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Digitalpakt 2.0: Ministerpräsidenten fordern 1,3 Milliarden pro Jahr vom Bund

Bei ihrem Treffen mit Kanzler Scholz am Montagabend spielte das Bund-Länder-Programm dann aber offenbar kaum eine Rolle.

Foto: StockSnap / pixabay - cco.

DEN LÄNDERN war das nicht genug: Mehrfach, demonstrativ und öffentlich hatte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in den vergangenen Monaten versprochen, sich "mit Nachdruck" für einen Digitalpakt 2.0 einzusetzen. Hintergrund waren die Befürchtungen ihrer Landeskollegen, die Bundesregierung könnte die im Ampel-Koalitionsvertrag versprochene Neuauflage des Milliardenprogramms platzen lassen. Denn obwohl die erste Phase bereits im Mai 2024 ausläuft, ist bislang im Entwurf des Bundeshaushalt 2024 kein einziger Euro für eine Anschlussfinanzierung eingestellt – und erst recht nichts für die Fortsetzung. Kein Wunder: Hatte Stark-Watzingers BMBF doch außerdem angekündigt, den Digitalpakt 2.0 auf 2025 verschieben zu wollen.

 

Seit Montag ist die Digitalpakt-Fortsetzung nun auch offiziell Chefsache. Kurz vor ihrem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderten die Ministerpräsidenten aller 16 Länder die Bundesregierung per Beschluss auf, "die im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen umzusetzen und die Länder dauerhaft bei der digitalen Ausstattung der Schulen zu unterstützen." Und sie bezifferten den Betrag, den sie künftig vom Bund erwarten.

 

Die Gelder des ersten Digitalpakts sind
fast vollständig aufgebraucht

 

Tatsächlich geht es um viel Geld: Fünf Milliarden Euro hat der Bund für die Jahre 2019 bis 2024 zur digitalen Ertüchtigung der Schulen zur Verfügung gestellt, die Länder mussten nur 500 Millionen obendrauf legen. Hinzu kamen noch drei jeweils eine halbe Milliarde schwere Corona-Sonderpakete des Bundes zur Ausstattung von Schülern und Lehrkräften mit Endgeräten und für die Finanzierung von Software-Administratoren. Im Juli 2023 waren rund 90 Prozent der Digitalpakt-Gelder gebunden, inzwischen berichten viele Länder, ihr Anteil sei jetzt vollständig verplant oder aufgebraucht. Umso stärker fürchten die Kultusminister die Förder-Abrisskante.

 

Unionspolitiker:innen wie Schleswig-Holsteins Ressortchefin Karin Prien hatten deshalb im Sommer sogar den Abschluss der parallel laufenden Verhandlungen zum Startchancen-Programm von der Digitalpakt-Zukunft abhängig gemacht. "Ohne die Klarheit über eine Finanzierung des Digitalpakts 2.0 durch den Bund kann es keine Verständigung zum Startchancen-Paket geben", sagte Prien. Während die Bildungsminister von SPD und Grünen sich zumindest mit öffentlich mit öffentlicher Kritik zurückhielten.

 

Im September dann gab Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe angesichts von Stark-Watzingers Zusicherungen zu Protokoll, dass er jetzt viel optimistischer als im Sommer sei: "Als Sprecher der SPD-Bildungsministerinnen und -minister gehe ich davon aus, dass das Bundesbildungsministerium und die Bundesregierung wie vereinbart auch den Digitalpakt ab dem Jahr 2025 fortsetzen werden." Zugleich lobte er Stark-Watzinger dafür, dass sie sich "klar für die Fortsetzung des Digitalpaktes einsetzt". Allerdings schien auch Rabe bei allem zur Schau getragenen Optimismus Restzweifel zu haben, denn er fügte hinzu, dass es "überdies hilfreich" sei, "wenn auch die Bundesregierung sowie die Regierungsfraktionen sich genauso klar für den Digitalpakt aussprechen."

 

Genau so ein Bekenntnis hatten im Juni bereits die Ost-Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen von Kanzler Scholz verlangt, aber nicht in der gewünschten Form erhalten. Woraufhin Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ankündigte, er werde im Kreise der Ministerpräsidenten "Druck aufbauen", dass der Bund den Digitalpakt 2.0 nicht wegkürze. Es sei unfassbar, wie "zukunftsvergessen" diese Bundesregierung sei.

 

Länder wollen vom Bund schon für 2024
600 zusätzliche Digitalpakt-Millionen 

 

In ihrem Beschluss am Montagabend formulierten die Ministerpräsidenten ihre Forderungen gen Bund nun wie folgt: schon von Juni 2024 an mindestens 600 Millionen Euro bis Jahresende "sowie daran anschließend in Höhe von jährlich mindestens 1,3 Milliarden Euro im Bundeshaushaltsplan". Das Geld solle der Anschaffung von Hardware, der Gerätewartung und Administration diene, außerdem, was eine Neuerung wäre im Vergleich zum Digitalpakt 1.0, zur Finanzierung digitaler Programmstrukturen, von Lehr- und Lernsoftware und datenschutzkonformer digitaler Lehr- und Lernmittel. 

 

Angaben, wieviel sie selbst für den Pakt locker zu machen bereit sind, machten die Ministerpräsidenten dagegen nicht. Dabei ist genau das ein entscheidender Knackpunkt: In ihrem Beschluss zum Bundeshaushalt 2024 hatte die Bundesregierung festgelegt, dass der Finanzierungsanteil des Bundes bei neuen Maßnahmen, bei denen der Bund die Länder unterstützt, nur noch maximal 50 Prozent betragen dürfe. Wobei die Länder wie auch schon bei den ebenfalls schwierigen Verhandlungen um die Fortsetzung des (im Vergleich winzigen) HAW-Forschungsförderprogramms argumentieren, es handle sich ja gar nicht um ein neues Programm. 

 

Wie aber reagierte Olaf Scholz auf den Beschluss seiner Länderkollegen? Offenbar so gut wie gar nicht. Dem Vernehmen nach gab es lediglich einen kursorischen Bericht aus dem BMBF, dass die Digitalpakt-Verhandlungen mit den Ländern aktuell liefen. Offiziell wurden bis Dienstagabend nur die Beschlüsse zu den zentralen Tagesordnungspunkten der gemeinsamen Sitzung der Regierungschefs von Bund und Ländern veröffentlicht.

 

Hessens Kultusminister Lorz: Stillstand
trifft die Kommunen und Schulen

 

Stehen die Zeichen auf weitere Konfrontation? Um doch noch den – von der Bundesregierung eigentlich bereits ausgeschlossenen – nahtlosen Übergang zwischen Digitalpakt 1.0 und 2.0 zu erreichen, beauftragten die Ministerpräsidenten jedenfalls die Kultusministerkonferenz, die Digitalpakt-Verhandlungen mit dem Bund "zügig fortzusetzen" – "auf dieser Grundlage" – womit ihr gesamter Beschluss gemein ist, inklusive ihrer Finanzforderungen und dem Start schon Mitte 2024.

 

Wie realistisch das ist, kann man hinterfragen. Schon am 1. Dezember soll der Haushalt für 2024 final beschlossen werden, der Durchbruch hätte also eigentlich jetzt, beim Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler kommen müssen.

 

KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch, im Hauptberuf CDU-Bildungssenatorin in Berlin, nannte es am Dienstagnachmittag auf Anfrage "erfreulich, dass die Ministerpräsidenten die Forderung nach einer nahtlosen Fortsetzung des Digitalpakts mit ihrem Beschluss derart deutlich unterstützt haben". Bundesministerin Stark-Watzinger habe sich ebenfalls bereits für eine Fortsetzung ausgesprochen. "Es ist nun an der Bundesregierung, die finanziellen Mittel bundesseitig bereitzustellen."

 

Noch deutlicher wurde Hessens Kultusminister Alexander Lorz, der die Bildungspolitik der unionsregierten Länder koordiniert. Auf Anfrage kommentierte er: Trotz des einhelligen Beschlusses aller Länder zum Digitalpakt sorge die Bundesregierung leider "weiterhin nicht für die dringe notwendige Klarheit." Der Stillstand treffe nicht nur die Länder, sondern gerade die Kommunen und die Schulgemeinden. "Alles andere als die Fortführung des gemeinsamen Programms wäre ein schwerer Rückschlag für die Digitalisierung in unseren Schulen."

 

Auswirkungen auf die
Startchancen-Verhandlungen?

 

Derweil sind auch Auswirkungen auf die "Startchancen" weiter denkbar. Im Oktober hatten die Kultusminister die zuvor mit dem BMBF ausgehandelten Eckpunkte zur Kenntnis genommen, zugleich aber per Protokollerklärung an die Bundesregierung appelliert, "Klarheit und eine verlässliche Basis für den Digitalpakt durch eine unmissverständliche Finanzierungszusage für den Zeitraum ab Mitte 2024 zu schaffen." Für die Modernisierung der Schulen und die Bildungsqualität seien das Zusammenwirken von Digitalpakt und Startchancen-Programm gleichermaßen wichtig.

 

Hinter vorgehaltener Hand waren einige Minister damals noch deutlicher geworden: Gebe es zum Digitalpakt keine Einigung, könne das den "Startchancen"-Abschluss bis Jahresende in Frage stellen. Als nächstes schauen jetzt alle auf die Koalitions-Haushaltspolitiker. Am 16. November findet die große Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses für den Bundeshaushalt 2024 statt.


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