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Sparen, verhandeln, neu erfinden

Von Berlin bis Bielefeld: Die Hochschulhaushalte schrumpfen. Liegt im Kürzungszwang auch eine strategische Chance? So zwiespältig die Frage, so vielfältig sind die Antworten. 
FU-Bibliothek

FU-Bibliothek "Brain". "Weil die Kürzungen dauerhaft sind, müssen wir eine Verkleinerung der Strukturen erreichen", sagt Unipräsident Günter M. Ziegler. Foto: Thomas Guignard, Flickr, CC BY-NC-SA 2.0.

DIE ZEITUNGSSCHLAGZEILEN berichteten von einem "Brandbrief", doch tatsächlich begann das Schreiben an die Hamburger Wissenschaftssenatorin Maryam Blumenthal mit einem Satz, der alles andere als nach Krise klang: Man habe "im engen Schulterschluss" mit der Politik viel erreicht, lobten Hauke Heekeren, Präsident der Universität Hamburg, und Uni-Kanzler Martin Hecht: Exzellenzcluster, innovative Lehrformate, Investitionen in Infrastruktur und Kooperationen.

Doch dann änderte sich der Ton: Der Universitätshaushalt enthalte "erhebliche Risikopositionen", vom Umgang mit verstärkten Cyber-Attacken über den Investitionsstau und die teilweise marode Infrastruktur bis hin zu den gestiegenen Energiekosten. Von einem "strukturellen Defizit" war die Rede, von aufgebrauchten Rücklagen und von Strukturen, die auf politische Initiative aufgebaut, aber nicht ausfinanziert worden seien. Auf Seite 3 folgte der entscheidende Satz: "Die Universität benötigt kurzfristig Unterstützung und zugleich mittel- und langfristige Planungssicherheit." 

Der Brief an Wissenschaftssenatorin Blumenthal, Ende November verschickt, fand wenige Tage später seinen Weg in die Öffentlichkeit. Blumenthals Behörde zeigte sich laut NDR überrascht vom formellen Ton, man pflege doch sonst einen "kontinuierlichen und vertrauensvollen" Austausch.

Die Warnungen der Hamburger Hochschulleitung – von überfüllten Studiengängen über abbestellte E-Medien bis zu gefährdeten Forschungsprojekten – zeigen nicht nur die Dramatik vor Ort. Sie zeigen die Ambivalenz eines Systems, das zwischen Leistungsfähigkeit und Substanzverlust kippt, zwischen der Abhängigkeit von staatlicher Finanzierung und dem Kampf um die eigene Autonomie. Zu dieser Ambivalenz gehört, der Politik in Zeiten knapper Haushalte zu signalisieren: So geht es finanziell nicht weiter. Und zugleich intern das Sparen zu organisieren, damit es doch irgendwie geht.

Zwischen Appell und Entspannung

Im Hamburger Fall bedeutete das, dass die Fakultäten 4,5 Prozent und die Verwaltung samt zentraler Einrichtungen sogar fünf Prozent des Jahresbudgets eingespart haben und die Universität einen "Strukturprozess" plant. All das verbunden mit der Botschaft an die Politik: Jetzt seid ihr dran. Dabei ist die Lage in Hamburg noch vergleichsweise entspannt. Jahrelang zu geringe Budgeterhöhungen, aber immerhin keine Kürzungen.

Nur wenige Hundert Kilometer weiter kämpfen die Berliner Hochschulen mit Einschnitten ganz anderer Größenordnungen. Der Hochschulvertrag 2024 bis 2028 versprach eigentlich jährlich fünf Prozent Zuwachs. Dann kündigte die Landesregierung an, 142 Millionen Euro im Jahr 2025 zu kürzen – entgegen dem laufenden Vertrag. Hochschulen bereiteten Klagen vor, Gutachten wurden erstellt. Am Ende kam ein "Änderungsvertrag": Die Kürzungen bleiben, doch ab 2026 soll das Niveau wieder leicht steigen, um 3 bis 3,5 Prozent jährlich. Gleichzeitig zwingt das Land die Hochschulen, bis 2028 156 Millionen Euro an Rücklagen in die Grundfinanzierung einzubringen. Und: Eine unabhängige Kommission soll künftig Empfehlungen zur Umstrukturierung aussprechen – allerdings erst ab 2026, mit Ergebnissen für 2027 und, wie die Senatsverwaltung von Ina Czyborra (SPD) es formuliert, "einer Zielperspektive 2035".

Doch gespart werden muss jetzt. Doch wie macht man das? Und so weh die Kürzungen tun, kann es bei allem Elend auch eine Chance sein? Lassen sich womöglich gerade jetzt Strukturreformen durchsetzen, die lange überfällig waren?

Sparen als strategischer Moment

Annette Mayer und Hans-Liudger Dienel glauben das. Sie leiten gemeinsam den Masterstudiengang "Wissenschaftsmanagement" an der TU Berlin. Dienel sagte schon im Sommer: "Haushaltskürzungen können dazu zwingen, das Wesentliche neu zu definieren und unter schwierigen Rahmenbedingungen Prioritäten zu setzen." Der Spardruck beschleunige auch investive Entscheidungsprozesse. "Nach dem Motto: Wann, wenn nicht jetzt?" Mayer ergänzt: "Wissenschaftsmanagement muss auch in schwierigen Zeiten konstruktive Lösungswege aufzeigen."

Problematisch werde es, wenn das unstrategische Sparen anfange. "Wenn Mittel einfach dort gekürzt werden, wo sie gerade frei werden – meist also bei befristet Beschäftigten oder frei werdenden Professuren", sagt Dienel. "Wer sich keine inhaltliche Schwerpunktsetzung zutraut, kürzt überall ein bisschen."

Aber ist der Rasenmäher an der Konsensmaschine Hochschule nicht der einzige Weg für eine Hochschulleitung – erst recht, wenn sie wiedergewählt werden will?

Eine Frage, die sich zuletzt Amtsinhaber Günter M. Ziegler stellen musste, der bei der Anfang 2026 anstehenden FU-Präsidentenwahl erneut antritt. Die Kürzungen des Senats schlügen massiv durch, sagt Ziegler: "Weil die dauerhaft sind, müssen wir eine Verkleinerung der Strukturen erreichen." Und weil gute Bereiche nicht kaputtgehen sollten, habe man am Ende gemeinsam entschieden: Alle Fachbereiche, alle zentralen Einrichtungen, die gesamte Verwaltung sollen zehn Prozent einsparen, durch die Bank.

Der verhandelte Rasenmäher

Also doch wieder der altbekannte Rasenmäher? Keineswegs, versichert Ziegler. Monatelang habe die Hochschulleitung mit den einzelnen Fachbereichen verhandelt, auf Basis einer Bewertungsmatrix, die unter anderem Drittmittel und Publikationsstärke umfasste, Auslastung von Studiengängen, die gesellschaftliche Relevanz, mögliche Synergien – und den Blick auf die FU-Ziele: "green – digital – democratic". Ziegler sagt: "Es gab Vorschläge und Gegenvorschläge, dann wurde viel geredet."

Das Ergebnis, das vergangene Woche in der sogenannten Entwicklungsplanungskommission vorgestellt wurde: 18 Professuren werden gestrichen, 19 bleiben bestehen, werden aber vorübergehend fachfremd besetzt, 21 Professuren laufen aus. Weitere Details will Ziegler noch nicht nennen, aber: Selbst Fachbereiche mit Exzellenzclustern würden nicht verschont, auch Professuren in zwei "kleinen Fächern" wegfallen – was Ziegler "schlimm" nennt, aber im Gesamtkontext unvermeidlich. "Vom Ergebnis her haben wir in allen Fachbereichen Lösungen gefunden, die unterschiedlich sind, wo die Fachbereiche aber sagen: Wenn die Kürzungen als solche eben notwendig sind, dann sind die Lösungen akzeptabel." Eine Zumutung – aber eine verhandelte.

Einen anderen Weg gehen sie an der Universität zu Lübeck. Auch dort müssen für drei Jahre zunächst zehn Prozent eingespart werden, gleichmäßig über alle Teilbereiche. Der nötige Verhandlungsprozess habe länger als ein Jahr gedauert, berichtet Kanzlerin Sandra Magens. Doch jetzt beginnt die zweite Phase: zukunftsgerichtete, gezielte Reinvestition – dorthin, wo das Geld der Gesamtuniversität am meisten bringt. Es gehe um die Schaffung einer "objektivierten Transparenz". Man kann es auch einfacher formulieren: Es bekommen diejenigen Ressourcen, die sie benötigen. Und nicht die, die sie am lautesten fordern.

Reinvestition statt Rückzug

Magens hantiert mit Begriffen wie systematische Risikoidentifikation, Ampelsysteme, Schadenerwartungswerte, ein Risikokomitee, Lehrplanreferenzen und strategischer Mittelvergabe. Der Sparprozess als inverse Logik: erst Solidarität beim Kürzen, dann Profilbildung beim Zurückgeben. "Kommunikation ist für beide Zielrichtungen der Schlüssel", sagt die Kanzlerin. Welche Strukturentscheidungen genau herauskommen, will auch sie noch nicht sagen. Aber sie sei optimistisch und spricht von "Klarheit über die Universitätsziele, Loyalität gegenüber der Organisation und gegenseitiges Vertrauen als Weg".

Lübeck wagt ein Modell, das Fragen stellt, die viele Hochschulen scheuen: Wie viel Ungleichheit verträgt ein System, das wie die Wissenschaft eigentlich auf Leistung und Wettbewerb setzt, aber Gerechtigkeit bei der Mittelverteilung meist so definiert, dass jeder ungefähr dasselbe bekommt? Wie lassen sich Institutionen reformieren, die sich allzu oft gegen den Wandel stemmen, obwohl ihre Mission die Produktion neuer Wissenshorizonte ist?

In Bielefeld ist Angelika Epple Ende 2023 als neue Rektorin angetreten, um die Selbststeuerung der Universität neu zu erfinden. Dann signalisierte auch in Nordrhein-Westfalen das Wissenschaftsministerium, dass gespart werden müsse. "Zu den aktuellen Haushaltskürzungen durch das Land kommen die nicht ausgeglichenen Kostensteigerungen und Investitionen der vergangenen Jahre, sodass wir um insgesamt 12 Millionen pro Jahr runter müssen", sagt Epple. Bei einem Gesamt-Haushaltsvolumen von zuletzt 416 Millionen. Eine Zeit lang lasse sich das noch über Rücklagen lösen, aber bevor die weg seien, brauche man einen gemeinsamen Plan.

Sparen als Lernprozess

Epple beschloss, dass sie in Bielefeld erst einmal miteinander das Verhandeln lernen sollten – und lud alle Rektoratsmitglieder, Dezernentinnen und Dezernenten sowie Dekaninnen und Dekane zu einem extern geleiteten Zwei-Tages-Workshop ein. "Das war aufwändig und hat Zeit gekostet, aber alle haben mitgezogen", sagt sie. Das sogenannte Zürcher Verhandlungsmodell stand im Mittelpunkt – ein Verfahren, das nicht nach Positionen fragt, sondern nach Interessen. Epple sagt: "Man muss sich erst einmal auf den Stuhl des anderen setzen, verstehen: Worum geht es? Was braucht das Gegenüber wirklich und wofür?"

Das führe zu Lösungen, die im Normalbetrieb kaum entstehen würden, hofft Epple: "Wenn die eine Fakultät forschungsstark ist, die andere lehrstark, dann ist die klassische Antwort beim Sparen, dass beide gleich viele Professuren streichen. Besser wäre es, wenn sie gemeinsam schauen, wie sie miteinander möglichst viel erreichen können." Vielleicht über gemeinsam angebotene Studiengänge, die mehr Studierende anziehen, über neue Kooperationen oder Weiterbildungsangebote, die zu mehr Einnahmen führen und den Einspardruck verringern. Die Arbeit läuft jetzt. Klar sei schon jetzt: "Wir müssen weg vom reflexhaften Teilen eines zu kleinen Kuchens hin zu kreativen Ideen, wie wir den Kuchen vergrößern können."

In Bielefeld wird Sparen zum gemeinsamen Lernprozess. In Lübeck zum strategischen Reinvestitionsinstrument. An der Berliner FU zeigt sich der Versuch, aus politisch erzwungenen Einschnitten eine rationale Ordnung zu machen. In Hamburg versuchen sie es mit einem fünfseitigen Appell an die Senatorin, dessen Durchsickern an die Presse womöglich einkalkuliert war.

"Zwiespältig, aber alternativlos"

Der gemeinsame Nenner: Alle arbeiten gegen die Zeit. Gegen Rücklagen, die schwinden. Gegen Kostensteigerungen, die auf stagnierende oder schrumpfende Budgets stoßen. Und gegen eine Haushaltspolitik, die Hochschulen in der Krise zunehmend als Kostenstellen betrachten.

Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hatte neulich zu einer Online-Tagung eingeladen, Titel: "Strategisch agieren unter finanziellem Druck: Hochschulen zwischen Sparzwang und Gestaltungsanspruch." CHE-Chef Frank Ziegele sagt, er beobachte quer durchs Land Hochschulen, die sich auf den Weg machten: mit Town-Hall-Meetings, neuen Strategiepapieren, transparenten Kriterien, hochschulweiten Beteiligungsformaten.

Am Ende bleibt ein Paradox: Die Hochschulen professionalisieren sich im Sparen – und liefern damit womöglich der Politik den Vorwand, sie könne noch mehr einsparen. Ziegele nennt das "zwiespältig, aber alternativlos". Die Frage ist nur, wie lange das gutgeht. Irgendwann ist nicht mehr die Effizienz der Prozesse gefragt, sondern der Mut der Politik. JMW

Dieser Artikel erschien in kürzerer Fassung zuerst im Tagesspiegel.

Kommentare

#1 -

Robert-Jan Smits | Do., 18.12.2025 - 10:22

This situation resembles what is happing in The Netherlands, where universities are facing enormous budget cuts while at the same time the budgets of  national funding programmes are reduced and universities are forced to restrict the inflow of foreign students (which means less income since foreign students pay high fees). As a result of this all, universities are firing staff, reorganizing their departments and slimming down central administration. But there is not much fat left on the bone. What I believe is most worrying about this trend is that universities are no longer seen as assets but as liabilities. 

#1.1 -

Dominik Fischer | Fr., 19.12.2025 - 10:25

Antwort auf von Robert-Jan Smits (nicht überprüft)

Thank you for sharing these international insights, Robert-Jan Smits. I was wondering whether there are also things universities in the Netherlands and elsewhere could have done better to avoid ending up in such an unfortunate position. From your perspective, is the challenge “just” a lack of adequate communication about the value of science and the principles of scientific evidence, which is difficult enough, as we all witnessed during the pandemic. Or does it go deeper, requiring universities to more fundamentally build and sustain ties with society, economy/industry, and policy?

 

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