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Der Reiz der Rangliste

Vom Stolz in Jena bis zum Ausstieg der Sorbonne: Was das widersprüchliche Verhältnis der Hochschulen zu den Uni-Rankings über den Zustand der Wissenschaft verrät.
Gebaeude mit Haupteingang der Universität Paris La Sorbonne.

La Sorbonne in Paris ist die renommierteste Universität Frankreichs. Foto: flickr / CC BY-SA 2.0.

"UNSERE UNIVERSITÄT gehört zu den besten elf Prozent der Universitäten weltweit", verkündete die Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena vergangene Woche per Social-Media-Post – als sei das eine wissenschaftlich, wenn nicht gar amtlich bestätigte Tatsache.

Grundlage des Stolzausbruchs war allerdings lediglich die neueste Ausgabe des World University Rankings, herausgegeben von Times Higher Education (THE).

Daher auch die schräge Prozentangabe: THE hatte Jena der Ranggruppe 201 bis 250 zugeordnet – innerhalb der Grundgesamtheit von 2.191 Universitäten, die ins Ranking eingegangen waren. Ergo: Top-Elf-Prozent – obwohl schon eine oberflächliche Recherche ergeben hätte, dass sich die Zahl der Universitäten weltweit auf mehrere zehntausend beläuft.

Auch sonst sollte man denken, dass eine Universität wie Jena gerade angesichts der behaupteten Zugehörigkeit zur internationalen Wissenschaftselite mit einer Uni-Rangliste, deren Aussagekraft und methodischen Schwächen kommunikativ etwas behutsamer verfährt.

Wenn aus Wissenschaft Marketing wird

Stattdessen setzten die Thüringer noch einen drauf – und lieferten eine Kachel mit dem Konterfei von Unipräsident Andreas Marx mit, neben dem groß das Wort "Aufstieg" prangte und "Uni auf Platz 19 im nationalen Vergleich", als handle es sich um die neuesten Bundesliga-Ergebnisse.

Doch ich will gar nicht allein auf Jena herumhacken. Auch an anderen deutschen Universitäten, die sich als Ranking-Gewinner fühlten, arbeiteten die Marketing-Abteilungen auf Hochtouren. Im Falle der Technischen Universität München (TUM) war es sogar der Präsident Thomas F. Hofmann persönlich, der auf seinem LinkedIn-Account jubelte: "Die beste Universität in der Europäischen Union!" Eine Behauptung, die auch erst funktioniert, seit Großbritannien die EU verlassen hat.

Immerhin formulierte Hofmann im weiteren Verlauf seines Posts etwas weniger absolut: Nun schon das dritte Jahr "sieht uns" das THE-Ranking auf diesem Spitzenplatz, schrieb er – und ergänzte, dass man global auf Platz 27 liege, im "ebenfalls sehr renommierten QS World University Rankings ist es sogar Rang 22 weltweit".

Das mit dem "renommiert" musste wohl sein, weil sich sonst noch viel direkter die Frage aufdrängen würde, warum man als renommierter Wissenschaftler Rankingergebnisse wie Tatsachen behandelt.

Eigentlich ist die Antwort aber recht einfach: Da sprach nicht der Wissenschaftler Hofmann, sondern der Uni-Chefmanager Hofmann, der – nebenbei erwähnt – demnächst den Gutachtern bei deren Ortsbesuch erklären wird, warum die TUM die Verlängerung ihres Exzellenzuni-Status verdient.

Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit

Aber ich will auch gar nicht speziell die Münchner aufs Korn nehmen. Ich will nur festhalten: Vielfach wurde vor allem die britische Ranking-Industrie gescholten aufgrund ihrer vereinfachenden Pseudogenauigkeit, ihrer Kriterienauswahl und -gewichtung, sie wurde der systematischen Bevorzugung angelsächsischer Hochschulmodelle verdächtigt, doch in vielen universitären Chefetagen gehen alle diese Bedenken über Bord, sobald man vergleichsweise gut abschneidet in den Liga-Tabellen. Dieses paradoxe Verhältnis der Hochschulen zu den Rankings führte in Deutschland in der Vergangenheit zum Beispiel dazu, dass man einerseits deren Qualität öffentlich in Frage stellte, anderseits erforschen ließ, wie man das eigene Erscheinungsbild speziell auf das Abschneiden in den Rankings hin optimieren konnte.

Sagen wir, wie es ist: Die Rankings, vor allem jene, die auf Bundesliga-Tabellen setzen, sind ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die Ranking-Macher verdienen ihr Geld mit Publikationen, über Anzeigen, über den Handel mit Daten und deren Analyse, mit jeder Menge Konferenzen – und sogar mit Beratungsangeboten zur Performance-Steigerung. Und die Hochschulen erhalten ein Marketing-Instrument, das wissenschaftliche Leistung so einfach bewertet und darstellt, wie sie zwar nicht ist, aber mit dem es sich mitunter hervorragend klappern lässt.

Und damit die mediale Spannung obenbleibt, werden jedes Mal andere Geschichten von Auf- und Abstieg erzählt. Diesmal etwa, so hob Times Higher Education hervor, sei es für Hochschulen aus Deutschland und Kontinentaleuropa auf breiter Front bergab gegangen. Zwar hält die Technische Universität München als bestplatzierte deutsche Einrichtung ihren Platz unter den Top 30, doch viele andere Unis verloren an Boden – Heidelberg,  Freiburg, Göttingen, die Berliner Humboldt-Universität. Sogar der Exzellenzstrategie-Abräumer Bonn. Während laut THE Universitäten etwa aus Ostasien nach oben drängen. Für Deutschland klingt das dramatischer, als es ist – die Unterschiede sind minimal –, aber es liefert neue Schlagzeilen.

Und doch: Immer wieder gibt es Institutionen, die nicht mehr mitmachen. Vielleicht aus ehrlicher Überzeugung oder weil sie glauben, gerade mit der Anti-Pose wiederum Imagepunkte sammeln zu können. Und es sind keineswegs die schlechtesten.

Zwischen Rebellion und Reform

Beispiel Universität Zürich: Die beschloss vergangenes Jahr, sich aus dem THE World University Ranking zurückzuziehen, indem sie keine Daten mehr zulieferte. Die Erhebung könne "die vielfältigen universitären Leistungen in Forschung und Lehre nicht umfassend abbilden", zitierte das Laborjournal die Uni. Der Ausstieg als Teil einer bewussten Strategie im Sinne von Open-Science-Prinzipien und qualitativer Leistungsbewertung – weg von quantitativen Kennzahlen, die bei Rankings dominieren.

Das jüngste Aussteiger-Beispiel sorgt für noch mehr Aufsehen. Die Sorbonne University, eine der ältesten und traditionsreichsten Hochschulen Europas, hat ebenfalls angekündigt, sich von 2026 an aus dem THE-Ranking zurückzuziehen.

In einem Interview mit Science Business begründete Uni-Präsidentin Nathalie Drach-Temam diesen Schritt ausdrücklich als Teil eines größeren Ansatzes: Viele Rankings seien "Black Boxes", deren Methoden nicht transparent seien, ethische Fragen aufwürfen und zudem nicht die Breite und Tiefe der universitären Missionen abbildeten – Recherche, Lehre, Gesellschaftsbezug.

Science Business sieht den Ausstieg der Sorbonne als Teil eines größeren Trends und zählt auf: Die Law Schools von Yale, Harvard und Columbia hätten ihren Abschied aus dem in den USA besonders einflussreichen Ranking von U.S. News & World Report erklärt, und in Südkorea hätten führende Forschungsuniversitäten zum Boykott des QS-Rankings aufgerufen.

Ein spezieller Fall ist die 2022 entstandene Initiative "More Than Our Rank" (MTOR). "Ob in den Top 10 oder noch ohne Platzierung", heißt es auf der Website, man wolle sowohl denen eine Stimme geben, die zwar stolz auf ihr Ranking seien, aber zugleich um die Grenzen solcher Kennzahlen wüssten – als auch jenen, die fänden, dass Rankings ihre "Stärken oder ihre Mission nicht widerspiegeln". Wissenschaftliche Institutionen würden sich mit ihrer Teilnahme zu einer "verantwortungsvollen Bewertungskultur" und zu einem "breiteren Verständnis von Erfolg" bekennen. Das Mitgliedslogo kann man dann auf die eigene Website stellen, übrigens auch nicht schlecht als Distinktionsmerkmal.

Und dann ist da auf europäischer Ebene die sogenannte CoARA, die "Coalition for Advancing Research Assessment".  Ihr Ziel: eine systemische Reform der Forschungsbewertung zu ermöglichen, bei der qualitative Beurteilungen (Peer Review) dominieren und quantitative Indikatoren nur verantwortet eingesetzt werden. Wichtigste Ideale sind Transparenz, Anerkennung der Vielfalt wissenschaftlicher Leistungen – und die Abkehr vom Primat metrischer Rankings. Aktuell haben fast 800 Organisationen den CoARA-Vertrag unterzeichnet, darunter zum Beispiel die Universität Zürich und die Sorbonne, und gelten somit als Mitglieder der Koalition. Und doch: Wie viele der übrigen Unterzeichner wohl gleichzeitig ihre Position in den jüngsten Rankings feiern?

Mir würde schon reichen, wenn Entscheidungen wie die der Sorbonne an den Hochschulen anderswo zu etwas mehr Bewusstsein und ja, Vorsicht, beim Umgang mit den Ranking-Ergebnissen führen würden. Übrigens auch in der öffentlichen Berichterstattung darüber.

Zwischen Bewusstsein und Selbstvergewisserung

Wie sagte der frühere Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität, Bernd Huber, schon 2014: "Man kann lange und zu Recht über die methodischen Schwächen dieser Listen philosophieren, am Ende muss man eingestehen, dass sie eine enorme Durchschlagskraft haben."

Was der Ausstieg der Sorbonne und schon länger die CoARA-Debatte zeigen, ist nicht nur ein Misstrauen gegenüber den Rankings, sondern auch ein wachsendes Bedürfnis nach anderen Formen akademischer Selbstvergewisserung.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Selbstinszenierungen aus Jena oder München weniger als Zeichen von Stolz denn als Symptom eines Systems, das nach Orientierung sucht. Rankings liefern einfache Geschichten, aber Wissenschaft braucht komplexe. Vielleicht liegt darin das eigentliche Dilemma – und die eigentliche Aufgabe, für Hochschulen wie für den Journalismus gleichermaßen.

Kommentare

#1 -

Anonym | Mi., 15.10.2025 - 13:57

"Zwar hält die Technische Universität München als bestplatzierte deutsche Einrichtung ihren Platz unter den Top 30, doch viele andere Unis verloren an Boden – Heidelberg, LMU München, Freiburg, Göttingen, Tübingen."

Das dürften die Kolleginnen und Kollegen an der LMU etwas anders sehen, wo sie doch 2024 #38 waren, 2025 #38 und nun für das 2026er Ranking Platz einen Platz #34 belegen (siehe: https://www.timeshighereducation.com/world-university-rankings/lmu-munich). Man mag jetzt vllt bemängeln, dass sie die Jahre davor auf #33 (2023) und #32 (2022 & 2021) lagen, und so mittelfristig einen Knick hatten. Aber so ganz schlüssig ist damit die Argumentation der THE nicht. 

Auch Tübingen stieg zumindest kurzfristig leicht auf, von 2025 #100 auf 2026 #98. 

Dem übrigen Tenor des Artikels kann man durchaus beipflichten. Natürlich liefert das Rankingsystem vor allem gegenüber der heimischen Politik - übrigens ebenso wie der Status als Exzellenzuniversität - vermeintlich schlagkräftige Argumente. Der allgemeinen Bevölkerung dürften die Rankings, anders als die erwähnten Bundesligatabellen, herzlich egal sein. 

Mitglied seit

10 Monate 3 Wochen

#1.1 -

jmwiarda Mi., 15.10.2025 - 15:04

Antwort auf von Anonym (nicht überprüft)

Die Fehler werden korrigiert. Ich hätte da genauer hinschauen sollen bei diesem Auf und Ab. 

Beste Grüße
Ihr Jan-Martin Wiarda

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