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26 Ideen für faire DFG-Begutachtungen

Zusammengestellt von Antje Schwalb und 15 beteiligten Wissenschaftler*innen des Internationalen Graduiertenkollegs "TransTiP".

Vorschläge für die Auswahl von Gutachtenden

1. Gutachtende mit fachlicher Expertise in den Disziplinen der Beteiligten und in der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen (Interdisziplinarität),

2. Gutachtende mit einschlägiger Expertise in internationaler Kooperation, um den zum Teil stark westlich geprägten Blickwinkel auf Kooperationen und Themen zu weiten,

3. Gutachtende mit einschlägiger Erfahrung mit dem Förderinstrument als zum Beispiel (Co-) Sprecher*in eines (Internationalen) GRKs oder anderer koordinierter Programme,

4. Einbeziehen von internationalen Gutachtenden, die unabhängig und fokussierter auf fachliche Inhalte sind,

5. Ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Begutachtungsgruppe und der Geschäftsstelle oder mindestens den Frauenanteil, den die Begutachtungsgruppe auf der Seite der Antragstellenden erwartet.

Vorschläge zur Vorbereitung der Begutachtung


6. Personelle Kontinuität in der Geschäftsstelle in der Verfahrensbetreuung gewährleisten.

7. Kohärenz in der Begutachtung von GRKs durch Leitlinien für die Geschäftsstelle sicherstellen.

8. Vorbereitung der Begutachtenden hinsichtlich der Förderprogramm-Spezifika durch zum Beispiel Erstellung einer vergleichenden Zusammenschau von Programmzielen und Programmunterschieden von zum Beispiel GRKs, Sonderforschungsbereichen und Forschungsgruppen; Briefing zu aktuellen Frauenanteilen, damit Entscheidungen auf Basis von Fakten gefällt werden können.

9. Sensibilisierung der Begutachtenden für Besonderheiten des Partnerlandes.

10. Briefing der Begutachtenden bezüglich wertschätzender Grundeinstellung, Würdigung des Projekts und vor allem Wichtigkeit der Rolle der moderierenden Person für diese Punkte.

Vorschläge zum Ablauf der Begutachtung


11. Vorbesprechung am Vortag ansetzen, damit die Begutachtung pünktlich beginnen kann und Begutachtende gegebenenfalls noch weitere Zeit zur Durchsicht der Unterlagen haben.

12. Stringente und strukturierte Leitung der Begutachtung sowie Sicherstellung, dass alle Teile der Begutachtung wie angekündigt stattfinden.

13. Einbeziehung der Partnerseite in die Begutachtung und Befragung dieser zur Kooperation.

14. Vertrauliches Gespräch zwischen Antragstellenden, Begutachtenden und Geschäftsstelle ohne Partnerseite auf Wunsch zulassen, damit gegebenenfalls besondere politische Rahmenbedingungen und Herausforderungen erläutert werden können, die im Antrag nicht thematisiert werden konnten.

15. Konkrete Vorgaben in Merkblättern, zum Beispiel zur Teilnahme der Partnerseite, aufnehmen, um eine kongruente Handhabe durch die Geschäftsstelle zu gewährleisen.

Vorschläge zu den Begutachtungskriterien


16. Bewertung von Fortsetzungsanträgen auf Basis von einheitlichen und klar definierten Leistungsmerkmalen, um Erwartungen der Begutachtenden transparent darzulegen.

17. Infragestellen von Argumenten von Begutachtenden, wenn diese eine Beteiligung von weiteren Fachdisziplinen als Monita darstellen. Dies sollte insbesondere dann gelten, wenn Gutachtende ihre eigene Fachexpertise vermissen. Gerade bei interdisziplinären Vorhaben kann kaum eine vollständige Beteiligung aller wünschenswerten Fächer erzielt werden.

18. Antragstellende sollten konkret zu ihrer Passfähigkeit befragt und deren Kompetenz nach dem Gesamtbild der zu betreuenden Projekte beurteilt werden, zumal Antragstellende ihre eigene Anschlussfähigkeit besser einschätzen können sollten als fachfremde Begutachtende.

19. Das Gesamtziel des Vorhabens und die Beteiligung von Nachwuchsgruppen sollte bei der Begutachtung des Einrichtungsantrages stärker gewichtet werden als beim Fortsetzungsantrag.

Allgemeine Vorschläge zur Qualitätssicherung

20. Einrichtung eines Pools von interessierten international- und interdisziplinär-affinen Gutachter*innen und Geschäftsstellenmitarbeiter*innen speziell für interdisziplinär ausgerichtete Projekte, zum Beispiel ehemalige Mitglieder der Gremien der DFG.

21. Jährliche gruppenübergreifende Beratung (Gruppe Graduiertenkollegs + Internationale Zusammenarbeit + Fachreferat) und Austausch mit der GRK-Leitung, um Synergien zu nutzen. So könnten die Erfahrungen in den GRKs könnten noch besser genutzt werden, um internationale Kooperationen zu verbessern und Strategien zu entwickeln, insbesondere bei der Vorbereitung eines Fortsetzungsantrages.

22. Differenzierte Beachtung des Betreuungsaufwandes von nationalen GRKs, internationalen GRKs mit systemverwandten Ländern und internationalen GRKs mit systemfremden Ländern, weil letztere einen immens höheren Aufwand insbesondere in der Kommunikation

und der Umsetzung von immer schärferen Bestimmungen (zum Beispiel Nagoya-Protokoll,Datenschutz) erfordern.

23. Aufzeichnung der Begutachtung zur Qualitätssicherung.

24. Das Protokoll sollte den Antragstellenden für eine Stellungnahme zur Verfügung gestellt werden, damit diese die Möglichkeit haben, auf unsachgerechte Kritik und Darstellungen zu reagieren und diese klarzustellen. Protokoll und Stellungnahme sollten dem Bewilligungs- ausschuss zur Bewertung vorgelegt werden.

25. Das Protokoll einer auf Englisch geführten Begutachtung sollte auf Englisch verfasst werden.

26. Einführung eines Punktesystems für Leistungskriterien für bessere Objektivität, gegebenenfalls gekoppelt mit einem Losverfahren, an dem jene Fortsetzungsanträge teilnehmen, die eine Mindestpunktzahl erreicht bzw. Leistungskriterien erfüllt haben.

Antje Schwalb ist Professorin und Leiterin des Instituts für Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig und Sprecherin von "TransTiP", das sich seit 1. Juli in der Auslauffinanzierung befindet.


Bitte besser machen

Ein Forscherkonsortium übt nach der Ablehnung seines Förderantrags massive Kritik am DFG-Begutachtungsverfahren – und formuliert Vorschläge, was die Förderorganisation ändern sollte. (27. Juli 2022) >>>

Kommentare

#1 -

Marauder | Mi., 27.07.2022 - 11:49
Mindestens die Hälfte der Ideen ist längst Teil des Fördergeschäfts. Aspekte wie ein Losverfahren auf Basis von zu erreichenden Punkten würde das komplette Entscheidungsverfahren ad absurdum führen und wenn die Selbsteinschätzung als zutreffender gesehen wird als die Einschätzung durch Gutachtende, können wir das Verfahren ja gleich ganz abschaffen und ohne Qualitätsprüfung auslosen, wer Geld bekommt.

#2 -

Forschungsreferent | Mi., 27.07.2022 - 13:12
Ich sage: Alle förderwürdigen Vorhaben (alle, die man fördern würde, wenn genug Budget vorhanden wäre) in einen Lostopf und losen, bis das vorhandene Budget verbraucht ist! Alles andere ist der Versuch, die Zukunft vorauszusagen, was bekanntlich nicht möglich ist. Im Begutachungssystem ist eine Schein-Rationalität, die der Realität nicht gerecht wird. Die VolkswagenStiftung erprobt das schon in einer Förderlinie. Auch in anderen Ländern gibt es damit schon positive Erfahrungen. Denn nichts ist so fair und frei von Willkür wie das Los.

#3 -

J. Melanie | Mi., 27.07.2022 - 13:57
Ich sehe es ähnlich. Viele der Punkte sind bereits Standards. Andere (Gespräche zwischen Antragstellenden und Gutachtenden) würden die notwendige Distanz und prinzipiell gewünschte Anonymität im Verfahren aushebeln. Mit der Internationalisierung von Gutachterrunden wären grundsätzlich englische Projektanträge einzuführen - wie das in den Forschungscommunities, die teilweise schon hinsichtlich eigener englischsprachiger Projektpublikatioben wenig Anstrengungen erkennen lassen, aufgenommen würde, wäre interessant.
Insgesamt muss berücksichtigt werden, dass Gutachtende aus meiner Erfahrung stets pro bono tätig sind. Ein effizienter Umgang mit ihren Kapazitäten muss daher berücksichtigt werden. Grundsätzliche ist dem Förderer klar, dass Gutachter/innen kaum frei davon sein werden, ihre eigene Disziplin und subjektive Erfahrung in die Bewertung einzubringen. Daher werden ja auch i.d.R. zwei Gutachtende pro Antrag eingesetzt, die in ihre Perspektiven dialektisch zu einem Konsens zusammenbringen sollten. Der Förderer selbst ist zudem gefragt, übergreifende Kriterien (zu denen übrigens nicht allein das Geschlechterverhältnis zählt) in den Blick zu nehmen und bei einem möglichen Bias einzelner Gutachtender ggfls auch korrektiv Einfluss zu nehmen. Da vieles in der Praxis bereits lange schon erfolgt bzw. „natürliche Schwachstellen“ von Begutachtungen per se (auch durch entsprechende Forschung hierzu) hinlänglich bekannt sind und von den Zuständigen reflektiert werden, halte ich persönlich nicht viel davon, hier weitere Verschärfungen einzuführen.

#4 -

Wissenschaftsm… | Mi., 27.07.2022 - 15:48
Ich finde den Vorschlag mit dem Losverfahren sehr spannend. Man muss das ja nicht überall einführen, aber es wäre m.E. überlegenswert, es als Alternative an manchen Stellen zu implementieren (würde auch das völlig überlastete Peer-Begutachtungssystem entlasten). Wäre super, wenn hier mal über die Erfahrungen der VolkswagenStiftung berichtet würde.

#5 -

Geisterfahrer | Mi., 27.07.2022 - 22:50
Als Gutachter würde ich erwarten, dass die Punkte 9, 14 und 18 im Antrag überzeugend geklärt sind. Viele weitere Vorschläge klingen nach einem sehr hohen Arbeitsaufwand, der sich wiederum mit dem letzten Vorschlag des Losens
beißt.

#6 -

Referent | Do., 28.07.2022 - 17:37
Danke für diese sehr konkreten Verbesserungsideen. Selten bekommt man ja solche Gutachten in die Hand. Vorschläge 1 und 17 würden die immer wieder angemahnte Interdisziplinarität stärken. Mehr Transparenz und Offenheit im Bewertungssystem täte allen gut. Die Entscheidungen wären nachvollziehbarer und somit die Verbesserungsmöglichkeiten sichtbarer.

#7 -

Nikolaus Bourdos | Fr., 29.07.2022 - 17:26
Hier will jemand ein ganz dickes Brett bohren. Ich sehe es auch so, dass etliche Vorschläge bereits Praxis sind.

Der Umgang mit interdisziplinären Projekten ist schon seit langem problematisch, was noch mehr auf die Geistes- und Sozialwissenschaften zutrifft. Hier sind schon Begutachungen von Forschungsverbünden krachend gescheitert, weil Gutachter keine harmonische Sicht auf die Dinge finden konnten. Mir fehlt die Fantasie, wie man das lösen könnte.

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