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Die Stäwiko hat ihren ersten Eklat

Kaum waren die Mitglieder des neuen Beratungsgremiums gewählt, gingen zwei ostdeutsche Kultusminister an die Öffentlichkeit: Eine Kommission ohne ostdeutschen Wissenschaftler sei nicht hinzunehmen.

DIE MITGLIEDER der neuen Ständigen wissenschaftlichen Kommission (Stäwiko) der Kultusministerkonferenz sind gerade gewählt, und schon gibt es den ersten Eklat. Die Bildungsminister von Sachsen-Anhalt und Sachsen machten im Anschluss an die KMK-Sitzung am Nachmittag öffentlich, dass sie gegen die Vorschlagsliste der Findungskommission gestimmt hätten, weil darin kein einziger Vertreter einer ostdeutschen Universität enthalten gewesen sei. KMK-Präsident Britta Ernst wies die Kritik zurück.

"Im 31. Jahr der Deutschen Einheit ist es nicht akzeptieren, dass angeblich kein Wissenschaftler aus den neuen Ländern die Kriterien erfüllen könne", sagte Sachsen-Anhalts CDU-Bildungsminister Marco Tullner, weshalb sein Bundesland den Besetzungsvorschlag abgelehnt habe. Dass dies nicht alle ostdeutschen Länder getan hätten, "ist für mich völlig unverständlich".

Sein sächsischer Amtskollege Christian Piwarz (CDU) bescheinigte der Stäwiko aufgrund ihrer Zusammensetzung einen "Fehlstart". Piwarz begründete sein Nein wie folgt: "Wenn das Gremium, bestehend aus 12 Personen, keine einzige wissenschaftliche Expertise aus einer ostdeutschen Universität repräsentiert, ist das kein gutes Zeichen." Ein Teil der Bevölkerung Deutschlands und deren Bildungserfahrungen seien damit nicht vertreten, obwohl es deutliche Unterschiede zwischen der westdeutschen und ostdeutschen Bildungslandschaft gebe. "Ich möchte hier nur an den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und die Ganztagesbetreuung sowie die unterschiedlichen Betreuungsquoten verweisen." Die Forschung und Lehre ostdeutscher Bildungsexperten dürften nicht völlig ausgeblendet werden. "Hier liegt ein Webfehler vor, der dem Bildungsföderalismus nicht gerecht wird."

KMK-Sprecher Torsten Heil bestätigte, dass die 12 zu wählenden Mitglieder der Stäwiko nicht einstimmig bestätigt worden seien, "aber darüber hinaus nenne ich nicht das Abstimmungsverhalten einzelner Länder."

Tatsächlich hat nach Teilnehmerangaben außer Sachsen und Sachsen-Anhalt lediglich noch Bayern gegen die vorgeschlagene Besetzung gestimmt – allerdings aus anderen Gründen: Offenbar zeigte sich der Freistaat mit der organisatorischen Vorbereitung der heutigen Entscheidung unzufrieden.

Prenzel: Ostdeutsche Bildungswissenschaftler noch weniger in der Politikberatung tätig

Gewählt wurden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichsten Perspektiven auf das Bildungssystem und die gesamte Bildungskette: Isabell van Ackeren von der Universität Duisburg-Essen, Yvonne Anders von der Universität Bamberg, Michael Becker-Mrotzek von der Universität zu Köln, Ulrike Cress vom IWM - Leibniz-Institut für Wissensmedien, Claudia Diehl von der Universität Konstanz, Thilo Kleickmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Olaf Köller vom Kieler IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Birgit Lütje-Klose von der Universität Bielefeld, Susanne Prediger von der Technische Universität Dortmund, Susan Seeber von der Georg-August-Universität Göttingen, Felicitas Thiel von der Freien Universität Berlin und Birgit Ziegler von der Technischen Universität Darmstadt.

Nicht gewählte, ständige Mitglieder qua Amt sind der Vorsitzende wissenschaftlicher Beirat der Bund-Länder-Steuerungsgruppe, Harm Kuper von der FU Berlin, die wissenschaftliche Direktorin des an die Humboldt-Universität angegliederten Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), Petra Stanat, der Sprecher Autorengruppe Bildungsberichterstattung, DIPF-Direktor Kai Maaz und die Vorstandsvorsitzende des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB), Doris Lewalter von der Technischen Universität München.

In der Ministerrunde hatte es nach Teilnehmerangaben zuvor heftige Debatten um die Ost-Frage gegeben. Der Vorsitzende der Findungskommission, der Ex-Wissenschaftsratsvorsitzende und bekannte Bildungsforscher Manfred Prenzel, habe nach Meinung der meisten Minister jedoch überzeugend erklärt, warum die Kandidatenliste so und nicht anders ausgefallen war.

Auf Anfrage sagte Prenzel: "Als Findungskommission haben wir nach potenziellen Mitgliedern gesucht, die eine ausgezeichnete wissenschaftliche Expertise mit ausgewiesener Beratungserfahrung verbinden. Beides waren uns gleichermaßen wichtige Anliegen. Tatsächlich gibt es hervorragende Bildungswissenschaftler an ostdeutschen Universitäten, doch sie sind noch wenig in der größeren Politikberatung tätig." Das zeige sich zum Beispiel daran, "dass in allen bestehenden Beratungsgremien der Kultusministerkonferenz, in denen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler beteiligt sind, keine einzige Person von einer ostdeutschen Hochschule stammt", fügte Prenzel hinzu.

KMK-Präsidentin Britta Ernst (SPD), im Hauptberuf Bildungsministerin von Brandenburg, sagte, die Findungskommission habe "gemäß ihres Auftrags" gearbeitet. "Als KMK haben wir uns im letzten Jahr bewusst dazu entschieden, dass die Ständige Wissenschaftliche Kommission nicht nach Länderproporz oder politischem Einfluss, sondern nach Qualifikation und unabhängig besetzt wird. In der jetzigen Zusammensetzung ist sie hochkarätig besetzt." Sie danke Manfred Prenzel und seinem Team sehr herzlich für ihren Vorschlag.

Es seien ein Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin mit einer ostdeutschen Bildungsbiographie dabei, aber niemand von einer ostdeutschen Universität, sagte Ernst weiter. Das habe "nachvollziehbar" zu einer Diskussion innerhalb der KMK geführt. "Letztendlich hat die Mehrheit der Bildungsministerinnen und Bildungsminister den Vorschlag der Findungskommission angenommen." Damit könne die Arbeit der Kommission beginnen. Ernst kündigte an: "Wir haben uns vorgenommen, in unserer eigenen Arbeit die Frage der Repräsentanz ostdeutscher Expertise im Blick zu haben."


Der Rat der 16

Es ist ein bildungspolitischer Meilenstein: Die Kultusminister wollen sich künftig von einer Ständigen wissenschaftlichen Kommission unabhängig beraten lassen. (05. Mai 2021) >>>

Kommentare

#1 -

Falk Radisch | Do., 06.05.2021 - 21:05
Die Zusammensetzung der Kommission und die Erläuterungen halte ich für fragwürdig und schwierig. Es hätte an den ostdeutschen Universitäten die entsprechende Expertise gegeben. Die einseitige, fragwürdige Auswahl mit der bisherigen einseitigen und fragwürdigen Auswahl bestehender Gremien zu begründen, ist mindestens bemerkenswert.

#2 -

Th. Klein | Fr., 07.05.2021 - 10:07
Aus folgenden Teilen der Diskussion wird man m.E. nicht ganz schlau: << "Ich möchte hier nur an den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und die Ganztagesbetreuung sowie die unterschiedlichen Betreuungsquoten verweisen." Die Forschung und Lehre ostdeutscher Bildungsexperten dürften nicht völlig ausgeblendet werden. [...] Es seien ein Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin mit einer ostdeutschen Bildungsbiographie dabei, aber niemand von einer ostdeutschen Universität. <<

Offenbar verläuft die Argumentation so, dass "ostdeutsche Bildungsthemen" nur an ostdeutschen Universitäten beforscht werden (können), während die Vertrautheit mit den entsprechenden Themen doch aus den Forschungsschwerpunkten und der eigenen Bildungsbiografie heraus kommen sollte. In dieser Art kann der Position von Sachsen und Sachsen-Anhalt in der Tat nicht gefolgt werden.

Wenn man argumentiert, dass man nach 31 Dt. Einheit ..., dann sollte man vielleicht auch mal einige Proporz-Fragen nach 31 Jahren fallen lassen.

#3 -

Falk Radisch | Fr., 07.05.2021 - 15:04
Ja, die Proportz-Argumentation ist mühsig und nicht wirklich tragfähig (auch wenn es renommierte und beratungserfahrene Kollegen an ostdeutschen Universitäten sehr wohl gibt!). Aber der Rekurs auf die bisherige Zusammensetzung bestehender Gremien ist in meinen Augen sehr fragwürdig. Es ist aber am Ende wie es ist. Es wird sehr darauf ankommen, wie die Kommission einzelne Themen bearbeiten wird. Eine wirklich gute Arbeit wäre bei jeder Zusammensetzung ohnehin nur dadurch möglich, dass zu den einzelnen Themen jeweils spezifische Expertise zugeholt wird. Ein schlankeres Gremium aus Personen, die gut vernetzt sind und einen Überblick haben, wäre in diesem Sinne ggf. sinnvoller gewesen.

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