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Da gehen sie hin, die Milliarden

Pro Jahr zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Bundeswehr? Eine massive Aufstockung des Sondervermögens? Verteidigungsausgaben gelten vielen als die neuen Zukunftsinvestitionen. Was bedeutet das für Bildung und Forschung?

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Artikelbild: Da gehen sie hin, die Milliarden

Bild: Gerd Altmann / Pixabay.

300 MILLIARDEN EURO. Das ist die Zahl, die der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter laut Süddeutscher Zeitung in den Raum gestellt hat für eine mögliche Aufstockung des Bundeswehr-Sondervermögens. Zwar beeilte sich die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion zu betonen, dies sei nicht ihre Position, und die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), warnte in der Rheinischen Post vor einem "Überbietungswettbewerb". Doch dass der Bund noch mehr für Verteidigung wird ausgeben müssen als bislang, und zwar sowohl für das Sondervermögen als auch für den normalen alljährlichen Verteidigungshaushalt, scheint weitgehend Konsens zu sein zwischen Regierung und Unions-Opposition.

Was im Umkehrschluss bedeutet, die Etats für die anderen Bundesministerien, auch das BMBF, dürften noch enger werden. Wie wenig ernst derweil selbst in der eigenen Partei die Vorstöße von SPD-Chefin Saskia Esken genommen werden, Investitionen in Bildung von der Schuldenbremse auszunehmen und damit etwa ein eigenes Sondervermögen Bildung zu finanzieren, sieht man schon daran, dass der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz – ebenfalls laut Süddeutscher Zeitung – der Idee "Charme" zugesteht, die Verteidigungs- und Zivilschutzausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen. Woraus wieder einmal folgt, im Sinne der Chancen künftiger Generationen lieber gleich jedes politisch gerade opportune Herumschrauben an der Schuldenbremse zu lassen.

So flüssig sich das Narrativ erzählen lässt, Ausgaben für Bildung, Forschung und Entwicklung seien für die Zukunft gerade in Krisensituationen besonders wichtig, ja, sie stärkten die technologische Souveränität und Resistenz der Bundesrepublik, so wenig sollte man darauf setzen, dass sie verfangen, wenn im Bundesfinanzministerium die nächste große Geldsuchaktion beginnt und parallel alle starken Interessenverbände von den Bauern über die energieintensiven Unternehmen bis hin zum Bund der Steuerzahler auf die Barrikaden gehen und sagen, wo überall nicht gespart werden kann. Dann zeigt sich im Zweifel doch wieder, dass die Zukunft (und mit ihr die junge Generation) in unserer von der Substanz zehrenden Gesellschaft die schwächste Lobby hat.

Dass es noch schlimmer kommen kann, zeigt der Blick nach Europa. Trotz Protesten der zuständigen Kommissarin streicht die EU 600 Millionen Euro komplett aus dem Budget von Horizon Europe und lenkt weitere 1,5 Milliarden in die Verteidigungsforschung um. Das ist dank langfristig laufender Bund-Länder-Vereinbarungen, allen voran dem Pakt für Forschung und Innovation zur Finanzierung der außeruniversitären Forschungsorganisationen, in Deutschland so zum Glück nicht möglich, auch zum Beispiel die neuen Innovationsagenturen SPRIND und (die hoffentlich bald gegründete) DATI passen in die Zeit und sind daher wohl sicher. Aber drumherum, bei den vielen kleineren und größeren Förderlinien sollten alle wissenschaftspolitischen Beobachter schon beim nächsten Haushalt noch genauer hinschauen.

Und was die Bildungsfinanzierung angeht: Gut, dass das "Startchancen"-Programm mit einer Bundesmilliarde jährlich für benachteiligte Schüler schon unter Dach und Fach ist, laut noch zu unterschreibendem Vereinbarungstext für die nächsten zehn Jahre. Jetzt muss der Digitalpakt 2.0 schnell folgen. Hier einen baldigen Abschluss zu erzielen, und zwar wiederum inklusive einer langen Laufzeit, wäre sicherlich auch im Interesse von BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger. Was man hat, hat man.

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Kommentare

#2 -

Tilman Gocht | Fr., 16.02.2024 - 14:06
Danke! Die Gelder für Bildung (und Forschung) stehen sicherlich zur Disposition. Dabei ist jeder Euro für Chancengleichheit in der Bildung eine aktive Investition in zukünftige Friedenszeiten. Auch wenn es aktuell eine Minderheitenposition ist, sollte dies hörbar artikuliert werden.

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