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"Wir wollen keine normale medizinische Fakultät"

Brandenburgs Landesregierung hat die Gründung einer Medizin-Universität beschlossen. Bezahlt wird größtenteils mit Kohlegeldern. Was die neue Hochschule einzigartig machen soll und was sie zu den Sorgen der anderen Hochschulen in Brandenburg sagt: Wissenschaftsministerin Manja Schüle im Interview.

Manja Schüle (SPD) ist seit 2019 Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg. Foto: Karoline Wolf.

Frau Schüle, am heutigen Dienstag hat die Brandenburger Landesregierung offiziell beschlossen, eine eigenständige medizinische Universität in Cottbus zu gründen. Zufrieden?

 

Ja, sehr. Und dankbar. Das war ein echter Kraftakt. Wir haben den anderen Landesministerien in den vergangenen Wochen viel zugemutet. Aber wir haben ja auch einen sehr ambitionierten Zeitplan: Bis Ende des Monats muss das Konzept beim Wissenschaftsrat sein. Und das schaffen wir.

 

Warum haben Sie mit dem Plan einer eigenen Universität bis heute so hinterm Berg gehalten?

 

Aus Gründen der Fairness. Das ist ja nicht mein Privatprojekt, sondern eine Sache der gesamten Landesregierung. Ich glaube, ich kenne mich in der Wissenschaftspolitik ein bisschen aus. Aber in steuer- und tarifrechtlichen Fragen muss ich mich auf die Kompetenzen anderer Ressorts verlassen.  

 

Warum aber eine eigene Universität, wenn es doch in Cottbus bereits die BTU gibt, deren Präsidentin Gesine Grande für eine Integration der Medizin in ihre bestehende Hochschule geworben hatte?

 

Ich bin ein großer Fan der BTU – und ein großer Fan von Gesine Grande. Für mich hat den Ausschlag gegeben, dass die Expertenkommission um Professor Einhäupl auf der Grundlage eines umfassenden Rechtsgutachtens gesagt hat: Eine eigenständige Medizinische Universität ist doch besser geeignet, unsere Ziele zu verwirklichen. Wir wollen ja keine "normale" medizinische Fakultät. Sondern eine, die ganz eng mit der Region verknüpft wird. Wenn wir irgendwann mit dem Bund über die mögliche Fortsetzung der Finanzierung nach 2038 reden sollten, würde das eine eigene Hochschule einfacher machen. Außerdem bekommen wir mit einer klaren Trennung keine Probleme mit der Umsatzsteuer und weniger mit dem Tarifgefüge. Am Ende ist aber nicht die Organisationsform entscheidend, sondern die Art der Kooperation. Das muss vertraglich geregelt werden – und das geht nur auf Augenhöhe.

 

"Wir haben uns als einziges Flächenland ohne staatliche Unimedizin in der Vergangenheit ein wenig unterhoben."

 

Überheben Sie sich nicht unnötig mit der Neugründung?

 

Das ist schon eine echte Herausforderung. Aber man könnte ja auch sagen, dass wir uns als einziges Flächenland ohne staatliche Unimedizin in der Vergangenheit ein wenig unterhoben haben. >>



>> Jetzt müssen Sie noch den Wissenschaftsrat überzeugen. Das Cottbuser Konzept soll Ende des Monats eingereicht werden Was wird die Unimedizin Cottbus haben, was die anderen in Deutschland nicht haben?

 

Aus meiner Sicht sind das bei aller märkischen Bescheidenheit drei Punkte. Erstens: Wir denken die Region, die Menschen in der Lausitz und alle Leistungserbringer von Anfang an mit. Die Hochschule ist kein Ufo, das in der Lausitz landet. Sondern ein Projekt, an dem die ganze Region mitarbeitet. Zweitens: Wir sind die erste Neugründung "nach Corona". Wir wollen all das, was man in den letzten beiden Jahren an Verbesserungsbedarf für unser Gesundheitssystem erkannt hat, umsetzen. Deshalb bin ich Professor Wieler auch so dankbar, dass er in der Expertenkommission mitgearbeitet hat – obwohl er ja durchaus auch anderes zu tun hatte. Und der dritte und letzte Punkt: Gesundheitssystemforschung und Interprofessionalität sollen in Cottbus nicht das Sahnehäubchen sein, sondern der Kern.

 

Was wird aus der erst 2019 gestarteten standortübergreifenden Fakultät für Gesundheitswissenschaften (FGW) – und aus der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB)?

 

Die MHB hat sich hervorragend entwickelt. Ich bin ganz sicher, dass sie die anstehende Evaluation durch den Wissenschaftsrat mit Bravour meistern wird – und dabei unterstützen wir sie als Land auch finanziell. Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften sollte ja in kleinen Teilen die staatliche Unimedizin ersetzen. Die Rahmenbedingungen haben sich jetzt natürlich geändert. Ich habe die drei Trägerhochschulen aber so verstanden, dass sie die FGW weiterführen wollen. Das finde ich auch sehr vernünftig.

 

Sie finden es vernünftig – haben der FGW aber ordentlich geplante Professuren weggekürzt. Ist sie überhaupt noch überlebensfähig?

 

Definitiv. Wir finanzieren die FGW ja nach wie vor mit 2,5 Millionen Euro jährlich. Wir haben nichts weggekürzt – wir haben nur die Finanzierung für den weiteren Aufbau gestoppt. Im Übrigen gilt: Wenn weitere Professuren den Hochschulen wichtig sind, können sie diese auch aus ihrem Globalhaushalt finanzieren.

 

"Sobald wir zu den Unimedizin-Ländern gehören, 

werde ich mich in der mir eigenen Zurückhaltung 

an den Debatten beteiligen."

 

Der Medizinische Fakultätentag äußert sich auffällig zurückhaltend. Das Problem sei, sagt MFT-Generalsekretär Frank Wissing, dass Bund und Länder sich noch immer um die Inkraftsetzung der neuen Approbationsordnung stritten. "Ob sich die spannenden Innovationen und Schwerpunkte im Studiengang so umsetzen lassen, ist also offen." Ihre Antwort?

 

Uns war von Anfang an klar, dass wir vom ersten Tag an die neue Approbationsordnung umsetzen werden. Sie werden aber verstehen, dass ich den 14 Ländern mit eigener Unimedizin, die seit Jahren mit dem Bund um das Thema ringen, vom Spielfeldrand keine klugen Tipps geben werde. Aber Sie können sicher sein: Sobald wir zu den Unimedizin-Ländern gehören, werde ich mich in der mir eigenen Zurückhaltung an den Debatten beteiligen.

 

Die Kohlegelder vom Bund, die die neue Hochschule ganz überwiegend finanzieren, reichen bis 2038. Und dann? Immerhin lautete das Argument der Landesregierung, dass Brandenburg bislang keine eigene staatliche Hochschulmedizin hatte, immer: Das können wir uns nicht leisten.

 

Um ehrlich zu sein, gibt es ja auch andere Länder, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind und die dennoch eine Unimedizin haben. Ich würde sagen: Wir können uns den Verzicht auf eine staatliche Medizin nicht mehr leisten. Und ehrlich gesagt, wäre das auch gegenüber den anderen Ländern nicht fair. Wir werden die Finanzierung nach 2038 sicherstellen. Zugleich bin ich sicher, dass wir dann so gut sein werden, dass der Bund sich freuen wird, uns weiter zu unterstützen.

 

Die anderen Hochschulen fürchten trotzdem, dass sie dann für die Unimedizin werden bluten müssen – und dass auch ein anderslautendes Versprechen im aktuellen Koalitionsvertrag ihnen 2038 wenig nützen werde.

 

Da gibt es eine klare Ansage von mir: Wenn bei den anderen staatlichen Hochschulen auch nur ein Cent gekürzt würde, um die Unimedizin aufzubauen, würde ich das Projekt nicht machen. Das habe ich heute auch so im Kabinett gesagt. Und niemand hat widersprochen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Dr. Dieter Hölterhoff (Mittwoch, 22 März 2023 16:15)

    Ich finde es sinnvoll, dass BB die Fehler der ersten Regierungszeit beseitigt, als man sich auf Berlin verließ, das Medizin ebenso wie Teile der Lehrkäftebildung übernehmen wollte/sollte. Angesichts des NC in der Medizin und der fehlenden Ärzte ist es sinnvoll, dass jedes Land seine eigene medizinische Ausbildung durchführt. Gerade auch, um sowohl die ausgebildeten Mediziner:Innen als auch die Forschung in der Region zu haben. Die Lausitz ist weit genug von Dresden, Leipzig und Berlin entfernt. Sinnvolle Anlage des Geldes aus dem Ende der Braunkohle. Das muss die Landesregierung jetzt nur ordentlich den Menschen erklären.

  • #2

    Leander K (Donnerstag, 23 März 2023 14:43)

    Ich verstehe die Gründung einer Medizin-Fakultät in Cottbus, jedoch kann ich das argument warum es eine eigene Universität werden soll nicht nachvollziehen. Ich sehe immer etwas eine Distanz und Isolation zwischen mehreren Hochschulen an einem gleichen Standort. Will da jemand sein eigenes reich aufbauen?