Schluss mit "Up or Out"
Der Wissenschaftsrat präsentiert ein Personalmodell, das Dauerstellen in der Wissenschaft zum Regelfall erklärt. Ein Paukenschlag vor der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes – und ein Aufruf an Hochschulen und Politik zu einem echten Kulturwandel. Im Interview sagen Wolfgang Wick und Insa Großkraumbach, was das bedeutet.
Wolfgang Wick ist Neurologe und Vorsitzender des Wissenschaftsrats; Insa Großkraumbach leitet beim Wissenschaftsrat die Abteilung "Tertiäre Bildung". Zum Papier des Wissenschaftsrats geht es hier entlang. Fotos: WR / Ch. Hahn und WR / D. Ausserhofer.
Herr Wick, Frau Großkraumbach, der Wissenschaftsrat hat sein Positionspapier "Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem" beschlossen, kurz nachdem das Bundesverfassungsgericht die Berliner Regel zur Postdoc-Entfristung als verfassungswidrig verworfen hatte. In den Pausen der Sitzung in Fulda wurde darüber sicher viel diskutiert, im offiziellen Teil auch?
Wolfgang Wick: Im offiziellen Teil nicht. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts betrifft ja zunächst nicht den Inhalt, sondern nur die Zuständigkeit. Aber die Unsicherheit, die sowohl an den Hochschulen als auch in den Verwaltungen der Ministerien herrscht, zeigt die Dringlichkeit unserer Empfehlungen. Wir haben mit unserem Positionspapier zum ersten Mal einen Rahmen, ein Zielbild entwickelt für transparente und attraktive Personalstrukturen in der deutschen Wissenschaft. Wenn Hochschulen und Forschungsinstitute jetzt anfangen, dieses Zielbild Zug um Zug in die Praxis umzusetzen, bewegt sich das System als Ganzes, dann wird daraus der große Wurf. Wir könnten uns bei den Personalstrukturen endlich aus der Landeszersplitterung befreien und zu verlässlichen, einheitlichen, im besten Fall sogar bundeseinheitlichen Lösungen kommen.
Insa Großkraumbach: Wir haben uns gefragt: Was muss das Wissenschaftssystem leisten, wie wird es möglichst leistungsstark, und was brauchen die Menschen, die darin arbeiten? Attraktivität und Funktionalität müssen zusammenkommen – für die Wissenschaft und für die Individuen. Wichtig waren uns auch Durchlässigkeit und Mobilität: innerhalb Deutschlands, international und zwischen Wissenschaft und anderen Sektoren. Ebenso zentral ist, was Herr Wick anspricht: Transparenz – über Anforderungen, Perspektiven und Optionen. Gleichstellung und Diversität sind ebenso essenziell, auch weil sie mit Funktionalität und Attraktivität verknüpft sind. Und schließlich etwas, das oft übersehen wird in den Debatten: Ein einheitliches Personalstrukturmodell muss trotzdem Raum für unterschiedliche Fachkulturen lassen, unterschiedliche Arbeitsweisen.
Das Papier spricht von einem "generischen Personalstrukturmodell", das der Wissenschaftsrat vorschlägt. Wenn das so generisch ist, müsste es sich doch auch leicht erklären lassen.
Großkraumbach: Ich halte unser Modell tatsächlich für leicht erklärbar, und das muss es auch sein, denn es soll ja die Klarheit schaffen, die viele bislang vermissen. Insgesamt unterscheiden wir darin vier Kategorien, S1 bis S4, vier verschiedene Arten von Stellen für das Wissenschaftssystem – und alle vier haben eindeutige Merkmale. Was ihren Grad an Selbstständigkeit angeht, die Kompetenz- oder Qualifikationsanforderungen, die Verantwortung für Personal und Budget, die Gehaltsstufe – und natürlich die Frage, ob sie befristet oder unbefristet sind. Dabei war uns wichtig, dass alle vier Stellenkategorien, die wir beschreiben, in allen wissenschaftlichen Leistungsdimensionen ausbuchstabierbar sind, also Forschung und Lehre, aber auch Infrastrukturleistungen, Wissenschaftskommunikation, Transferleistungen und das Wissenschaftsmanagement.
Wick: Es soll künftig klar zwischen Daueraufgaben und Qualifizierung unterschieden werden. Deutlich früher als bislang, etwa nach zwei bis drei Jahren nach der Promotion, sollen Entscheidungen über den Verbleib und die weitere Entwicklung im Wissenschaftssystem getroffen werden. Befristete Verträge sollen künftig die Ausnahme sein und vor allem für Qualifizierungs-, Entwicklungs- und Projektstellen gelten. Bei Daueraufgaben sollen mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse dafür sorgen, dass wichtige Expertise dauerhaft entwickelt und gebunden wird und dadurch ein hohes Maß an Professionalität etabliert werden kann.
"Entweder du schaffst es irgendwann
zur Professor, oder du bist raus."
"S1 bis S4": Was sagen Sie denn denen, die mit der akribischen Definition konkreter Stellenkategorien à la Lecturer oder Researcher gerechnet haben oder womöglich mit völlig neuen Karriereprofilen neben der Professur?
Großkraumbach: Das sind neue Karriereprofile, die wir da beschreiben, aber es ging uns nicht um irgendeine Nomenklatur, sondern um die klaren Abgrenzungen. S1 sind Stellen für Promovierende, also sogenannte Einstiegsstellen. Dann haben wir S2, Stellen für anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, S3, Stellen für etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und S4, die Professuren und Leitungspositionen im Wissenschaftssystem.
Klingt nach der altbekannten Hierarchie.
Großkraumbach: Ist es aber nicht. Das war uns ein wichtiges Anliegen: wegzukommen von dieser in Struktur und Kultur des Wissenschaftssystems angelegten Logik des "Up or Out". Entweder Du schaffst es irgendwann zur Professur, oder du bist raus. Uns ging es stattdessen um Stellen und Optionen. Man muss sich nicht immer irgendwohin bewegen. Nein – man kann auch einfach auf einer Stelle bleiben.
Die Bezeichnung "wissenschaftlicher Nachwuchs" wird in dem Papier nicht erwähnt. Hat die Wissenschaftspolitik das Wort damit endgültig aus ihrem Vokabular gestrichen?
Großkraumbach: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Der Wissenschaftsrat jedenfalls hat in diesem Papier den Begriff nicht verwendet und er wurde nicht vermisst. "Nachwuchs" auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anzuwenden, hat für viele inzwischen eine negative Konnotation.
Wenn Sie sagen, dass befristete Verträge künftig die Ausnahme sein sollen, muss das der Logik ihrer vier Phasen eigentlich schon von S2 an gelten, nach der Promotion. Ab da sollen Dauerstellen die Regel sein?
Großkraumbach: Befristungen wird es weiterhin geben – etwa bei Projektstellen oder für eine Orientierungsphase nach der Promotion. Aber in der Tat: Sie sollen die Ausnahme sein. Jede Befristung gilt es gut zu hinterfragen und zu begründen, sie darf kein Automatismus sein.
"Wir wollen keine Reformen nur auf dem Papier."
Was auf dem Papier und nach dem Arbeitsrecht natürlich schon jetzt so ist.
Großkraumbach: Ja, aber der Wissenschaftsrat betont: Wer eine befristete Stelle antritt, soll begleitet werden bei seinen beruflichen und wissenschaftlichen Entscheidungen – und eine Perspektive erhalten, wie es mittelfristig weitergeht. Wir wollen weg von der Situation, dass sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einer Stelle zur nächsten hangeln, ohne Planbarkeit oder Entwicklungsmöglichkeiten. Der Wissenschaftsrat hat schon in früheren Papieren deutlich gemacht: Die Einrichtungen tragen hier große Verantwortung. Sie müssen zeigen, welche Optionen es gibt, welche Kriterien gelten. Unser Stellenmodell und funktionierende Personalentwicklungsmaßnahmen an den Hochschulen und Forschungsinstituten bedingen einander.
Bislang werden viele Stellen nicht einmal offiziell ausgeschrieben.
Großraumbach: Auch das muss sich ändern, sagt das Positionspapier. Zumindest Dauerstellen sind verpflichtend auszuschreiben, die Auswahl darf nicht mehr allein bei einer Person liegen, sondern soll in kollegialer Verantwortung getroffen werden. Nur dann werden auch die attraktiven Optionen jenseits der Professur sichtbar. Und wenn man das zu Ende denkt, ergibt sich die nächste Empfehlung unseres Papiers fast von selbst: der Wechsel zu Department-Strukturen mit flacheren Hierarchien, mit größeren Einheiten, die sich Mitarbeiterstellen teilen. Darunter Dauerstellen. Denn nicht alle wollen Professorin oder Professor werden – genauso wie nicht alle im Unternehmen Top-Manager werden wollen. Wer langfristig hoch professionell und exzellent arbeiten will, soll das können – und damit die Wissenschaft insgesamt leistungsfähiger machen. Deshalb unser Appell: Bitte das Modell in seiner Gesamtheit denken – keine isolierten Einzelmaßnahmen, keine Reformen nur auf dem Papier.
Was sagen Sie denen, die fürchten: Wenn junge Wissenschaftler zu früh auf Dauerstellen kommen, ruhen sie sich aus?
Großkraumbach: Was soll ich sagen? Ja, der Einwand begegnet uns immer wieder. Meine Antwort hat zwei Teile. Erstens: Auch außerhalb der Wissenschaft zeigen viele Bereiche, dass Menschen mit Dauerstellen motiviert und leistungsfähig bleiben – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Da ist auch der Arbeitgeber gefragt, deshalb habe ich die Bedeutung von Personalentwicklungsmaßnahmen betont. Zweitens: Wenn Stellen nicht mehr unter der Hand vergeben werden, schafft das Dynamik, weil durch die Ausschreibungen sichtbar wird: Es gibt spannende Alternativen. Derzeit halten viele an ihrer Dauerstelle fest – verständlich bei der Knappheit. Aber wenn wir ein System mit vielen attraktiven, auch horizontalen Entwicklungspfaden schaffen, entsteht daraus ein flexibles und motivierendes Ganzes.
"Unseren Personalstrukturen sind in der
internationalen Wissenschaft nicht mehr konkurrenzfähig."
Aber die meisten Hochschulen in Deutschland haben doch längst Personalentwicklungskonzepte. Viele davon sind in den vergangenen Jahren entstanden, aber die Schieflage im System ist dadurch nicht kleiner geworden. Warum soll das Ihr Papier jetzt ändern?
Großkraumbach: Weil im Wissenschaftsrat Bund, Länder und die Wissenschaft zusammensitzen – die drei essenziellen Träger unseres Systems. Und sie sagen jetzt gemeinsam: Wir sehen einen großen Reformbedarf, wir sehen, dass wir mit unseren Personalstrukturen in der internationalen Wissenschaft nicht mehr konkurrenzfähig sind. Aber auch innerhalb Deutschlands ist der Wechsel von einer Einrichtung zur anderen oft unnötig schwer – ebenso der Ausstieg auf Zeit, etwa für Erfahrungen in der Praxis. Und während Programme wie die Exzellenzstrategie die Kooperation immer stärker betonen, ist es oft kaum möglich, Personal gemeinsam einzustellen, zum Beispiel über Einrichtungsgrenzen hinweg. Das alles konstatieren Bund, Länder und Wissenschaft und sagen: Wir wollen unser Land zukunftsfähig machen.
Durch dieses Papier?
Wick: Das Papier bietet dafür die Grundlage, einen Harmonisierungsvorschlag, gemeinsam beschlossen von Bund und Ländern. Das ergibt eine starke politische Rückendeckung, es ist ein konzeptionelles Angebot und ein Stückweit auch Selbstverpflichtung von Wissenschaft und Politik, weil es ein klares Zielbild bietet, Transparenz schafft und sogar einen gewissen Wettbewerbscharakter hat. Es geht darum, schrittweise ein neues, verlässliches System aufzubauen, und sofort damit anzufangen.
"Es geht darum, schrittweise ein neues, verlässliches System
aufzubauen, und sofort damit anzufangen."
Am reformfreudigsten sind die Einrichtungen und Fächer, bei denen der Fachkräftemangel bereits durchschlägt. Sie überlegen sich attraktive Karriereoptionen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Und die anderen?
Wick: Sie haben Recht: Wie schnell eine Disziplin unser Modell adaptiert, hängt nicht nur mit seiner Fachkultur zusammen, sondern auch mit externen Faktoren. Einige Fächer stehen unter hohem Druck, Fachkräfte zu gewinnen. Andere Fächer spüren ihn bislang kaum. Zur Wahrheit gehört, dass es 2014 schon einmal ein Papier des Wissenschaftsrats zu Karrierewegen an den Universitäten gab, mit teils durchaus ähnlichen Botschaften, doch es wurde nicht in der Breite umgesetzt- sicherlich auch weil die Situation auf dem Arbeitsmarkt anders aussah. Jetzt ist die Lage ganz anders. Allerdings: Es wäre fatal, wenn sich Fächer nur unter externem Druck bewegen würden, denn dann würde ein neues Personalstrukturmodell nicht wirklich aus Überzeugung getragen – und am Ende unterlaufen. In der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats haben wir aber zum Glück gemerkt: Auch in Fächern, in denen der Druck noch nicht so stark spürbar ist, gibt es ein Bewusstsein dafür, dass modernere Personalstrukturen nötig sind.
Müsste man nicht trotzdem die Regeln so verschärfen, dass es schwieriger wird als bislang, ein Qualifikationsziel zu behaupten, um dann einen befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Daueraufgabe erledigen zu lassen?
Großkraumbach: Ich weiß gar nicht, wie solche verschärften Regeln aussehen sollten. Viel wichtiger ist doch: Wir haben jetzt eine klare Zielvorstellung. Nach der Promotion soll Befristung nicht mehr die Regel sein, sie soll hinterfragt werden und begründbar sein. Gleichzeitig wollen wir kein System, das unflexibel ist. Auch in Ländern mit höheren Dauerstellenquoten liegt der Anteil meist unter 70 Prozent. Deshalb geht es nicht um starre Vorgaben, sondern um eine gemeinsame Zielrichtung. Und klar ist auch: Wer nicht überzeugt ist, kann jedes System unterlaufen. Umso wichtiger ist die Überzeugungsarbeit – damit der vorhandene Spielraum im Sinne des Papiers genutzt wird.
Der Wissenschaftsrat argumentiert in seinem Papier fast durchgehend aus der systemischen Perspektive: Was braucht die Wissenschaft? Initiativen wie "#IchbinHanna" fordern aus der Mitarbeitendenperspektive mehr Planbarkeit und Transparenz. In der Vergangenheit wurde aus beidem häufig ein Gegensatz konstruiert.
Großkraumbach: Diesen Gegensatz haben wir im Wissenschaftsrat nicht gesehen. Die Debattenbeiträge von "#IchbinHanna" waren uns alle sehr präsent – ebenso wie schon stattgefundene Veränderungen an einzelnen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, wie auch schon Gesetzesänderungen in einzelnen Ländern. Unsere Beratungen waren ein großes Gefäß, in das all das hineingekommen ist, was seit einigen Jahren im System läuft. Wir hatten auch nicht den Anspruch, das Rad neu zu erfinden. Sondern wir haben wirklich ganz vieles aufgegriffen und mit ganz vielen unterschiedlichen Akteuren gesprochen. Das war uns auch wichtig. Wir wollten auch nicht sagen: Wir sind die Lobby einer bestimmten Seite – wenn man von Seiten sprechen kann – oder einer bestimmten Position im System. Sondern wir wollten eine Versachlichung herbeiführen, indem wir diesen systemischen Blick eingenommen haben. Und ich glaube, das ist uns gelungen.
"Dauerhafte Zuständigkeit ist oft effizienter
als ständig neue Kurzzeitlösungen."
Was würde die flächendeckende Umsetzung des Personalmodells überhaupt kosten – gerade wenn dadurch mehr Dauerstellen geschaffen würden? Haben Sie das im Wissenschaftsrat thematisiert?
Wick: Das wurde diskutiert, aber nicht genau beziffert. Das wäre auch schwierig. Geplant ist eine Transformation bestehender Stellen, keine generelle Aufstockung. Natürlich ist so ein Umbau mit Aufwand verbunden, das sollte man nicht leugnen. Aber: Entfristete Stellen sind nicht automatisch teurer. Im Gegenteil – wenn wir hybride Strukturen abbauen, also etwa Daueraufgaben, die bislang mit befristeten Verträgen erledigt werden, professionell und langfristig besetzen, steigert das die Qualität und spart unter Umständen sogar Kosten. Dauerhafte Zuständigkeit ist oft effizienter als ständig neue Kurzzeitlösungen.
Eigentlich wollte die zerbrochene Ampelkoalition ja schon die lang angekündigte Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes längst beschlossen haben, doch sie scheiterte an dem Vorhaben mit der Folge, dass ihr Positionspapier jetzt den Ton setzen kann, bevor die schwarz-rote Bundesregierung sich nach der Sommerpause erneut an der Reform versucht. Freut sie das? Oder befürchten Sie im Gegenteil dazu eine Politisierung der Debatte auch über Ihre Vorschläge?
Wick: Uns war wichtig, nicht Teil einer politisierten Debatte zu werden, sondern mit Blick auf Attraktivität und Systemnotwendigkeit zu arbeiten. Natürlich freut es uns, wenn unser Zielbild nun als Referenz dient. Wir sprechen ja auch über Themen wie Departments, also strukturelle Weichenstellungen, die inzwischen sowohl wissenschaftlich als auch politisch als richtig anerkannt werden. Wenn künftige gesetzliche Regelungen das Zielbild aufgreifen und Stellenoptionen, Perspektiven für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser beschreiben, ist das für uns ein Gewinn. Die jetzige Reihenfolge ist durchaus vorteilhaft. Vor zwei Jahren, als alle zeitnah mit dem Gesetz rechneten, hieß es noch, wir hätten uns früher kümmern sollen. Jetzt haben wir vor der Novelle geliefert.
"Best-of unserer Kernforderungen", "Wir müssen uns ehrlich machen" – "Und die Umsetzung?" Reaktionen auf das Wissenschaftsrats-Papier
Die einen haben das Positionspapier mitbeschlossen, die anderen wurden im Entstehungsprozess angehört: Was sagen Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsszene zu den Personalstruktur-Empfehlungen des Wissenschaftsrats, in dem Vertreter von Bund, Ländern, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen die Beschlüsse fassen?
Der Wissenschaftsrat habe mit seiner Analyse wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland gesetzt, sagte Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs, der in der Wissenschaftsministerkonferenz der KMK die SPD-regierten Länder koordiniert und außerdem der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern vorsitzt. Er sehe drei zentrale Stärken des Papiers: "Nur durch das Zusammenspiel von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen kann der notwendige Austausch und die angestrebte Dynamik im System entstehen. Die Betonung der internationalen Anschlussfähigkeit - gerade in einer Zeit, in der globale Wettbewerber unter Druck stehen - bietet für Deutschland die Chance, gezielt mehr Talente zu gewinnen. Dabei müssen Karrierewege von Anfang an planbar sein, denn unklare Leistungserwartungen und fehlende Perspektiven wirken entmutigend auf viele Nachwuchskräfte." Der Wissenschaftsrat weise zu Recht darauf hin, dass strukturelle Veränderungen Zeit bräuchten und über das Jahr 2030 hinausgedacht werden müssten. "Die Aufgabe von Bund und Ländern ist es jetzt, konkrete Schritte zu identifizieren, um die notwendige Bewegung im System anzustoßen."
Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sagte in seiner ersten Reaktion: "Wir müssen uns ehrlich machen: Für mehr Dauerstellen braucht es mehr finanziellen Ressourcen." Er plädiere dafür, "das schnell und kraftvoll anzugehen. Dazu gehört in Zeiten haushalterischer Herausforderungen auch ein neues gesellschaftliches Bewusstsein: Der Wert der Wissenschaft braucht mehr Aufmerksamkeit. In kluge Köpfe zu investieren, bedeutet in die Zukunft Deutschlands zu investieren." Gleichzeitig gelte, das akademische Qualifizierungssystem müsse für Nachwuchswissenschaftler offen bleiben "Erneuerung garantiert Innovation". Blume, der in der Wissenschaftsministerkonferenz als Sprecher der unionsregierten Länder fungiert, verwies auf das bayerische Modell, in dem "wir Verlässlichkeit und Flexibilität zusammenbringen". Konkret bedeute dies: "Zunächst ein Jahr 'Probezeit' und dann eine durchgehende Anschlussverlängerung bis zum Erreichen des individuellen Qualifizierungsziels. All das auf dem Boden des bewährten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes." Was allerdings keine Entfristung bedeutet.
#IchbinHanna" lobte den Wissenschaftsrat und übte zugleich Kritik. Das Papier lese sich "wie ein Best-of der Kernforderungen unserer Initiative", kommentierten Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon auf Anfrage. "Der WR greift unsere Forderungen auf und unterstreicht die Notwendigkeit ihrer Umsetzung." Er spreche sich explizit für mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse und die Transformation hin zu Departmentmodellen aus, für die Promotion sehe er Mindestvertragslaufzeiten vor, die die durchschnittliche Promotionsdauer im jeweiligen Fach abdeckten, "was unbedingt zu begrüßen ist". Auch die deutlich rigidere Begrenzung der maximalen Befristung nach der Promotion sei erfreulich, "wobei es bei zwei Jahren bleiben sollte, statt die Möglichkeit von bis zu drei Jahren auszureizen."
Wer Wissenschaft als Beruf anschließend weiter ausüben möchte, solle nach dem Vorschlag des WR nach bis zu drei Jahren Postdoc-Befristung zwar im Normalfall eine unbefristete Stelle erhalten, könne jedoch auch weiter befristet werden: etwa auf einer Entwicklungsstelle mit Anschlusszusage, also einer Juniorprofessur mit Tenure Track oder Ähnlichem. "Dann ergeben sich zwei bis drei Jahre Befristung in S2 plus in der Regel sechs Jahre in S3 — und Weiterentwicklung wird weiterhin mit Befristung gekoppelt, statt sie auf unbefristeten Stellen zu ermöglichen." Die Kritik von "#IchbinHanna": "Nach der Promotion, die durchschnittlich im Alter von etwa 32 erfolgt, neun Jahre bis zur Übernahme auf eine unbefristete wissenschaftliche Stelle zu warten, was auf ein Durchschnittsalter von 41 Jahren hinausläuft, ist deutlich zu lang und verfehlt das Ziel attraktiver Karrierewege in der deutschen Wissenschaft."
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, sagte am Montagnachmittag, das mit Bund und Ländern abgestimmte Positionspapier greife "zentrale Punkte" auf, die HRK und Junge Akademie in ihren gemeinsamen "Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur" bereits im vergangenen Jahr vorgestellt hatten. "Dies bestärkt die Hochschulen, die sich schon vielfach auf den Weg gemacht haben, auch mit Personal- und Dauerstellenkonzepten, in weiteren Diskussionen in den einzelnen Hochschulen, etwa insbesondere zu ausdifferenzierten Stellenprofilen neben der Professur oder Departmentmodellen." Auch die frühe Selbstständigkeit von Wissenschaftler:innen und die Transparenz in den Besetzungsverfahren seien unverzichtbar für eine Weiterentwicklung der Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem. "Wir begrüßen, dass auch der Wissenschaftsrat betont, dass Hochschulen nach ihren spezifischen Profilen entscheiden können sollen, welche Positionen sie nachhaltig benötigen. Die Einbeziehung der außerhochschulischen Forschungseinrichtungen in die Überlegungen erleichtert den Übergang von Forschenden zwischen den unterschiedlichen Forschungsakteuren. Dies stärkt das deutsche Wissenschaftssystem, indem vergleichbare Personalkategorien geschaffen werden." Diese Vorschläge können allerdings nur erfolgreich umgesetzt werden, "wenn auch Bund, Länder und Tarifpartner sich bewegen", betonte Rosenthal. Anpassungen von Förderbedingungen und Hochschulgesetzen seien genauso erforderlich wie adäquate tarifvertragliche Vergütungsmöglichkeiten für hochqualifizierte, selbstständig arbeitende Wissenschaftler:innen. "Die im Positionspapier geforderte breite systematische Umwandlung von befristeten Qualifikationsstellen in unbefristete Stellen ist weder kostenneutral zu haben, noch wird sie die Bedarfe von Wissenschaft und Gesellschaft an hochqualifiziertem Personal decken."
Auch der Deutsche Hochschulverband (DHV) lobte die Empfehlungen. "Diejenigen, die sich auf den langen und gerade zu Beginn oftmals entbehrungsreichen Weg einer wissenschaftlichen Karriere begeben, zeichnen außerordentliche Leistungsbereitschaft und eine überdurchschnittlich hohe Motivation aus", sagte DHV-Präsident Lambert T. Koch. "Zeitverträge, häufige Ortswechsel, gleichermaßen unsichere wie knappe finanzielle Rahmenbedingungen und somit im Ergebnis mitunter prekäre und nicht zuletzt familieninkompatible Lebensverhältnisse – das kann zermürben und schreckt in zunehmendem Maße ab." In der Folge verlöre die deutsche Wissenschaft Talente ans Ausland und an den außerwissenschaftlichen Bereich; "denn, um es auf den Punkt zu bringen: Es mangelt aktuell an verlässlichen, transparenten Karrierewegen sowie attraktiven Optionen für einen Verbleib in der Wissenschaft." Der DHV stimme mit Wissenschaftsrat darin überein, dass in der Wissenschaft stärker zwischen Qualifikation und Daueraufgaben unterschieden werden müsse.
Richtig sei auch, sagte Koch, früh in der Postdoc-Phase in qualitätsgeleiteten Verfahren Entscheidungen über den Verbleib und die weitere Entwicklung im Wissenschaftssystem zu treffen. Die Bedarfe für Aufgaben in Lehre, Forschung oder Wissenschaftsmanagement, für die erfahrenes wissenschaftliches Personal in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen benötigt werde, seien je nach Fach und Standort verschieden. "Personalkategorien außerhalb der Professur sind dann attraktiv, wenn sie sich von der Professur unterscheiden und zugleich den Stelleninhaberinnen und Stelleninhabern größtmögliche Eigenständigkeit und hinreichende Entwicklungsmöglichkeiten bei attraktiver Vergütung bieten." Die Frage, ob sich das deutsche Wissenschaftssystem, wie vom Wissenschaftsrat befürwortet, verstärkt gegenüber den in anderen Wissenschaftssystemen üblichen Department-Strukturen, in denen es weniger formale Hierarchien gibt, öffnen solle, müsse vor diesem Hintergrund ergebnisoffen diskutiert werden. "Die Akzeptanz von Department-Strukturen ist nach Fach und Standort unterschiedlich. Er halte es für wenig sinnvoll, sie dem System flächendeckend überzustülpen. "Einen organischen Wandel hingegen, der die Organisationsmitglieder dorthin mitnimmt, finde ich begrüßenswert." Jetzt liege der Ball bei der Politik. "Bund und Länder müssen im Rahmen ihrer Regelungskompetenz Personalkategorien definieren und diese aufeinander abstimmen, zusätzliche Dauerstellen bereitstellen sowie Anreize schaffen, damit die Hochschulen und Forschungseinrichtungen von den erweiterten Optionen systematisch Gebrauch machen. Koch und fügte hinzu: "Ohne eine verlässliche Grundfinanzierung, das kann man nicht oft genug betonen, wird das nicht gelingen."
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte das Positionspapier und forderte Bund und Länder, Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf, "die überfällige Reform konsequent in Angriff zu nehmen, um Dauerstellen für Daueraufgaben, verlässliche Karrierewege und gleiche Chancen für alle in der Wissenschaft durchzusetzen". Es gebe jetzt keine Ausreden mehr, sagte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller. "Der Bund muss das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) auf den Prüfstand stellen, die Länder müssen ihre Hochschulgesetze reformieren, Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen Dauerstellenkonzepte ausarbeiten und umsetzen."
"Eine im internationalen Vergleich extrem hohe Befristungsquote, damit verbunden eine besonders große Unsicherheit der Beschäftigten, mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine einseitige Ausrichtung akademischer Karrierewege auf die Professur – der Wissenschaftsrat hat schonungslos die Schwächen des deutschen Wissenschaftssystems offengelegt," sagte Keller. Damit werde die jahrelange Kritik der GEW vom offiziellen Bund-Länder-Beratungsgremium aufgegriffen und bestätigt – "Rückenwind für unsere Kampagne für Dauerstellen in der Wissenschaft", so der Hochschulexperte der Bildungsgewerkschaft.
Der Wissenschaftsrat habe auch "im Ansatz richtige" Schlussfolgerungen für eine Reform der Personalstruktur in der Wissenschaft formuliert, fügte Keller hinzu, hätte sich nach eigenen Worten mehr Mut bei der Formulierung der Empfehlungen für die Neuordnung der Postdoc-Phase gewünscht. Aus Sicht der GEW dürfe es für promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überhaupt keine Qualifizierungsbefristung geben. "Wir brauchen Dauerstellen für Postdocs!" Das folge zwingend aus dem Europäischen Qualifikationsrahmen, dessen höchste Kompetenzstufe dir Promotion sei, worauf der Wissenschaftsrat selbst hinweise.
Enttäuscht, sagte Keller, sei er von den Überlegungen des Wissenschaftsrats zur Umsetzung der Personalstrukturreform. Der Rat setze vor allem auf die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Bund und Ländern schreibe er nur eine "initiierende" und "moderierende" Rolle zu.
Die brandenburgische Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) sagte, der Wissenschaftsrat liefere mit seinem Positionspapier "einen wichtigen Handlungsleitfaden, wie Karrierewege im deutschen Wissenschaftsbetrieb attraktiver und nachhaltiger gestaltet werden können". Denn Wissenschaft lebt von Austausch, nicht von Abwanderung. I"m Klartext: Ein gutes System braucht Dauerstellen für die klügsten Köpfe. Dafür haben wir im Land Brandenburg im vergangenen Jahr mit unserer Hochschulgesetznovelle rechtliche Voraussetzungen geschaffen, neue Stellenkategorien in Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement eingeführt und hochschulspezifische Ziele zum Aufwuchs der Dauerstellen vereinbart." Sie sei optimistisch: Ein Kulturwandel könne gelingen – "wenn Leitungen von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen zusammen mit den Ländern an einem Strang ziehen."
Am Dienstag äußerte sich auch Bundesforschungsministerin Dorothee Bär zum Wissenschaftsratspapier. "Wir müssen weiter ein attraktiver Wissenschaftsstandort sein, um unsere exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu halten und um Talente aus dem In- und Ausland zu gewinnen", sagte die CSU-Politikerin. "Dafür müssen wir beste Arbeitsbedingungen bieten." Dazu gehörten Verlässlichkeit, Planbarkeit und Transparenz in den wissenschaftlichen Karrierewegen. Außerdem brauche es auch mehr Durchlässigkeit und Mobilität sowie eine frühe Selbstständigkeit der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Es geht uns darum, unser Wissenschaftssystem und seine Personalstrukturen zukunftssicher zu machen und dabei jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern attraktive Perspektiven aufzuzeigen." Darauf ziele das Papier des Wissenschaftsrates ab: "Auf ein Zukunftsbild von einem reformierten Wissenschaftssystem mit neuen Personal- und Organisationsstrukturen." Das werde nicht von einem Tag auf den anderen erreichbar sein. "Einige Hochschulen und Länder haben sich schon erfolgreich auf den Weg gemacht. Wir brauchen jetzt einen guten Dialog zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Ländern und dem Bund - dafür stehen wir bereit."
Kommentare
#1 - Alles nur weiche Wünsche?
"etwa nach zwei bis drei Jahren nach der Promotion, sollen Entscheidungen über den Verbleib und die weitere Entwicklung im Wissenschaftssystem getroffen werden"
Das ist entweder naives Wunschdenken oder strategische Kommunikation der Überzeugung, dass sich nicht viel ändern wird. Wie sollte denn eine Entscheidung gegen den Verbleib aussehen, wenn sie nicht von der betroffenen Person selbst ausgeht? Wenn die 2-Jahres-Postdocstelle ausläuft, folgen eben Projektbefristung, ALG 1, Lehrauftrag, Hochschulwechsel und sachgrundlose Befristung, Vertretungsprofessur, Rat auf Zeit, PostDoc-Stipendium, Ausland, W1 (ohne Tenure Track). Wir müssen mit der Tatsache planen, das Hochschulen und Beschäftigte die Möglichkeiten kreativ und karriereverlängernd handhaben.
#1.1 - Andersrum
ich würde das eher andersherum sehen - wenn die Uni einem PostDoc nach 2 Jahren eben keine Stelle anbieen, die auf eine Entfristung hinarbeitet, ist es an genau dieser Person, das auch zu akzeptieren. Wer sich dann weiter auf alles bewirbt, was passen kann, und jedem Strohhalm hinterherläuft, der muss dafür auch selber Verantwortung unternehmen. Eine Uni B kann ja eine EInstellung nicht verweigern, weil eine Uni A keine Entfristungsoption geboten.
Niemand wird zu "rojektbefristung, ALG 1, Lehrauftrag, Hochschulwechsel und sachgrundlose Befristung, Vertretungsprofessur, Rat auf Zeit, PostDoc-Stipendium, Ausland, W1 (ohne Tenure Track)" gezwungen. Das sind alles erwachsene Menschen, die das System sehr gut kennen. Es ist dann auch irhe Entscheidung, diesen Weg weiterzugehen, trotz der schlechten Erfolgsaussichten. Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern liegt bei unter 3% - es gibt also genügend Alternativen.
MfG
#1.1.1 - 3%
„Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern liegt bei unter 3 % – es gibt also genügend Alternativen. Warum braucht es dann noch verbeamtete Professoren? Sie sind für den Steuerzahler übermäßig teuer. Ein reguläres Angestelltenverhältnis würde vollkommen ausreichen – zumal man ohnehin weich fällt.
#2 - Eine zumutbare Länge
Entgegen der Einschätzung von #IchbinHannah: jemand in S2 hätte korrekterweise 3 Jahre Befristung als Post-doc und 6 Jahre bis zur entfristung auf einer tenure track Stelle. Aber angesichts der sehr hohen Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Evaluierung und somit entfristung, weit über 90%, erscheint dies zumutbar. Es wäre also richtig zu sagen man hat 3 Jahre in denen man nicht weiß wie es weitergeht, und dann 6 bis die Sache endgültig klar ist. Ja es bleibt ein Restrisiko, aber angesichts der hohen Freiheit in der Wissenschaft könnte dieses Risiko ein angemessener Tausch für eine entfristung sein, da das Ziel der planbarkeit weitgehend erreicht wird mit einer tenure track Stelle.
#3 - Befristung nur in "Ausnahmen"
Insgesamt sind die Ausführungen des Wissenschaftsrats zu begrüßen, allerdings gehen sie aus meiner Sicht teilweise an der Realität vorbei. Ja, Qualifikationsstellen werden befristet vergeben und auch Dauerstellen werden vielleicht nicht immer dauerhaft vergeben. Ein großer Teil der Stellen im Wissenschaftsbetrieb sind aber doch Drittmittelstellen, die eben aufgrund der befristeten Geldquelle befristet sind. Und auch weiterhin befristet bleiben werden.
Wäre es nicht viel sinnvoller über mehr Grundmittel statt befristete Drittmittel zu reden? Meine Vermutung: wenn mehr Geld dauerhaft da ist, wird es auch mehr unbefristete Beschäftigung geben.
#4 - Endlich das Ende der Lehrstühle?!?
Die eigentliche Sensation ist doch, dass Lehrstühle abgeschafft werden, oder? ODER?!? Oder arbeiten S1-S3 dann doch bei S4 "am Lehrstuhl"? Wenn ja, ist der Vorschlag quasi wertlos, wenn nein kommt ganz schnell wieder die Diskussion um "nackte Lehrstühle" für S4. Aber nur wenn gerade S2-S4 kollegial neben einander arbeiten und man befördert werden kann macht das System Sinn-ich bezweifle stark, dass die meisten Profs da mitgehen werden wenn ihr "Ausstattung" aus zwei S3-Personen besteht die unbefristet und selbstständig arbeiten können...
#5 - Warum sind Professuen nicht in der Mehrheit befristet?
Wenn die deutsche Wissenschaft so sehr auf befristete Drittmittel setzt, warum sind Professuren nicht ebenfalls überwiegend drittmittelgebunden? In anderen Ländern trägt die Universität nicht 100 % des Professorengehalts; auch dort müssen sie sich im Wettbewerb behaupten.
Wenn ihnen das nicht gelingt, führt dies zu Unzufriedenheit unter den Professorenkollegen. Niemand möchte dauerhaft andere mit seinen eigenen Drittmitteln mitfinanzieren. Dies hat zur Folge, dass Professoren in die Industrie wechseln und so in angemessener Zeit Raum für neue Wissenschaftler entsteht.
Zudem sind verbeamtete Professoren für den Staat besonders teuer.
Angesichts der großen Zahl befristet Beschäftigter wirkt der klassische Professorentitel in Deutschland wenig zeitgemäß, solange er mit Verbeamtung und Sonderstatus verbunden bleibt, während der Rest des Systems von Unsicherheit und Kurzfristigkeit geprägt ist.
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