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Schnelle Hilfe, ziemlich langsam

BMBF und Studentenwerk verhandeln noch über die Details der Überbrückungshilfe für die bedürftigsten Studierenden. Kann die Auszahlung ab 1. Juni trotzdem klappen?

ZWEI WOCHEN SIND vergangen, seit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ihr Studierenden-Nothilfe Paket präsentiert hat, doch wer genau, wann und unter welchen Umständen von dem darin enthaltenen 100-Millionen-Euro Zuschuss profitiert, ist noch offen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) arbeite mit dem Deutschen Studentenwerk (DSW) "mit Hochdruck daran, dass alle 57 Studentenwerke die Überbrückungshilfe zum 1. Juni 2020 anbieten könnten", lautet der einzige Satz, den Karliczeks Haus heute auf Nachfrage zum Stand der Umsetzung herausgab.

Die Studentenwerke sollen, so der von der Ministerin am 30. April vorgestellte Plan, über ihre bestehenden Nothilfefonds den von der Krise am stärksten getroffenen Studierenden helfen – mit einem vom Bund finanzierten Zuschuss von maximal 500 Euro für maximal drei Monate, der im Gegensatz zu den parallel angebotenen KfW-Krediten nicht zurückgezahlt werden muss. Reserviert sein soll der Zuschuss für Betroffene in "besonders akuten Notlagen", die über keine andere Finanzquelle verfügen und sonst möglicherweise ihr Studium abbrechen müssten. Genau das sind aber auch die Studierenden, die am dringendsten auf das Geld warten.

Ist der vom BMBF genannte 1. Juni zu halten? Und wenn ja, ist er auch so zu verstehen, dass die Studierenden dann sofort ihr Geld überwiesen bekommen? Die Ungeduld bei den Betroffenen wächst – und offenbar auch beim Koalitionspartner SPD, der sich auf den Nothilfe-Kompromiss eingelassen hat und dafür viel Kritik von Studierendenverbänden und der Opposition einstecken musste. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek sagt: "Es ist unverständlich, dass das so lange dauert. Das Ministerium hatte sich schon zu viel Zeit gelassen, um überhaupt eine tragfähige Lösung zu präsentieren. Teilzeitstudierende mit Kind oder ausländische Studierende beispielsweise haben bislang keinen Zugriff auf notwendige Hilfen. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet die bedürftigsten Studierenden jetzt noch länger warten müssen."

"Es braucht Zeit, so etwas zum ersten Mal zu implementieren"

Das DSW ist ein wenig auskunftsfreudiger als das BMBF. Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde sagt: "Wenn Sie 100 Millionen Euro über ein völlig neues Verfahren verteilen wollen, müssen Sie zunächst die Antragskriterien definieren, und Sie müssen die technische Infrastruktur schaffen, an beiden arbeiten wir sehr intensiv." Für beide Partner, die Studierendenwerke und das BMBF, sei das Verfahren, eine BMBF-Zuwendung in dieser Form weiterzuverteilen neu. "Es braucht Zeit, so etwas zu ersten Mal zu implementieren."

Alles nachvollziehbar und, wenn man drüber nachdenkt, eigentlich auch erwartbar. Doch gehörte zu den Argumenten Karliczeks, warum sie über die Notfonds der Studierendenwerke statt – wie von vielen gefordert – über eine vorübergehende Öffnung des BAföG gehen wollte, neben grundsätzlichen Erwägungen (keine Systemvermischung!) eben auch das Zeitargument: Eine Änderung des BAföG würde angesichts der Notsituation zu langes Gesetzgebungsverfahren nach sich ziehen, betonte die Ministerin im April in einem Schreiben an ihrer Länderkollegen. Und im Interview hier im Blog sagte die Ministerin vor genau einer Woche zu der Überbrückungshilfe, bestehend aus KfW-Kredit und Notlagen-Zuschuss: "Damit ist auch sichergestellt, dass die Hilfe schnell und unbürokratisch kommt."

Die Darlehens-Komponente des Pakets kann bereits beantragt werden – allerdings nur von inländischen Studierenden. Die internationalen müssen, worauf SPD-Mann Kaczmarek anspielt, noch länger warten. Auch sonst hatte der beschlossene KfW-Notkredit vergangene Woche erneut Debatten ausgelöst. So hatte unter anderem das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) gewarnt, weil die Kredite nur vorübergehend zinslos sein sollen, dürfe nicht der Eindruck entstehen, "der Lockdown würde genutzt, um mit einem kurzfristigen Lockvogelangebot langfristig zahlende Kunden für die KfW zu werben." Auch DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde sagte, das vorgesehene Kreditmodell entspreche "nicht der nach außen suggerierten Ansage, dass es generell zinslose Darlehen geben soll, sondern es wird eine richtig teure Veranstaltung für die Studierenden." Eine Beispielrechnung des Landen-Asten-Treffen NRW ergab, dass der Bund bei einem jetzt abgeschlossenen KfW-Kredit mit zwölf Auszahlungen von jeweils 650 Euro insgesamt maximal 152,65 Euro Zinsen übernehmen würde. Die Zinslast bis zur Abzahlung des Kredits, inklusive der 18-monatigen Karenzphase, betrage jedoch bei einer Tilgungsrate von 50 Euro pro Monat insgesamt rund 4100 Euro.


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