weibliche Form nicht statt, wenn ich Generisches Maskulinum verwende (kann niemand wundern, lässt sich aber auch messen). Also schreibe ich Adam und die Rippe fort. Nun habe ich aber ein wechselseitiges Bestimmungsverhältnis von Sprache und Wirklichkeit. Verwende ich Generisches Femininum, wird die Leserin immer zunächst die männliche Form im Kopf haben. Das ist ein Anfang. Ich verweise freudig auf den (H)IAT (Harvard Implicit Association Test) zu „Geschlecht und Karriere“. Kann Mensch googeln; bietet kostenfreie Selbsterfahrung und lässt sich, by the way, sehr schön zum Beispiel in Führungskräftetrainings integrieren. Die Feststellung, dass diese Ergebnisse gerade auf sprachliche Manifestationen zurückgehen, dürfte wenig überraschen.

  • #4

    Thorsten Mundi (Dienstag, 28 November 2023 12:04)

    Zweite leidenschaftliche Bemerkung

    In der „anti-gendern-Bewegung“ geht es schon sehr lange nicht mehr um Sprache. In der gesamten bunten Social-Media-Welt (ja, doch, SM ist schon die richtige Abkürzung), ist die Frage nach _I* zum Vehikel geworden, um Staats-, Frauen-, LGBTQ- und auch Ausländerfeindlichkeit aufzuhängen. Stichwort: Unterwanderung des westlichen Wertekonsens‘ durch woke Eliten. Und, ja, es ist so: Von da her ist es nur ein Katzensprung zur ganz dunklen Seite, die zum Beispiel auf den Namen „Bevölkerungsaustausch“ hört. Sollte jemand Muße haben, diesem etwas nachzugehen: Ein schöner Ausgangspunkt, mitten im Mainstream, ist der Instagram-Kanal @gegendasgendern.

  • #5

    Hannoveraner (Dienstag, 28 November 2023 13:46)

    @Mundi "Sprache macht Wirklichkeit. Ist so."

    Genau diese ordre-de mufti, angeblich alternativlose Haltung provoziert in Deutschland immer mehr Widerspruch. Ideengeschichtlich ist Ihre, hier als Selbstverständlichkeit eingeführte, Behauptung hochumstritten: Nominalisten glauben, das, Realisten das Gegenteil.

  • #6

    Konrad D. (Dienstag, 28 November 2023 14:12)

    Sprache wandelt sich ständig weiter, ob mit oder ohne Verboten.
    Die amtliche Rechtschreibung stellt eine Orientierungsnorm dar. Wer Rechtschreibfehler macht, wird in der Regel nicht dafür bestraft. Wer also ein GenderschreibungsVERBOT will, muss konsequenterweise auch alle sonstigen Rechtschreibfehler mitverbieten. Gibt es dann eine neue Abmahnindustrie gegen alle, die Sprache nicht nach der amtlichen Rechtschreibung nutzen? - Zudem, Sprache und Denken hängen eng zusammen. Kommt mit dem Sprachverbot dann auch gleich das passende Gendankenverbot? Eine rein populistische Polarisierungs- und Unsinnsdebatte. Lassen wir es sein und widmen uns den realen Problemen.

  • #7

    Gallup (Dienstag, 28 November 2023 17:47)

    Ich kann mich dem Kommentar nur anschließen. Auch in den Gesprächen, die ich geführt habe, wurde es immer sehr still, wenn ich nach konkreten Beispielen für eine tatsächliche Verpflichtung zum Gendern gefragt habe. Mich würde ja mal interessieren, ob Ihnen, Herr Wiarda, entsprechdene "Beweise" vorgelegt wurden.
    Da mutet es schon etwas grotesk an, wenn "Altsprachler" (Kommentar #2) darauf mit einer bloßen Wiederholung ebenjener unbelegter Behauptungen einer "offensichtlichen Koordinierung" einer "illiberalen Zwangsmaßnahme" kontert. Da wüsste ich auch gerne: Wer hat denn da mit welchen Mitteln Zwang auf wen ausgeübt? Und zu was genau wurde da wer gezwungen?

  • #8

    Django (Dienstag, 28 November 2023 18:41)

    @ Konrad D.
    "Genau diese ordre-de mufti, angeblich alternativlose Haltung provoziert in Deutschland immer mehr Widerspruch."
    Gemeint war mit "Sprache schafft Wirklichkeit" doch wohl: Sprechen als soziales Handeln schafft Wirklichkeit, nämlich soziale Wirklichkeit. Wenn ich in der Sprachverwendung statt des generischen Maskulinums konsequent die weibliche und männliche Form verwende, komme ich irgendwann dahin, dass das Maskulinum nicht mehr generisch verstanden werden wird. (Vielleicht auch nicht, weil die Beharrungskräfte größer sind.)
    Und wenn ich konsequent gendere, kann das einen ebensolchen Effekt haben.

  • #9

    Thorsten Mundi (Dienstag, 28 November 2023 18:54)

    @Hannoveraner: Neurowissenschaftlerinnen wissen das. Hier wäre ein sehr spannender Einstieg: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301008223001120

  • #10

    Linguist aus Düsseldorf (Dienstag, 28 November 2023 19:01)

    Ich möchte nur kurz dem ersten Kommentar widersprechen: Die insbesondere psycholinguistische und computerlinguistische Forschung zum Thema, insbesondere zum s.g. generischen Maskulinum und alternativen Formen, wurde nie "widerlegt" - das Bias des s.g. generischen Maskulinums ist nach wie vor der aktuelle Wissensstand. Falschbehauptungen, die sich angeblich auf wissenschaftliche Funde beziehen, gehören sich zwar nicht, sind in dieser Diskussion aber immer wiederzufinden. Gemäß dem Motto: Wenn ich die Meinung meines Gegenübers so nicht ertragen kann, dann muss ich diese zumindest auf den ersten Blick als wissenschaftlich widerlegt darstellen.

  • #11

    Bender (Mittwoch, 29 November 2023 10:18)

    In Kommentar #1 wird das Gegenteil des aktuellen Forschungsstands behauptet. Es gibt in der Tat massenhaft Forschung, die sich mit dem Thema befasst hat und immer wieder zu dem Ergebnis kommt, dass das generische Maskulinum andere Geschlechter als das männliche benachteiligt. Einen Überblick mit Links auf zahlreiche Studien bietet die Quarks-Sendung vom März 2021:
    https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-gendern-bringt-und-was-nicht/

  • #12

    Studierende (Mittwoch, 29 November 2023 11:37)

    Interessanter Beitrag, ich will dazu auch gar nicht Stellung nehmen, sondern nur darauf hinweisen, dass es im Amtsdeutsch ursprünglich immer Studierendenstatistik hieß, und zwar schon zu einer Zeit, in der ausschließlich Männer studiert haben. So zählte z.B. die Bekanntmachung des Königlichen Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens aus dem Jahre 1865 an der Universität Tübingen "im Wintersemester 1864/65 817 Studierende" (Frauen wurden erstmals zu Beginn des 19. Jhr. zugelassen.) Auch in der späteren Statistik des Unterrichts- und Erziehungswesens im Königreich Württemberg, der Badischen Hochschulstatistik und der Preußischen Statistik ist von Studierenden die Rede. Die Einführung des Begriffs "Studentenstatistik" erfolgte erst viel später nach dem Zweiten Weltkrieg. Wer sich also auf angebliche Traditionen beruft, sollte das zur Kenntnis nehmen.

  • #13

    wirklich? (Mittwoch, 29 November 2023 11:47)

    @Linguist aus Düsseldorf: Sie schreiben: ''das Bias des s.g. generischen Maskulinums ist nach wie vor der aktuelle Wissensstand.''

    Dieser sog. Wissensstand ist Gegenstand heftiger Debatten. Die psycholinguistischen Studien werden stark kritisiert hinsichtlich Design, Aussagekraft, statistischer Methodik u.a. Insofern ist dieser 'Wissensstand' eher kein Wissensstand.

  • #14

    Nikolaus Bourdos (Mittwoch, 29 November 2023 18:34)

    Ja, ich gehöre definitiv zu denen, die das moderne Gendern in seiner Aussprache und Schreibweise komplett ablehnen, weil es unästhetisch ist und ab einer gewissen Häufung zu schlecht lesbaren Texten führt. Ich stelle mir literarische Werke vor, wie sie heutzutage gegendert würden, und wende mich entsetzt ab.

    Mein Hauptargument gegen das Gendern ist jedoch: Man hat dadurch für die Gleichstellung nicht wirklich etwas gewonnen. Durch Gendern wird der Pay-Gap nicht kleiner, es wird deswegen nicht eine Frau - oder ein anderes Geschlecht - bei Jobs oder Aufsichtsratpositionen stärker berücksichtigt, und weniger weibliche oder queere Opfer physischer Gewalt gibt es wegen Genderns auch nicht. Zu gendern, weil man denkt, es würde sich dadurch nennenswert etwas ändern, ist wohlfeil. Gendern ist ja so einfach, es kostet nichts. Von mir aus könnte es ein Anfang sein. Aber häufig wird sich eben damit begnügt.

    Aber: Gleichstellung, das Erkämpfen von Rechten für benachteiligte Gruppen und Geschlechter, ist harte Arbeit. Das sieht man aktuell z. B. daran, wie schwer man sich tut, Machtmissbrauch an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu bekämpfen - die Betroffenen sind häufig Frauen, und überwiegend Frauen, wenn es um sexuelle Belästigung geht. Die großartige Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg, 2020 verstorben, konnte ein Lied davon singen, wie schwierig Gleichstellung ist. Sie hat sich angelegt, leidenschaftlich gestritten und ist die konservativen Beharrungskräfte mit einer Hartnäckigkeit angegangen, die ihresgleichen sucht. Sie ist ein wahrhaftiges Vorbild, wird von vielen jungen Amerikanerinnen für ihre Errungenschaften verehrt. Gegenderte Sprache durchzusetzen, mag auch eine Errungenschaft sein, aber eine, die keinerlei Wirkungsmacht entfalten wird.

  • #15

    Der Rechtschreibrat empfiehlt (Donnerstag, 30 November 2023 13:31)

    Nur zur Info: Empgehlungen des dt. Rechtschreibrates zur geschlechtergerechten Schreibung (inkl. Position zum generischen Maskulinum):

    Stilistische Strategien für geschlechtergerechte Schreibung
    - Doppelnennung: vollständige Paarform („Schülerinnen und Schüler“, „jede und jeder“)
    - Ersatzformen: geschlechtsneutrale übergreifende Formulierungen/Abstrakta: weder Frauen
    noch Männer sprachlich sichtbar („Studierende“, „Lehrkräfte“, „Direktion“, „Gäste“)
    - Vermeidung des generischen Maskulinums (s. a. u.): „Sie ist Arzt.“-> „Sie ist Ärztin.“ „Die Bürger
    von Freiburg sind zur Wahl aufgerufen.“-> „Die Bürgerinnen und Bürger…“ „Alle Migranten aus
    Nordafrika“ -> „Alle Menschen mit Migrationshintergrund aus Nordafrika“ (gleiche Bedeutung?)

    PM 2018: https://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_2018-11-28_anlage_3_bericht_ag_geschlechterger_schreibung.pdf

    Weitherhin:
    Der Rat für deutsche Rechtschreibung bekräftigt in seiner Sitzung am 26.03.2021 seine Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen.
    PM 26.03.2021:
    https://www.rechtschreibrat.com/geschlechtergerechte-schreibung-empfehlungen-vom-26-03-2021/

  • #16

    McFischer (Donnerstag, 30 November 2023 14:10)

    Der Einstieg in Wiardas Beitrag ist gut: "Mir zeigen beide Reaktionen, dass wir uns noch mitten in einem gesellschaftlichen und kulturellen Aushandlungsprozess befinden. Was völlig normal und in Ordnung ist. "
    So sollte man es wohl betrachten: es ist eigentlich eine Diskussion, wie sich die deutsche Sprache entwickelt. Wie in jedem Diskurs gibt es sachliche und weniger sachliche Argumente, Fundamentalist*innen und Liberale, Rück- und Vorwärtsgewandte usw.
    Am Ende sollte in guter liberaler Art etwas Neues entstehen, ein (gesellschaftlich) ausgehandelter Kompromiss. Es mag sein, dass es am Ende das "*" oder das "I" nicht mehr gibt... zu kompliziert, nicht barrierefrei genugt etc. Aber es wird vermutlich auch nicht mehr "der Oberarzt" für Mann und Frau sein.
    Bedenklich ist, dass dieser Diskurs von rechts-populistischer Seite in einen Kulturkampf übersetzt wird, den es überhaupt nicht bräuchte, der aber (auch aus eigener Beobachtung im Verwandte- und Bekanntenkreis) so gut ankommt, weil es vorgeblich so einfach ist. Das ist im Übrigen für alle Argumente in diesem Feld gültig (Mohrenapotheke, Zigeunerschnitzel, illegaler Flüchtling...) und natürlich auch über die reine Sprachebene hinaus. Aber das Für und Wieder einer Migrationspolitik ist halt dem*der AfD (oder FPÖ oder SV)-Wähler*in schwieriger zu argumentieren als die einfachen "Aufreger".

  • #17

    Working Mum (Donnerstag, 30 November 2023 20:48)

    Liebe Frau Listersen,
    das tragfähigste Argument für das Gendern ist doch dies: Es gibt eine nicht geringe Zahl von Frauen, die nicht "mitgemeint" und damit sprachlich ausgeschlossen werden wollen. Wenn Sie dem Wunsch dieser Gruppe nach sprachlicher Repräsentanz nachkommen wollen, ist das Ihre Entscheidung, es anderen aber verbieten zu wollen, ist übergriffig und schränkt die Freiheit des sprachlichen Ausdrucks ungebührlich ein.

  • #18

    Demokrat (Freitag, 01 Dezember 2023 08:41)

    @Working Mum

    "eine nicht geringe Zahl von Frauen". Soso. Umfragen belegen, daß das Gendern auch unter Frauen keine Mehrheit hat. Geschweige denn unter allen Bürgern. Und ich dachte, wir wären eine Demokratie? Hier haben sich Teile von Funktionseliten in Zeitungsredaktionen etc. selbst ermächtigt, ein öffentliches Gut zu verändern. Natürlich ändert sich Sprache, aber üblicherweise organisch und von unten. Geschieht das von oben, als Neusprech verordnet vom Staat oder von staatsnahen privaten Institutionen, dann ist große Vorsicht geboten. Orwell läßt grüßen.

    @J. M. Wiarda

    Daß die Liste mit dokumentierten, expliziten Strafmaßnahmen kurz ist, mag schon sein. Aber kommt es darauf an? Viele Bürger fühlen sich zurecht schon dadurch bestraft, sich diese erkünstelte Plastiksprache als "captive audience" aushalten zu müssen, z.B. in Zeitungen und Fernsehen, oder im Klassenzimmer und bei der elterlichen Nachhilfe zu Hause. Sie alle hatte vorher niemand um ihre Meinung gefragt. Deshalb stimmen sie nun mit den Füßen ab, wo sie können: Kündigen Abos, wählen die AfD. Diese jetzt nachträglich (!) als angebliches "Experiment", das leider gescheitert sei, beschönigte Übergriffigkeit der Obrigkeit mußte solche und ähnliche Gegenreaktionen provozieren.

  • #19

    Bernhard Vogel (Freitag, 01 Dezember 2023 17:14)

    Wie Sie schreiben, Herr Wiarda, ist es gut, dass sich so viele Bürger:innen mit der Thematik befassen. Das kann man sehr gut an der Anzahl der Kommentare zu diesem Beitrag sehen. Interessieren würde mich zum Kommentar #1 was genau eine „Sicherstellung der öffentlichen Kommunikationsfähigkeit“ ist. Bedeutet das, dass Sie, verehrte:r, Franka Listersen, und alle anderen meinen Kommentar überhaupt nicht verstehen können und in der Folge, niemand mehr über nichts sprechen kann?