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Wissenschaftskommunikation: Bekenntnisse sind gut, Taten sind besser

Die Ampelfraktionen wollen die Wissenschaftskommunikation stärken. Einige ihrer Bekenntnisse erscheinen wie ein Déjà-vu.

Bild: Gerd Altmann / Pixabay.

ES IST SO ETWAS wie eine Tradition geworden im Bundestag. 2015: Öffentliches Fachgespräch mit Expertenanhörung zu "Stand und Perspektiven der Wissenschaftskommunikation". 2019: Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel "Wissenschaftskommunikation stärken – Strukturen sichern, neue Möglichkeiten schaffen", parallel dazu ein Antrag der damaligen FDP-Opposition, im Jahr darauf ein weiteres öffentliches Fachgespräch mit Expertenanhörung zur "Stärkung der Wissenschaftskommunikation".

 

Und nun, im März 2024, also: Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, Grünen und FDP, Überschrift: "Wissenschaftskommunikation systematisch und umfassend stärken".

 

In Sachen rhetorischer Dringlichkeit lässt sich über die Jahre eine Entwicklung feststellen. Insgesamt 17 Forderungen führt der aktuelle Antrag an die Bundesregierung auf – vier mehr als sein Vorgänger 2019. Abgesehen von Tonalität und Quantität fällt die Bilanz dagegen gemischter aus. 

  

Die Idee etwa, den Wissenschaftsjournalismus durch "unabhängige und staatsferne Strukturen nachhaltig zu unterstützen, beispielsweise durch eine neue Stiftung", tauchte schon in den Anhörungen von 2015 und 2020 auf. Die Stärkung von Citizen Science wurde bereits im 2019er Antrag postuliert, genauso wie eine konsequente Verankerung von Wissenschaftskommunikation in der Forschungsförderung. So liest sich der neue Antrag, den der Bundestag noch beschließen muss, auch wie eine fleißig zusammengetragene Ergebnisliste der Wisskomm-Debatte der letzten Jahre.

 

Aber folgt etwas daraus? Abgesehen von der Wissenschaftsjournalismus-Stiftung: Kommt er tatsächlich, der "gut dotierte Preis für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus", dessen Einführung die Bundesregierung prüfen soll? Wird das "Wissenschaftsbarometer zu einer repräsentativen und nationalen Erhebung zu wissenschaftsbezogenen Überzeugungen und Wissenschaftsvertrauen" ausgebaut? Wie konkret soll sich denn die Bundesregierung "für Mechanismen einsetzen, mit denen Wissenschaftskommunikation in der Leistungsbewertung von Forschenden stärkere Anerkennung findet"? Gerade bei den kostenintensiveren Maßnahmen klingt die in Anträgen übliche Formulierung "im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel" fast wie die Vorwegnahme ihrer Nicht-Realisierung durch das BMBF.

 

Noch anderthalb Jahre Zeit

 

Und doch gibt es Grund, optimistisch zu sein. Die von der früheren Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) initiierte "#FactoryWisskomm", getragen von vielen Überzeugungstätern aus Wissenschaft, Administration und Kommunikationspraxis, arbeitet in der zweiten Legislaturperiode daran, die hochfliegenden "Handlungsperspektiven" der ersten Phase auf die Umsetzungsebene zu holen. Dabei lässt sie auch nicht von der Unwilligkeit mancher Wissenschafts-Führungsetage ausbremsen. Ein sichtbares Beispiel des Erreichten ist die von erfahrenen Wissenschaftskommunikatoren besetzte Anlaufstelle "Scicomm-Support" für Wissenschaftler, die angefeindet werden, inklusive Hotline 365 Tage im Jahr..

 

An der Spitze des Forschungsausschusses sitzt mit dem Grünen Kai Gehring derweil einer, der den Austausch mit der Öffentlichkeit ebenfalls seit Jahren pusht, auch in der Außenkommunikation des eigenen Gremiums. In der ZEIT erklärte Gehring neulich mit Verweis auf den Ampel-Koalitionsvertrag: "Qualitativ hochwertige Wissenschaftskommunikation ist eine Brücke zur Vertrauensbildung und die Basis für demokratische Entscheidungsprozesse." Mit Holger Mann (SPD) und Stephan Seiter (FDP) hat er engagierte Mitstreiter für die Antragsausarbeitung gefunden.  

 

Anderthalb Jahre bleiben der Ampel zu beweisen, dass die Wisskomm-Bekenntnisse in Koalitionsvertrag und jetzt im Antrag nicht nur die Papierproduktion angeregt haben. Würde die Tradition von Fachgesprächen und Anträgen auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt, müsste es zunächst einiges zum Vorzeigen geben. 

 

Dieser Kommentar erschien zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.



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Kommentare: 3
  • #1

    Potsdamer (Montag, 25 März 2024 15:24)

    "Die Idee etwa, den Wissenschaftsjournalismus durch "unabhängige und staatsferne Strukturen nachhaltig zu unterstützen, beispielsweise durch eine neue Stiftung", tauchte schon in den Anhörungen von 2015 und 2020 auf."

    So unabhängig und staatsfern wie der ÖRR?

  • #2

    Günter Tolkiehn (Montag, 25 März 2024 23:32)

    Immerhin erfreulich, wenn auch erst an vorletzter Stelle, ist doch aber diese Aufforderung:
    "16. die Transformation des Publizierens in Open-Access- und Open-Science-Formaten abzuschließen und zum Publikationsstandard zu machen;"
    Wissenschaftskommunikation ist schwierig, solange die wissenschaftlichen Publikationen (daher eigentlich ja der Name!) weder für die Wissenschaft noch für die Gesellschaft frei zugänglich sind.

  • #3

    Hermann H. Dieter (Dienstag, 24 September 2024 15:26)

    Seit 15 Jahren streitet der europaweite Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache für eine dichte kommunikatorische Vernetzung von "Wissenschaft" und Gesellschaft, vor allem durch Ermutigung und Belohnung landessprachlich-wissenschaftlicher Lehre. Trotz zahlreicher zustimmender Bekenntnisse aus allen politischen Parteien bleibt der Hang zu "English only" weiterhin ungebrochen. Es blieb jetzt den Forschungsministern der politisch doch sehr heterogenen G20-Staatengruppe vorbehalten, ihre Mitglieder dazu zu ermutigen, in der Wissenschaft (auch) die Muttersprachen zu verwenden und die Verbreitung von Wissenschaft in allen Sprachen zu erleichtern (https://www.g20.org/en/tracks/sherpa-track/research-and-innovation): Eine Ohrfeige für alle, die "Internationalisierung" und "Wissenschaft" immer nur mit "mehr Englisch" assoziieren und dies auch noch entsprechend belohnen!