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Die Empörung herunterdimmen

Wenn Fördermittel gestrichen werden, ist der Aufschrei meist groß, auch in der Wissenschaft. Dabei wäre Differenzierung oft angebracht.

Foto: Tim Reckmann, CCO.

"EINE KATASTROPHE für die Sozialwissenschaften", erkannte die taz vergangene Woche angesichts der Mitteilung, dass das Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS), einst gegründet und bis heute finanziert durch Jan Philipp Reemtsma, 2028 schließen soll. Ausgerechnet der Ort, befand die taz, wo empirische und unabhängige Sozialforschung stattfinde, die an Universitäten immer weniger möglich sei. 

 

Und als bekannt wurde, dass die Ampel-Koalition eine dreistellige Millionensumme bei der Förderung der Batteriezellforschung einsparen wollte, warnten die im "Kompetenznetzwerks Lithium-Ionen-Batterien" (KLiB) organisierten Forscher und Unternehmen vor "dramatischen Konsequenzen" und dem "Ende der deutschen Batterieforschung". KLiB-Geschäftsführer Michael Krausa sagte laut Tagesspiegel Background, die wertvolle Struktur "Dachkonzept Batterieforschung"  könne so nicht aufrechterhalten werden.

 

Die Reaktionen sind fast immer die gleichen: Soll etwas geschlossen, sollen Fördermittel wegfallen, passiert das immer genau an der falschen Stelle, steht die ganze Zukunft auf dem Spiel. Da ist die Wissenschaft wie andere Branchen.

 

Differenzierungen bleiben dann schnell auf der Strecke. Dass etwa, wie die Münchner Soziologieprofessorin Paula-Irene Villa Braslavsky anmerkte, das HIS kaum eigene empirische Sozialforschung gemacht habe, im Gegensatz zu Steffen Mau, Jutta Allmendinger oder Olaf Groh-Samberg, die alle (auch) Uniprofessoren sind. 

 

Oder dass besagtes "Dachkonzept Batterieforschung" vor allem eine politisch ausgehandelte Kompensation war, um diejenigen Bundesländer zufrieden zu stellen, die sich 2019 im Streit um die Batterie-Forschungsfabrik Münster von der damaligen Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) ausgebootet fühlten. Der noch laufende Bau der Fabrik, der übrigens nicht von den Kürzungen bedroht war, machte in den ersten Jahren wiederum vor allem durch seine Verzögerungen Schlagzeilen.

 

Hinzu kommt: Es war die Industrie, die, bevor sie endlich aufwachte, die Batterieforschung selbst über Jahre dramatisch vernachlässigt hatte. Und jetzt sollte ein drohendes Minus von 155 Millionen öffentlicher Projektförderung ihr den Garaus machen?  

 

Priorisieren in der Krise

 

Das HIS wird aus Privatvermögen bezahlt, die Batterieforschungsförderung aus dem Staatshaushalt. Beide sind endlich, letzterer derzeit erst recht nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF). 

 

Bildung und Forschung sollten eine besondere Stellung genießen bei den öffentlichen Ausgaben. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch innerhalb der Forschungshaushalte priorisiert werden muss. Weil dazu in normalen Zeiten oft der politische Mut fehlt, passiert das meist in der Krise. 

 

Das ist nicht schön, kann aber manchmal sogar heilsam sein bei der Auflösung von Verkrustungen. Und selbst wenn dabei Fehler passieren, täte es dem öffentlichen Diskurs gut, auch in der Forschung die Empörungstonlage herunterzudimmen.   

 

In seiner Bereinigungssitzung am Donnerstag hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die Kürzung übrigens abgeschwächt – um zunächst 20 Millionen Euro für 2024 und insgesamt 70 Millionen. Hinzu kommt, dass viele Bundesländer eigene Forschungsmittel in dieses Technologiefeld stecken.

 

Eines ist trotzdem klar: Auch künftig  hängt die Batterieforschung in Deutschland vor allem von der Bereitschaft der Unternehmen ab, weiter kräftig zu investieren. Und zwar Milliarden. Dann können sie sich übrigens mehr staatliche Förderung holen, als durch die eingesparten Millionen aus dem Klima- und Transformationsfonds verlorengehen. Die steuerliche Forschungszulage macht es möglich. 

 

Dieser Kommentar erschien in gekürzter Fassung zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


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Kommentare: 4
  • #1

    Roman Held (Montag, 22 Januar 2024 10:00)

    Wieder einmal ein sehr guter und absolut zutreffender Beitrag mit richtigen und wichtigen klaren Worten durch den Autor.

    Der Kampf um Millionenförderungen für die Batterieforschung über Bundesmittel, teilweise flankiert von Landesmitteln (abhängig vom Bundesland), insbesondere für Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen seit 2019 in Deutschland, war damals wie heute viel zu einseitig hauptsächlich auf die Befriedigung des Drittmittelhungers fokussiert und kaum auf die deutsche Wirtschaft ausgerichtet. Ein notwendiger enger Schulterschluss mit der deutschen Automobilindustrie, um gemeinsame wirtschaftsgetriebene Projekte umzusetzen, wurde selbst in der angewandten Forschung nicht zielstrebig genug verfolgt.

    Und schaut man heutzutage auf die bereits im Betrieb, im Bau oder in der Planung befindlichen Batteriezellfabriken in Deutschland, so muss man kritisch und deutlich feststellen, dass nahezu unabhängig von den vielen Millionen, die für die akademischen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ohne klare wirtschaftspolitische Fokussierung ausgegeben wurden, insbesondere ausländische Batteriehersteller in Deutschland Kapazitäten mit konventionellen Batteriezellverfahren ohne erkennbare innovative Technologien aufgebaut haben. Volkswagen als erstes deutsches Unternehmen wird voraussichtlich 2025 seine Produktion aufnehmen.

    Deutsche Politiker haben jahrelang, insbesondere unter der christdemokratischen Merkel-Regierung, der deutschen akademischen Forschungslandschaft in der Batterieforschung (aber auch in anderen Branchen) blind vertraut und im Rahmen des Pakts für Forschung jährlich steigende Beträge an Universitäten, Fraunhofer, Max Planck et al. gepumpt, um das geforderte 3%-Ziel zu erreichen. Eine konsequente Verwertung gemeinsam mit deutschen Unternehmen mit dem Ziel, im internationalen Wettbewerb bestehen zu können und damit Wertschöpfung im Land zu halten und auszubauen, wurde nicht ausreichend abverlangt und/oder verfolgt.
    Ein Beispiel, das dem einst international so attraktiven Wirtschaftsstandort Deutschland massiv geschadet hat.

    In der deutschen Forschungsförderpolitik braucht es zukünftig ein klares Umdenken und angepasstes Handeln, wenn Deutschland vom letzten Platz in Europa wieder weiter nach vorne will!



  • #2

    Hans Bernert (Montag, 22 Januar 2024 13:20)

    Die Ermahnung leuchten schon ein ("Da ist die Wissenschaft wie andere Branchen", und evtl. wäre es ohnehin besser, die Privatwirtschaft würde sich FuE-mässig breitflächig etwas mehr ins Zeug legen), aber die Empörung, scheint's, rührt ja vermutlich weniger von der Prioritätenproblematik her, sondern von der scheinbar konzeptlosen Logik der Umsetzung. Die Symbolwirkung für Aussenstehende jedenfalls kaum nachvollziehbar, wenn nun etwa/ausgerechnet "Batterieforschung" ihre paar Millionen nicht bekommen sollte, während die Bundesministerin mit Datenbrille ihre Showtermine absolviert oder irgendwelche Freiheitsgesetze durchboxt. Sieht nicht gerade nach "Plan" aus (passt zwar immerhin zur FDP.)

  • #3

    A German in Boston (Dienstag, 23 Januar 2024 19:39)

    @Held: Volle Zustimmung. Die deutsche Innovations-förderung braucht einen komplette Reset. Nicht zum Schein, wie bei SPRIND und DATI, sondern echt.

  • #4

    H Schmidt (Donnerstag, 25 Januar 2024 12:46)

    "Der noch laufende Bau der Fabrik, der übrigens nicht von den Kürzungen bedroht war, machte in den ersten Jahren wiederum vor allem durch seine Verzögerungen Schlagzeilen. "
    Da wäre es ja dann eher logisch gewesen, bei der Batteriefabrik -sprichwörtlich- den Stecker zu ziehen, und dagegen die übrige Batterieforschung beizubehalten.
    Es ist in der Öffentlichkeit nicht kommunizioerbar, wenn man die Mittel für die Batteriefoschung um 75% kürzt, und gleichzeitig eine Ablösung des Verbrenners durch Elektroautos fordert.