Warum Psychopathen in der Wissenschaft gute Karrierechancen haben
Daniel Leising ist Psychologieprofessor und kämpft für eine andere Wissenschaft. Was treibt ihn? Und was muss sich ändern in unserem Wissenschaftssystem? Ein Podcast über Machtmissbrauch, wissenschaftliches Fehlverhalten und Gründe, trotzdem nicht aufzugeben.

Daniel Leising ist Professor für Diagnostik und Intervention an der Fakultät Psychologie der TU Dresden und einer der Sprecher des Netzwerks Nachhaltige Wissenschaft.Foto: Daniel Leising.
ER SEI NICHT immer schon ein Kämpfer gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft gewesen, sagt Daniel Leising. Erst als er selbst Professor wurde, habe er Einblicke bekommen, Dinge gesehen, die ihn, wie er sagt, "von den Socken gehauen" hätten.
Seitdem widmet sich Leising, Professor für Diagnostik und Intervention an der TU Dresden, dem Einsatz für eine andere Wissenschaft, in der es nicht mehr einfacher ist, das Fehlverhalten gegen Menschen und wissenschaftliche Standards unter den Tisch zu kehren, als es zu ahnden. Seine Universität hat ihn dafür mit ihrer Ehrennadel ausgezeichnet, er ist Mitgründer des Netzwerks Nachhaltige Wissenschaft.
Im Podcast "Wiarda wundert sich" berichtet Leising über sein Engagement und dramatische Fälle, die ihn aufgewühlt haben.
Als Psychologe, sagt er, sei er mit den Charakteristika von Psychopathen gut vertraut, "und ja, solche Leute gibt es im System. Mit Professorentitel." Hoch dekorierte Wissenschaftler mit der Neigung, skrupellos zu ihrem eigenen Vorteil zu agieren und andere Leute zu benutzen. Mehr noch: Ausgerechnet im Wissenschaftssystem hätten Menschen mit psychopathischer Persönlichkeit "ziemlich gute Karten", erfolgreich zu sein. Weil sie begabt darin seien, sich nicht erwischen zu lassen und weil das Wissenschaftssystem, wie Leising sagt, "so leicht manipulierbar ist" und seine Regeln psychopathisches Verhalten fast schon forderten. Die Freiheitsgrade, die arrivierte Wissenschaftler hätten, seien sehr schützenswert, betont der Psychologe. Aber sie seien "gleichzeitig eine Versuchung zum Machtmissbrauch, der Sie ständig ausgesetzt sind."
Trotzdem ist Leising optimistischer als früher und spricht von einem "Momentum": "Vor ein paar Jahren wäre das undenkbar gewesen, dass wir mittlerweile so offen über diese Dinge sprechen können, wie Sie und ich das jetzt gerade tun." Ein "Riesenfortschritt" sei das, aber "eben noch nicht das Ende der Strecke". Dafür müsse die Wissenschaftspolitik den Willen zum Handeln entwickeln. "Das ist das, was mich ein bisschen pessimistisch macht." Der schlechtmöglichste Ausgang wäre, fügt Leising hinzu, wenn die Probleme bekannt seien und die Lösungen, "aber gemacht wird es halt trotzdem nicht."
Das Netzwerk gegen Machtmissbrauch, von dem im Podcast die Rede ist, gibt es seit 2022. Hier ein Interview mit den Mitinitiatoren. Das Netzwerk Nachhaltige Wissenschaft wurde dieses Jahr gegründet und hat seine Grundsätze veröffentlicht. Und hier eine Einladung für alle reformfreudigen Profs, die beim nächsten Treffen des Netzwerks Nachhaltige Wissenschaft dabei sein wollen.

Kommentare
#1 - Gutes Gespräch. Auch die meisten Professorinnen wissen…
Aus meinem (großen) Fach kann ich allerdings sagen, dass hier die Fähigkeit einzelner, Karrieren zu verbauen oder zu ermöglichen, faktisch sehr begrenzt sind.
Andererseits gibt es auch das (oft): Mitarbeiter, die ihre Arbeit nicht machen, sich nicht einsetzen und qualitativ indiskutabel sind, ihre Zeit aber mit der mehr oder minder lauten Klage über Machtmissbrauch verbringen. Und: Gerade für genau diese Leute ist die Universität noch immer der weit angenehmere Ort als die sog. "Wirtschaft".
#2 - Sehr gute und allzeit relevante podcast Folge. Beim Bund…
#3 - Mmh „…kaum jemand hat so eine privilegierte Position…
Ich überlege: Ist das so?
Aus der Perspektive der Jobsicherheit wahrscheinlich schon. Aber Profs hängen in diesem Job (relativ) fest. Sie hängen auch in dem Kolleg:innen-Team fest (Profs). Ein bisschen kann ich schon verstehen, wenn sich Professor:innen scheuen, kritische Themen anzusprechen.
WiMis können den Job und das Team leichter wechseln. Vielleicht sollte man ihre Rolle in der Reform nicht unterschätzen.
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