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Kultusminister kontern Stark-Watzingers Digitalpakt-Forderungen

Die Länder haben dem BMBF am Freitag ihre Verhandlungsposition übermittelt – und haben ihrerseits sehr klare Vorstellungen. Ein Überblick.

JETZT IST SIE DA, die abgestimmte Antwort der Länder auf Bettina Stark-Watzingers (FDP) jüngsten Vorstoß zum Digitalpakt 2.0. Und so, wie die Aufregung der Kultusminister groß war über das BMBF-Papier vom 29. April, so deutlich werden sie in der fünfseitigen Replik, die mir vorliegt. Am Freitagnachmittag wurde sie offiziell an die Bundesbildungsministerin übersandt.

 

Darin fordern die Länder mit Berufung auf einen entsprechenden Beschluss der Ministerpräsidenten aus dem November 2023 mindestens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr als Bundesanteil, um sicherzustellen, dass der Digitalpakt Schule (DPS) 2.0 in seinen Investitionseffekten nicht hinter den laufenden Digitalpakt zurückfalle. Intern wird befürchtet, dass Stark-Watzinger bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) gerade einmal die Hälfte davon angemeldet haben könnte. Befeuert wurden diese Befürchtungen dadurch, dass das BMB in seinem ansonsten so detailreichen Forderungskatalog erneut keinerlei Aussagen zum Finanzrahmen getroffen hatte.

 

Die 1,3 Milliarden entsprechen, auf Jahre umgerechnet, den Ausgaben des Bundes für den jetzt auslaufenden Basis-Digitalpakt inklusive seiner in der Corona-Zeit geschlossenen Zusatzvereinbarungen. "Die Anmeldung des BMBF für das Haushaltsjahr 2025 und die fünfjährige Finanzplanung muss diesen aufgabengerechten Finanzierungsbedarf angemessen erfassen", verlangen die Kultusministerien deshalb.

 

Und wenn der Bund wolle, dass die Länder dieselbe Summe drauflegen, müsste die Vereinbarung das bereits vorhandene Engagement der Länder in der digitalen Bildung "angemessen in einer Gesamtbetrachtung berücksichtigen" und dabei auch sämtliche Ausgaben der kommunalen und freien Schulträger einbeziehen. So dass die investiven Eigenmittel der Länder wie beim DPS 1.0 auf zehn Prozent befristet seien. Was der Bund als 50 Prozent Länderanteil nur auf dem Papier deuten dürfte.  

 

Auch verlangen die Länder anders als vom BMBF angeboten eine Mittelbereitstellung über Jahresgrenzen hinaus. "Keinesfalls darf eine Verteilung der Jahrestranchen dazu führen, dass zugesicherte Mittel bei Jahreswechsel eingezogen werden und die durch die Bewilligungen gebundenen Länder Finanzierungsausfälle bei mehrjährigen Projekten kompensieren müssen." Und: Der Bund müsse schon jetzt das Digitalpakt-Gesamtvolumen über die gesamte Laufzeit des DPS 2.0 hinweg zusichern. So sei es beim DPS 1.0 auch gewesen, eine solche Zusicherung entspreche "dem Zweck der Förderung und schafft Vertrauen in das gemeinsame Wirken von Bund und Ländern".

 

Nicht jetzt schon festlegen,
dass nach 2030 Schluss ist

 

Dass es erst ab Januar 2025 neues Bundesgeld geben soll, obwohl der DPS bereits Mitte Mai 2024 ausläuft, wollen die Länder zwar hinnehmen, aber nur, wenn "alle ab dem Laufzeitende des DPS 1.0 am 17.05.2024 begonnenen Maßnahmen in die Förderung aufgenommen werden können", also im Nachhinein bezahlt werden könnten. Es sei "im dringenden Interesse von Bund, Ländern und Kommunen, einen Investitionsstopp und einen Rückschritt in der digitalen Ausstattung zu verhindern und Kontinuität und Planungssicherheit für die Schulen und Schulträger herzustellen".

 

Wozu die Länder offenbar nicht bereit sind: den Digitalpakt 2.0 als eine Abschlusszahlung des Bundes zu akzeptieren, was dieser aber so angekündigt hat. "Die gesamtstaatliche Relevanz und Dauerhaftigkeit der Aufgabe ist partnerschaftlich anzuerkennen." Die jetzige Vereinbarung dürfe hier keine Absage an eine erneute Förderung für die Zeit nach Ende des DPS 2.0. beinhalten. "Über die Bedarfssituation und Finanzierung nach 2030 ist von künftigen Bundes- und Landesregierungen erneut zu entscheiden."

 

Als unmittelbares Ziel in den Verhandlungen fordern die Kultusministerien schließlich von Stark-Watzinger die "umgehende Vereinbarung eines verlässlichen Zeitplans und die Zusicherung zur Einhaltung getroffener Vereinbarungen, um wieder eine gestufte und erfolgreiche Verhandlungsführung zum DPS 2.0 anzustoßen." Interessanterweise enthält das Papier kein konkretes Zieldatum mehr für den Abschluss der Verhandlungen – obwohl die Kultusminister zuletzt auf ihr KMK-Ministertreffen im Juni gepocht hatten.

 

Die Länder wollen ihre
Leistungen anerkannt sehen

 

Über diese Forderungen hinaus haben die Kultusministerien weitere Botschaften ans BMBF. So mahnen sie die Anerkennung der Länderleistungen im bisherigen Digitalpakt und unterstreichen: "Die gemeinsame Zwischenbilanz von Bund und Ländern zum DPS 1.0 belegt eindrücklich den im Zusammenwirken erreichten ersten Innovationsimpuls im Bereich einer leistungsstarken, modernen digitalen Bildungsinfrastruktur." Und etwas später folgt ein Satz, der den Unmut der Länder über das BMBF-Papier noch einmal explizit macht: "Auch ein zukünftiges Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern trägt einem so verstandenen Paktgedanken Rechnung und vermeidet einseitige Setzungen und Zuschreibungen. Als gemeinsame Perspektive gilt es, den DPS 1.0 partnerschaftlich und auf Augenhöhe weiterzuentwickeln."

 

Der Begriff "partnerschaftlich" taucht immer wieder im Papier auf –wohl, weil die Länder das Verhandlungsverhalten des BMBF in den vergangenen Monaten als das Gegenteil dessen empfunden haben.

 

Was die Länder konkret darunter verstehen: "Die Verfassungsmäßigkeit der Vereinbarungen zum Zusammenwirken von Bund und Ländern kann nicht im Vereinbarungswege aufgehoben werden." Scheinbar eine Selbstverständlichkeit. Doch waren die Kultusminister der Auffassung, dass das BMBF genau an dieser Verfassungsmäßigkeit gerüttelt hatte unter anderem mit der Forderung, dass die Kommunen, die eigentlichen Schulträger, für die Finanzierung des DPS-Länderanteils nicht mit in die Pflicht genommen werden dürften. Als krassen Eingriff in ihre inneren Angelegenheiten werteten die Kultusminister auch das Postulat Stark-Watzingers, dass die Länder mit den Kommunen das Kompetenzverhältnis bei den inneren und äußeren Schulangelegenheiten neu bestimmen sollten.

 

Unter der Überschrift "Verfassungsrechtliche Grenzen der Finanzhilfen" weisen die Länder den Bund auch in seinem Anspruch auf inhaltliche Mitbestimmung in die Schranken: "Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss eine bundesstaatliche Ordnung die Gewähr dafür bieten, dass Finanzleistungen des Bundes für Landesaufgaben die Ausnahme bleiben und nicht zum Mittel der Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Länder werden." Letzteres tue der Bund aber, indem er in seinem Papier "unterschiedliche Rechtsgrundlagen miteinander in unzulässiger Weise" vermenge und so die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundes überschreite. "Im Ergebnis werden die landesseitigen hohen Bedarfe im Bereich der Schuldigitalisierung ausgenutzt, um.... durch eine Abhängigkeit eine einseitige Zustimmungspflicht der Länder zu generieren."

 

Partnerschaft
statt Nötigung

 

Mit anderen Worten: Der Bund versuche die Länder grundgesetzwidrig zu dem von ihm gewünschten Verhalten zu nötigen, finden die Länder – und halten dagegen: "Partnerschaftlich und mit Blick auf die verfassungsgemäßen Möglichkeiten" seien sie bereit zu Gesprächen, um an gemeinsamen Zielen von Bund und Ländern in der digitalen Bildung zu arbeiten. Und welche könnten das sein? Das KMK-Papier listet sechs davon auf:

 

o Eine Gesamtstrategie zur digitalen Bildung "unter dem Primat der Pädagogik" und mit dem DPS 2.0 als ein wichtiger Baustein, der um weitere Länderaktivitäten zu ergänzen sei. Die Länder seien bereit, sich an den vorliegenden Strategien auf Länder- und Bundesebene messen zu lassen und sie "anlassbezogen unter den gewandelten Anforderungen" weiterzuentwickeln.

 

o Eine breite Auslegung des Investitionsbegriff beim DPS 2.0. "unter Einschluss nicht-investiver befristeter Ausgaben verständigt, um u. a. didaktische Software, Bildungscontent, Beratungsstrukturen und IT-Administration in die Förderung zusätzlich aufzunehmen", sprich: "eine breite Förderpalette".  

 

o Die Antrags- und Bewilligungsverfahren sollen schneller werden, der Bund müsse gemeinsam mit den Ländern "die Voraussetzungen dafür schaffen, ein bürokratiearmes Verfahren aufzusetzen und Berichtsanforderungen auf ein praktikables Maß zurückzuführen", wobei "insbesondere vereinfachte und vom strikten Zuwendungsrecht losgelöste Wege" der Mittelvergabe nötig seien. 

 

o Die Länderübergreifenden Maßnahmen sollen auch im DPS 2.0. weitergehen, die Länder versprechen: Auch wenn deren Auswahl nicht der direkten Mitbestimmung des Bundes unterlägen, wolle man diese wie bislang "partnerschaftlich" abstimmen.

 

o Die Länder beharren auf der Beibehaltung des Königsteiner Schlüssel bei der Verteilung der Bundesmittel, dieser habe sich bewährt. Allerdings sind sie bereit zu prüfen, ob Gründe vorliegen, einen anderen Verteilschlüssel zur Anwendung zu bringen, der die Schülerzahlen teilweise berücksichtigt, Voraussetzung: Ein solcher Schlüssel müsse transparent und praktikabel sein und dürfe zu keinen quantitativen Brüchen zur bisherigen Verteilung führen.  

 

o Der Forderung des Bundes, die Weiterfinanzierung der Kompetenzzentren für digitales Lehren und Lernen in den DPS 2.0 aufzunehmen, erteilen die Kultusministerien eine Absage: Die Länder seien zwar grundsätzlich gesprächsbereit, aber: "Ein solcher ergebnisoffener Prozess, der ohne die Wissenschaftsseite nicht zu vereinbaren ist, kann zwar im Zuge des Abschlusses zum DPS 2.0 angestoßen werden, muss aber vom eigentlichen Gegenstand der Finanzhilfen nach Art. 104c GG (digitale Bildungsinfrastruktur in den Ländern) inhaltlich und zeitlich entkoppelt werden."

 

Am frühen Freitagnachmittag sollte sich BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring mit ihren Konterparts, den Verhandlungsführern der Länder, treffen. Ob die Anwesenden die Stimmung danach als "partnerschaftlich" beschreiben werden, bleibt abzuwarten.  


KMK-Präsidentin Streichert-Clivot: Bund muss den zugespielten Ball aufnehmen/CDU-Bildungsministerin Prien: Digitale Bildung zu bedeutsam für taktische Manöver

KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) sagte am Freitag auf Anfrage, die Länder haben "erneut einen konstruktiven Verhandlungsvorschlag gemacht. Jetzt ist es wichtig, dass der Bund den zugespielten Ball aufnimmt." Es brauche endlich die Größe der finanziellen Mittel und einen klaren Zeitplan."

 

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien, die die CDU-Bildungspolitik der Länder koordiniert, sagte hier im Blog, eine nachhaltige und dauerhafte gemeinsame Finanzierung der Digitalisierung der Schulen einschließlich der Nutzung von KI sei "eine der Schicksalsfragen für Deutschland. Das erfordert von allen Beteiligen ernsthafte Verhandlungen auf Augenhöhe, die von Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt sein müssen."

 

Streichert-Clivot, im Hauptberuf Bildungsministerin im Saarland, warnte, solange weder finanzielle Mittel noch Zeitplan klar seien, "laufen wir für die Zukunft Gefahr, Investitionslücken zu produzieren und Innovation in der Weiterentwicklung guter digitaler Bildung auszubremsen."

 

Die Länder, fügte Streichert-Clivot hinzu, teilten mit dem Bund die Auffassung, dass es gute digitale Bildung in Deutschland brauche, damit Kinder und Jugendliche einen fachkundigen, verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit Medien in der digitalen Welt erlernten. Ebenso sei man sich einig, dass die Länder bereits richtig viel auf den Weg gebracht hätten und nun das Erreichte, die digitale Bildungsinfrastruktur, die digitale Schul- und Unterrichtsentwicklung und die Fachkompetenzen der Lehrkräfte, weiter ausgebaut werden müsse. "Mit 1,3 Milliarden Euro pro Jahr hat der Bund das bisher Erreichte unterstützt. Das Gleiche erwarten die Länder auch für die Fortführung. Der Bund muss sich zu seiner dauerhaften Verantwortung bekennen."

 

Karin Prien sagte in Bezug auf die digitale Bildung in den Schulen, diese große gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sei "für taktische Manöver zu bedeutsam". Wichtig sei, dass mit dem Auslaufen des Digitalpakt 1.0 jetzt sehr zügig Planbarkeit bestehe, damit Investitionen nicht ins Stocken gerieten.



In eigener Sache: Die Unterfinanzierung wächst

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Kommentare: 1
  • #1

    Reisender (Samstag, 11 Mai 2024 18:38)

    Die spannende Frage ist, wie das BMBF ohne Plafonderhöhung, bei steigenden PFI Mitteln und weiteren Projekten (BAföG, Startchancenprogramm) das alles noch finanzieren soll.

    Oder wird Bildung gegen Forschung ausgespielt? Dann hilft uns auch gute Bildung bald nicht mehr weiter. Vielleicht braucht es mal einen Zukunftspakt und 100 Mrd€ extra für Bildung UND Forschung, damit wir international nicht völlig abgehängt werden…