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Glanz, Gruppenbild, Gründergeist

Der "Startup Factories"-Wettbewerb inszenierte sich schillernder als die Exzellenzstrategie – mit einem Bruchteil des Budgets. Warum die Erwartungen größer sind als die Fördersummen.
Screenshot von der Startseite des Startup Factories Bundeswettbewerbs.

Screenshot von der Website des Startup Factories Wettbewerbs. Stand: 23.07.2025.

SO EINE SHOW hat man bei der Kür der Exzellenzuniversitäten noch nie gesehen: auf der Bühne vorbeidefilierende Preisträger, eine Bundesministerin, die das "großartige Potenzial in unserem Land" preist, und am Ende ein Wimmelbild mit rund 200 Personen – Hochschulpräsidenten, Politikern, den Chefs von Unternehmen und Stiftungen, die zusammen mit den Siegerteams um die Wette in die Kamera strahlen.   

Man kann es nicht anders sagen: Vor knapp zwei Wochen zeigte der "EXIST-Leuchtturmwettbewerb Startup Factories" in Berlin, wie man den Wettbewerb ums Geld und die Teams in Szene setzt, die am Ende eines Auswahlverfahrens auf dem Fördertreppchen landen. Regisseurin: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU).

Zehn Konsortien aus Wissenschaft und Wirtschaft waren in dem Wettbewerb erfolgreich, zu dem insgesamt 15 Konzepte eingereicht worden waren. Hinter jedem stehen Dutzende Kooperationspartner. Gemeinsam wollen sie die versprochenen "Startup Factories" zu mehr machen als herkömmlichen Gründungszentren. Sie sollen, wie es im Sprech des Wettbewerbs heißt, den Mittelpunkt "regionaler, exzellenzorientierter Startup-Ökosysteme mit internationaler Ausstrahlung" bilden, "im Umfeld gründungsstarker Hochschulen und Forschungseinrichtungen". Und weiter: "Durch den Zusammenschluss von Hochschulen, Investoren und etablierten Unternehmen soll das deutsche Start-up Ökosystem signifikant skaliert werden."

Große Ambitionen, kleine Summen

Hinreichend ambitioniert klangen auch die Ankündigungen der siegreichen Konsortien. "Wir wollen die Hauptstadtregion zum internationalen Hotspot für Deep-Tech-Startups machen", verkündete "UNITE" aus Berlin. Die Zündung der "nächsten Stufe der Startup-Förderung im Rheinland" versprach die "Gateway Factory" aus Köln/Aachen. Die Ruhr-Universität als Partner der "BRYCK Startup Alliance" rief gar einen "historischen Moment für das Ruhrgebiet" aus.

Umso mehr fiel angesichts des allenthalben großen PR-Bahnhofs die doch überschaubare Finanzierung ins Auge. Bis zu zehn Millionen Euro pro "Startup Factory", verteilt auf fünf Jahre, gibt das Bundeswirtschaftsministerium – unter der Voraussetzung, dass die privaten Akteure Mittel in gleicher Höhe einbringen (tatsächlich geben sie sogar etwas mehr). Das macht pro Jahr im Schnitt gut vier Millionen. Und damit etwa gut die Hälfte der rein staatlichen Förderung eines Exzellenzclusters. Von denen es nicht zehn, sondern 70 gibt.

Um die Größenverhältnisse noch plastischer zu machen: Im selben Zeitraum von fünf Jahren, in dem die Bundesregierung 100 Millionen Euro in die Factory-"Leuchttürme" steckt, investiert sie 2.695 Millionen Euro in Exzellenzcluster. 27mal soviel. Und selbst unter Einbeziehung der privaten Kofinanzierung ist das Verhältnis immer noch 13 zu 1.

Kann, darf man das angesichts der völlig verschiedenen Strukturen und Logiken überhaupt vergleichen? Man muss: um deutlich zu machen, wie wenig Geld als ausreichend angesehen wird, um die im Vergleich zu den USA oder China viel zu kleine Startup-Szene zu skalieren, zu "boostern" (noch so ein Wort, diesmal von der Website der "Startup Factories"). Und wie ausgiebig man eine private Kofinanzierung von zusammengenommen 22 Millionen Euro pro Jahr feiern kann.

Zwischen Rechtfertigungsdruck und internationalem Vergleich

2.700 Startup-Gründungen gab es laut Wirtschaftsministerin Reiche vergangenes Jahr in Deutschland, elf Prozent mehr als im Vorjahr. Und: "Es gibt mittlerweile sogar 31 Unicorns in Deutschland." Von 1.750 weiteren Startups, denen die Factories bis 2030 zur Gründung verhelfen sollen, war die Rede. Mit Gründungsberatung und Stipendienprogrammen, mit einem besseren Zugang zu Risikokapital und Investoren, der Bereitstellung von Tech Spaces, Rechtsberatung und vielem mehr.

Internationale Vergleichszahlen sind kaum belastbar, aber für die USA werden je nach Quelle über 80.000 Startups gezählt, davon etwa 650, deren Wert auf mindestens eine Milliarde Euro geschätzt wird, das sind die sogenannten Unicorns. In China soll es vergangenes Jahr 168 Unicorns gegeben haben, in Großbritannien 53.

War das Feuerwerk an Pressemitteilungen und Social-Media-Posts deutscher Hochschulen nach der "Startup Factory"-Kür, die der Jubel-Tonalität nach der jüngsten ExStra-Entscheidung ebenfalls in nichts nachstanden, vor dem Hintergrund der eingesetzten Beträge und angestrebten Zielzahlen überdreht?

Vielleicht. Vor allem aber zeigt es den Rechtfertigungsdruck, unter dem die Wissenschaft gerade in der Haushaltskrise steht. Liefert sie genug Wertschöpfung für das Steuergeld, das Bund und Länder in ihren Unterhalt und Betrieb stecken?

Nicht immer sind die Vorwürfe fair

Seit Jahren müssen sich Hochschulen und Forschungsinstitute der Kritik erwehren, sie hinkten bei Technologietransfer und Ausgründungen der internationalen Konkurrenz hinterher. Nicht immer sind die Vorwürfe fair, zumal es abseits der US-Westküste, der Ballungsräume Chinas, Indiens oder Israels auch in anderen Wissenschaftsregionen der Welt startup-mäßig kaum dynamischer zugeht. Und Deutschland zum Beispiel im Entrepreneurship-Ranking von US News and World Report auf Platz 1 liegt.

Wer irgendwie konnte, quetschte sich jedenfalls trotz der knappen Finanzierung pro Factory in eines der Bewerberkonsortien hinein, die so auf eine teilweise enorme Größe anschwollen. Die mitteldeutsche Startup-Factory "boOst" etwa hat elf Universitäten und Hochschulen an Bord: aus Dresden, Leipzig, Chemnitz, Freiberg, Mittweida und Jena. Insgesamt 126 Hochschulen und Forschungseinrichtungen kommen auf die zehn "Startup Factories", außerdem 144 Kooperationspartner aus der Wirtschaft.

Aus ihrer Kooperation sollen die erhofften Innovationsökosystemen erwachsen – und sich "mittel- bis langfristig" mit ihren Finanzierungspartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft "eigenständig tragen", wie das Wirtschaftsministerium Research Table mitteilte. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Ein paar Schlussfolgerungen lassen sich aber schon jetzt ziehen.

Die Frage nach der Zukunft der Exzellenzstrategie

Erstens: Je stärker die Frage nach Ausgründungen, Transfer und ökonomischen Impact die wissenschaftspolitischen Debatten bestimmt, desto größer dürften die Begehrlichkeiten der Politik auch nach den – wirklich großen – Exzellenzmillionen der ExStra werden.

Dass deren Zukunft über die aktuelle Förderrunde hinausreicht, bezweifeln selbst Chefs aktueller Exzellenzuniversitäten. Tritt irgendwann ein gewaltig dimensionierter forschungsbasierter Innovationswettbewerb von Bund und Ländern an ihre Stelle? Wissenschaftsministerin Dorothee Bär (CSU) will von solchen Spekulationen nichts wissen. "Warum sollte man ein System beenden, in das so viel Expertise, Herzblut und internationale Reputation eingeflossen ist?", sagte sie neulich im Interview.

Zu Recht: Man muss den Exzellenzwettbewerb nicht uneingeschränkt befürworten, um zu wissen, dass gerade die nicht an Wirtschaftsinteressen orientierte Förderung grundlegender Forschung die Fundamente der Wissensgesellschaft legt.

Dass der so schillernde "Startup Factories"-Wettbewerb weiter im Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche angesiedelt ist und nicht in Bärs Ministerium, das mit Antritt der schwarz-roten Koalition auch die "Technologie"-Förderung für sich beansprucht, dürfte die CSU-Politikerin trotzdem schmerzen. Bis 1. August entscheidet sich die endgültige Aufteilung der noch umkämpften Bereiche der Innovationsförderung zwischen beiden Ministerien.

Verlierer und wahre Gewinner

Zweitens: So, wie die Zahl der ostdeutschen Exzellenzuniversitäten außerhalb Berlins bei genau eins liegt (neun liegen im früheren Westdeutschland), so befindet sich nur eine der zehn "Startup Factories" im Osten. Auch im Norden bleiben ganze Regionen ohne "Leuchtturm". Was nicht die Schuld eines Wettbewerbs ist, der die Wirklichkeit abbildet, aber einmal mehr um die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik abseits der Metropolen fürchten lässt.

Drittens: Den größten PR-Erfolg erzielt eine "Startup Factory", die gar nicht mitkonkurrierte. Weil sie als Modell schlechthin gilt und als solches gleich auf der Startseite des Wettbewerbs explizit genannt wird. Das eng mit der TU München verbundene "UnternehmerTUM", 2002 mit Förderung durch die Unternehmerin Susanne Klatten gegründet, mit nach eigenen Angaben mehr als 100 "wachstumsstarken Technologie-Gründungen" pro Jahr. Sein "Learning and Exchange Center (LEC)", gefördert von der Joachim-Herz-Stiftung, begleite alle 15 Factories, die es in die Konzeptphase des Wettbewerbs geschafft hatten, auch weiterhin, "unabhängig vom Förderentscheid, durch Wissenstransfer, Netzwerkvermittlung und Austausch", verkündete UnternehmerTUM nach der Gewinner-Kür.

Dass die beiden anderen "Vorbild"-Factories "Campus Founders" in Heilbronn und Hasso-Plattner-Institut ebenfalls unter tatkräftiger Mithilfe zweier Milliardäre entstanden, sagt vieles über die Kapitalkraft, die tatsächlich und langfristig notwendig sein wird, damit die Gründerzentren fliegen.

Die Show war groß, das Budget klein – und doch könnte zwischen Parolen, PR und Gruppenfoto etwas entstehen, das Deutschland dringend braucht: ein institutionalisierter Gründergeist in der Wissenschaft – und vielleicht sogar ein bisschen Exzellenz jenseits der Exzellenzstrategie.

Eine kürzere Fassung dieses Artikels erschien im ZEIT-Newsletter Wissen3.

Kommentare

#1 -

schöneberger | Do., 24.07.2025 - 10:25

Ergänzenswert ist, dass mit den Exzellenzclustern wenigstens echte Forschung gefördert wird, während mit diesen Startup Factories nur bereits überdimensionierte zentrale Unterstützungsstrukturen noch weiter aufgeblasen werden, denen die Fachkompetenz fehlt um eine tiefergehende Unterstützung und Begleitung insbesondere für Deep Tech Startups anzubieten. Es wäre aus meiner Sicht sinnvoller analog zu den US/UK-Unis dezentrale Berater*innen in den Instituten/Fakultäten aufzubauen, die dann tatsächlich über einen Einblick in den jeweiligen Forschungsbereich und die relevanten Wirtschaftssektoren haben. 

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