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Doppelleerstand in der Bildungsministerkonferenz

Karin Prien und Stefanie Hubig wechseln ins Bundeskabinett – und hinterlassen die Bildungsministerkonferenz in einer Phase des Umbruchs. Dorothee Feller soll Prien als Koordinatorin der Unionsländer nachfolgen.

Karin Prien (links) und Stefanie Hubig. Fotos: Frank Peter/Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holstein. Georg Banek/Ministerium für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz.

NUN ALSO auch Stefanie Hubig. Vergangene Woche wurde offiziell, dass Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien ins Bundeskabinett wechselt. Nun folgt Hubig, bislang Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz. Sie soll für die Sozialdemokraten das Justizministerium übernehmen. Am Vormittag präsentierte sich die neue SPD-Ministerinnenriege der Presse, anschließend sollte der Koalitionsvertrag unterschrieben werden.

 

Für die 56 Jahre alte Juristin Hubig ist die bevorstehende Ernennung die Krönung ihrer politischen Karriere. Bevor sie im Mai 2016 in Mainz an die Spitze des Bildungsressorts rückte, war sie bereits Staatssekretärin in dem Bundesministerium, das sie jetzt führen soll.

 

Für die Bildungsministerkonferenz (BMK) innerhalb der Kultusministerkonferenz bedeutet der Start der schwarz-roten Koalition, dass sie auf einmal ihre zwei erfahrensten und einflussreichsten Mitglieder verliert. Hubig war mit Abstand die dienstälteste, gefolgt von Prien, die seit Juni 2017 im Amt war. Beide waren Anfang 2024 fast zeitgleich in die Rolle der Koordinatorinnen aufgerückt, was bedeutete, dass Prien die Bildungspolitik der unionsregierten Länder in der BMK zusammenführte und Hubig dasselbe auf SPD-Seite tat.

 

Zwei Ministerinnen, ein gemeinsamer Kurs

 

Die beiden konnten immer besser miteinander, zogen demonstrativ an einem Strang, etwa bei der Reform der Kultusministerkonferenz und dem (letztlich fast vollständig gescheiterten) Versuch, das oft hinderliche Einstimmigkeitsprinzip der KMK aufzubrechen. Gemeinsam mit Baden-Württembergs grüner Bildungsministerin Theresa Schopper präsentierten sie – außerhalb der Gremien – ihren Vorstoß für messbare Bildungsziele. Und sie sorgten als bildungspolitische Chefverhandlerinnen in den Koalitionsverhandlungen dafür, dass dieser Anspruch Eingang in den Koalitionsvertrag fand: Bildungspolitik und Bund-Länder-Zusammenarbeit sollen stärker als bisher an messbaren Bildungszielen und einer datengestützten Schulentwicklung ausgerichtet werden.

 

Nachdem Prien vergangenen Montag von Friedrich Merz als Chefin des neuen Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) nominiert worden war, sah es für einen kurzen Moment so aus, als könnte die Bund-Länder-Zusammenarbeit in der Bildung schon dadurch einen Schub bekommen, dass das Gespann Hubig-Prien seine Arbeit nun zwischen BMK und neuem Ministerium fortsetzen würde. Bis erste Gerüchte auftauchten, Hubig könnte auch nach Berlin gehen. Anders als Prien lässt sie das Thema Bildung nun vollständig hinter sich – dafür teilt sie mit ihr den Kabinettstisch.

 

Für die BMK ist der doppelte Verlust nicht nur heftig, weil sie das Präsidium der Ministerkonferenz mitten im Jahr fast zur Hälfte neu besetzt werden muss und die Parteilager sich zum zweiten Mal innerhalb von anderthalb Jahren auf die Suche nach neuen Koordinatorinnen begeben müssen. Sondern auch, weil schon mit den Vorgängern von Hubig und Prien – Ties Rabe aus Hamburg und Alexander Lorz aus Hessen – die bis dato erfahrensten Minister gegangen waren. Wie groß der Aderlass der Erfahrung ist, zeigt der Blick auf das Dienstalter der verbleibenden BMK-Mitglieder.

 

Am längsten dabei ist jetzt Christine Streichert-Clivot (SPD) aus dem Saarland, berufen Ende 2019, die im vergangenen Jahr auch die KMK-Präsidentschaft innehatte. Gefolgt von Theresa Schopper, seit Mai 2021 im Amt. Nach vier Jahren wird sie demnächst die zweiterfahrenste von 16 Landesbildungsministerinnen sein. Von denen dann neun, also mehr als die Hälfte, höchstens zwei Jahre im Amt sind.

 

Was bedeutet das für die großen bildungspolitischen Aufgaben im Föderalismus, die vor Bund und Ländern liegen? Für die weitere Reform der KMK, für die strategische Zusammenarbeit mit dem Bund, für die datenbasierte Schulentwicklung?

 

Wer die Lücke füllen soll – und wer es könnte

 

Fragen, die sich umso drängender stellen, weil parallel auch Rainer Schulz in den Ruhestand geht – jener Mann, der wie kaum ein anderer das Thema datenbasierte Schulentwicklung und auch die KMK-Reform in den Ländern vorangetrieben hat.

 

Die Antworten werden stark davon abhängen, wer jetzt die Koordinatorenrolle übernimmt. Auf Unionsseite ist die Personalie bereits geklärt, wie am Morgen aus BMK-Kreisen bestätigt wurde. Dorothee Feller, seit Juni 2022 Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, soll neue Sprecherin der Unionsminister werden. Eine Entscheidung, die sich abgezeichnet hatte. Schon als Karin Prien das Koordinatorenamt wollte, wurde Feller als Gegenkandidatin gehandelt. Die Verwaltungsjuristin, die morgen ihren 59. Geburtstag feiert, war vorher Präsidentin der Bezirksregierung von Münster, sie gilt als klar strukturierte Politikerin, die ihre Entscheidungen evidenzbasiert trifft. Nachdem NRW in der KMK lange keine Führungsrolle gespielt hatte, drängte Feller merklich in diese Richtung.

 

Und die SPD? Muss sich jetzt erstmal sortieren. Doch erscheint eigentlich nur eine Besetzung folgerichtig: Streichert-Clivot. Wegen ihrer vergleichsweise großen Amtserfahrung und weil sie während der Hochphase der KMK-Reform Präsidentin war. Eine ambitionierte dazu. Die 45-Jährige sitzt immer noch im KMK-Präsidium und hat dort mit Karin Prien zusammengearbeitet, seit diese Koordinatorin wurde. Ist es ein Nachteil, dass sie aus dem zweitkleinsten Bundesland stammt? Bislang war das nicht zu spüren.

 

In jedem Fall wird es die Aufgabe der neuen Koordinatorinnen sein, schnell unter Beweis zu stellen, dass sie bei den großen Themen KMK-Reform, Datenbasierung und Neustart der (unter Ex-BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger fast kollabierten) Bund-Länder-Beziehungen den Druck hochhalten wollen. Zusammen mit der aktuellen BMK-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke) aus Mecklenburg-Vorpommern.

 

Ein Hoffnungsträger im Hintergrund: Rainer Schulz

 

Einen Hoffnungsstrahl in diesen Zeiten der KMK-Diskontinuitäten gibt es: Rainer Schulz wird unmittelbar nach seinem Abschied als Hamburger Amtschef die Leitung eines neuen Projektteams für die entscheidende Reformphase der KMK-Verwaltung übernehmen. So hat es gerade die Kultusministerkonferenz beschlossen. Stellvertretender Leiter wird Rolf-Dieter Jungk, Amtschef im bayerischen Wissenschaftsministerium, der bereits mit Schulz die ausgelaufene Strukturkommission II zur KMK-Reform geführt hatte.

 

Das Projektteam soll den "Organisationsentwicklungsprozess", wie er im gerade gebilligten "Abschlussbericht der Strukturkommission II zum Reformprozess der KMK" beschrieben wird, bis Oktober 2025 konzipieren und der Kultusministerkonferenz dann das diesbezügliche Konzept vorlegen, inklusive dem zukünftigen "Organisationsmodell und Eckpunkte zur Aufbau- und Ablauforganisation". Schulz' Mandat läuft dann aber noch weiter – bis maximal Ende März 2026.

 

Eine KMK im Umbruch und ein Bundesministerium im Zusammenwachsen: So viel organisatorische Dynamik war lange nicht im Föderalismus. Mit den richtigen Personen könnte es spannend werden. Ein erster Aha-Effekt könnte sein, welche griffige Kurzbezeichnung Priens neues BMBFSFJ bekommt. Unter ihren Leuten kursierte zuletzt schon der Name "Ministerium für Bildung und gesellschaftlichen Zusammenhalt".

 

Nachtrag: Sie freue sich sehr über das Vertrauen, wird Dorothee Feller in einer Pressemitteilung ihres Ministeriums am Montagnachmittag zitiert: "Ich werde zusammen mit dem Staatssekretär alles tun, um es zu rechtfertigen und meinen Beitrag dazu zu leisten, das Bildungssystem in Deutschland gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Runde der B-Länder und im engen Austausch mit den A-Ländern weiter in eine gute Zukunft zu führen." Mit "B" ist im Länderjargon die Riege der Länder mit Unionsregierung gemeint, "A" steht für die Regierungen mit SPD-Beteiligung.

 

Die Herausforderungen seien groß, sagte Feller demnach weiter. "Angefangen von der Förderung der Basiskompetenzen über die Stärkung der Demokratiekompetenz in den Schulen bis hin zum verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien und allen anderen Fragen der Digitalisierung. Mit der Neugliederung der Kultusministerkonferenz und der Schaffung einer eigenen Bildungsministerkonferenz können wir die Aufgaben konzentrierter und effektiver angehen." Zu dieser Neuaufstellung und vielen anderen Ergebnissen der vergangenen Jahre habe Karin Prien in ihrer Rolle als B-Länder-Koordinatorin entscheidend beigetragen. "Ich danke ihr für die geleistete Arbeit und wünsche ihr viel Erfolg in ihrem neuen Amt in Berlin."



Wer ist was in der Bildungsministerkonferenz –
und seit wann dabei?

 

Baden-Württemberg: 

Theresa Schopper (Grüne)

Ministerin für Kultus, Jugend und Sport (seit Mai 2021)

 

Bayern: 

Anna Stolz (Freie Wähler)

Staatsministerin für Unterricht und Kultus (seit November 2023)

 

Berlin: 

Katharina Günther-Wünsch (CDU)

Senatorin für Bildung, Jugend und Familie (seit April 2023)

 

Brandenburg: 

Steffen Freiberg (SPD)

Minister für Bildung, Jugend und Sport (seit Mai 2023)

 

Bremen: 

Sascha Karolin Aulepp (SPD)

Senatorin für Kinder und Bildung (seit Juli 2021)

 

Hamburg:
Ksenija Bekeris (SPD)

Senatorin für Schule und Berufsbildung (seit Januar 2024)

 

Hessen: 

Armin Schwarz (CDU)

Minister für Kultus, Bildung und Chancen (seit Januar 2024)

 

Mecklenburg-Vorpommern: 

Simone Oldenburg (Linke)

Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung (seit November 2021)

 

Niedersachsen: 

Julia Willie Hamburg (Grüne)

Ministerin für Kultus (seit November 2022)

 

Nordrhein-Westfalen

Dorothee Feller (CDU)

Ministerin für Schule und Bildung (seit Juni 2022)

 

Rheinland-Pfalz

vakant ab 6. Mai

Ministerin für Bildung 

 

Saarland: 

Christine Streichert-Clivot (SPD)

Ministerin für Bildung und Kultur (seit November 2019)

 

Sachsen: 

Conrad Clemens (CDU) 

Staatsminister für Kultus (seit Dezember 2024)

 

Sachsen-Anhalt: 

Eva Feußner (CDU)

Ministerin für Bildung (seit September 2021)

 

Schleswig-Holstein:

vakant ab 6. Mai.

Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur

 

Thüringen: 

Christian Tischner (CDU) 

Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur (seit Dezember 2024)


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Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Kühnel (Dienstag, 06 Mai 2025 22:33)

    Ich verstehe wirklich nicht, wieso man irgendwelche Hoffnungen in diese neue BMK setzen soll. Fünf verschiedene Parteien wollen da ihre jeweiligen Duftmarken setzen. Allein das ist schon ein Grund für ein Scheitern. Bildung als Zankapfel der Parteien -- genau das hat die Bildung schon bisher zugrunde gerichtet, genau das hat ein Chaos produziert, genau das bringt mehr und mehr Irrationalität in die Sache. Man braucht nur auf die professionell gestalteten Webseiten der Kultusministerien zu schauen, die nach Art der Reklameindustrie alles und jedes salbungsvoll schönreden und peinliches Eigenlob verbreiten. Keines der wirklichen Probleme wagt man anzusprechen, keine Fehlentwicklung wird zugegeben.

    Jetzt wird die "datenbasierte Schulentwicklung" als Allheilmittel angepriesen. Aber schon seit Jahrzehnten werden doch die Schulen "entwickelt" von eigens dafür gegründeten "Landesinstituten für Schulentwicklung". Ich fürchte, das wird nur der übliche bürokratische Leerlauf: Man gründet eine neue Abteilung "datengestützte Schulentwicklung", besetzt die Leitung mit jemandem aus der "richtigen" Partei, gibt viel Geld aus für Hard- und Software, und ab da hört man nichts mehr, was da nun "entwickelt" wurde. Nach zehn Jahren wird nicht über den Erfolg der Sache berichtet, sondern es wird ein neues Konzept PR-wirksam angepriesen. Und alles wiederholt sich.