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Lehrkräfte gegen Antisemitismus unterstützen

Die Solidarität mit Israel ist allgegenwärtig. Doch angesichts von antisemitischem Mobbing und Diskriminierung an Schulen fühlen sich Lehrer oft alleingelassen und überfordert.

AN POLITISCHEN BEKENNTNISSEN gegen die Hamas-Terrorangriffe mangelt es dieser Tage nicht. Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) beschwor am Donnerstag ihre Solidarität mit Israel nach den Hamas-Terrorangriffen und versprach, sie werde "gemeinsam mit allen zuständigen Stellen… alles daransetzen, den Schulfrieden zu wahren, indem jede Form von Antisemitismus, Solidaritätsbekundungen mit und Rechtfertigungen von terroristischen Aktivitäten verurteilt und unterbunden werden". Und weiter: "Unsere Schulen sind der Ort, an dem Frieden, Versöhnung und Toleranz vermittelt werden."

 

Vermittelt: ja. Gelebt: vielerorts nein. Dass ein Schüler eines Gymnasiums in Berlin-Neukölln am vergangenen Montag mit einer Palästina-Fahne auf dem Schulhof erschien und sich eine gewalttätige Auseinandersetzung mit einem Lehrer lieferte, ist dabei nur ein Beispiel. Dass, wie Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bestätigte, am Freitag viele jüdische Kinder aus Angst ihren Kitas und Schulen fernblieben, ein zweites, noch Dramatischeres. Nicht vergessen sollte man angesichts der Bilder von feiernden arabischstämmigen Jugendlichen aber auch, dass menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Ansichten weit in die Gesamtgesellschaft hineinreichen. 

 

Nach der Aiwanger-Affäre legten die Freien Wähler
bei der Landtagswahl um vier Prozentpunkte zu

 

So hatte im April der Brandbrief von Lehrkräften einer Schule im Spree-Neiße-Kreis für Aufsehen gesorgt, demzufolge man im Schulalltag täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert sei und nicht länger schweigen wolle. Zudem ist es erst wenige Wochen her, dass Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger angesichts der Affäre um ein ekelhaftes antisemitisches Flugblatt forderte, die Schule müsse wieder "ein geschützter Raum werden, wo sich Schüler entwickeln können". Bei der bayerischen Landtagswahl legten Aiwangers Freie Wähler um vier Punkte auf 15,8 Prozent zu. 

 

Überzeugungen und Worte bilden den Nährboden für Taten und Gewalt. Und auch wenn die KMK unter anderem auf ihre 2021 zusammen mit dem Zentralrat der Juden und den Antisemitismusbeauftragten von Bund und Ländern verabschiedeten Empfehlungen zum "Umgang mit Antisemitismus in der Schule" verwies: Viele Lehrkräfte wissen eben nicht, wie sie mit den alltäglichen Ausfällen umgehen sollen. Sie fühlen sich allein gelassen und überfordert mit einem tiefgreifenden Problem, das keines allein der Jugend, der Schulen oder bestimmter Milieus ist. 

 

Dass viele Länder den Schulen Handreichungen gegeben haben oder geben wollen, wie sie mit Hass, Antisemitismus und Gewalt umgehen können, ist das eine. Dass, worauf die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, im Tagesspiegel hinwies, das deutsche Antidiskriminierungsrecht gegen antisemitisches Mobbing und Diskriminierung in der Schule bislang keinerlei Hebel biete, das andere. Einzige Ausnahme: ausgerechnet Berlin mit seinem Landesantidiskriminierungsgesetz. 

 

Mehr Disziplinarmaßnahmen, aber weniger Geld
für die Bundeszentrale für politische Bildung?

 

Am Freitag untersagte Bildungssenatorin Günther-Wünsch darüber hinaus per Schreiben an die Schulleitungen unter anderem das Tragen von Palästinensertüchern an Berliner Schulen. Das Verbot gelte für "jede demonstrative Handlungsweise oder Meinungsäußerung, die als Befürwortung oder Billigung der Angriffe gegen Israel oder Unterstützung der durchführenden Terrororganisationen wie Hamas oder Hisbollah verstanden werden können" – und auch für "Symbole, Gesten und Meinungsäußerungen", die die Grenze der Strafbarkeit noch nicht erreichten. Dies werde so auch rechtlich nachgehalten, bestätigte Günther-Wünsch in einer KMK-Pressekonferenz am Freitag.

 

Aktuell liegt der Fokus zu Recht auf den arabischstämmigen Jugendlichen. Neben solchen klaren Regeln für Disziplinarmaßnahmen braucht es aber auch mehr Geld und mehr personelle Ressourcen für Aufklärung und Bildungsprojekte gegen Antisemitismus in jeder Form und für alle Altersgruppen. 

 

Wie das mit dem Mangel an Lehr- und Fachkräften an den Schulen einhergehen soll, ist schleierhaft. Noch schleierhafter ist, wie man in einer solchen Zeit die staatlichen Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung um 20 Prozent streichen will. Vielleicht sollte sich die KMK einmal dazu äußern. 

 

Dieser Text erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



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