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Wo die FDP Recht hat

Von wegen parteipolitischer "Folklore": Vor allem die SPD muss aufhören, eine Debatte über die Rente mit 63 zu verweigern. Denn die schafft keinen sozialpolitischen Ausgleich, trägt aber massiv zur Ungerechtigkeit zwischen den Generationen bei.

DIE EMPÖRUNG bei den Koalitionspartnern war anfangs groß. Inzwischen bemühen sich SPD und Grüne um Gelassenheit angesichts des Zwölf-Punkte-Papiers "zur Beschleunigung der Wirtschaftswende", das am Montag vom FDP-Präsidium beschlossen wurde als Vorlage für den Bundesparteitag am Wochenende.

 

Eine inhaltliche Auseinandersetzung aber verweigern die Koalitionspartner der Liberalen weiter, bezeichnen die Forderungen als "Wahlkampfgeplänkel" oder "Parteitagsfolklore". Das ist schade, denn unter den zwölf Punkten befindet sich neben einigen – wenig kreativen – FDP-Dauerbrennern auch ein klares Plädoyer für ein Ende der Rente mit 63. 

 

Wer weiß, mit wievielen Milliarden dieses umstrittene Instrument großkoalitionärer Sozialpolitik Monat für Monat zu Buche schlägt und wie wenig es dabei gegen Altersarmut ausrichtet, der kann eigentlich gar nicht anders, als der FDP Recht zu geben. Laut Presseberichten kostete die Rente mit 63 zum Beispiel im Juli 2023 3,4 Milliarden Euro. Was drei Schul-Digitalpakten pro Monat entspricht und hochgerechnet aufs Jahr ziemlich genau der für 2024 geplanten Netto-Neuverschuldung des Bundes (39 Milliarden Euro). Gleichzeitig profitieren vor allem Senioren, denen es vergleichsweise gut geht.

 

Zu einem Thema der Generationengerechtigkeit wird die Rente mit 63 spätestens, wenn dem Gesamtstaat gleichzeitig das Geld für die nötigen Mehrinvestitionen in Bildung, Infrastruktur und vieles mehr fehlt und der einzige sonst noch diskutierte Lösungsansatz eine Aufweichung der Schuldenbremse ist. Mehr Schulden für mehr Invesitionen klingt gut und nach Zukunftsorientierung.

 

Anders hört sich der Satz an, wenn er, was eher der Wahrheit entspricht, lautet: Mehr Schulden, damit die sozialpolitisch fragwürdige Rente mit 63 weiterfinanziert werden kann. Wer solche Einwände mit Vorwürfen "sozialer Kälte" wegzuwischen versucht, anstatt sich der nötigen konstruktiven und problembewussten Debatte über den überfälligen Ausgleich zwischen den Generationen zu stellen, der betreibt genau jene parteipolitische Folklore, die er anderen vorwirft. 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Rudolf Bahrs (Donnerstag, 25 April 2024 13:47)

    Der Kommentar ist goldrichtig !

  • #2

    M Schmidt (Donnerstag, 25 April 2024 20:03)

    " Gleichzeitig profitieren vor allem Senioren, denen es vergleichsweise gut geht. "
    Mein Nachbar ist Bauarbeiter, der von dieser Passage profitiert, und dem geht es durchaus nicht gut.
    Man sollte, wenn man von der "Rente mit 63" spricht auch sagen, ob man die vorgezogene Rente nach 45 Beitragsjahren oder die Rente nach 35 Beitragsjahren meint.