Zu hohe Zinsen bei Bildungskrediten: Staatsversagen?

Vergangene Woche hat das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) seinen Studienkredit-Test 2016 veröffentlicht. Verblüfft berichten die Autoren, dass die Zahl der abgeschlossenen Kreditverträge im vergangenen Jahr um zehn Prozent gesunken sei. So richtig erklären können sie sich das nicht. Vielleicht habe es was mit laxeren Anwesenheitsregeln und Regelstudienzeiten zu tun, spekulieren die CHE-Leute. An der Qualität der Angebote jedenfalls könne es nicht liegen, sie erreiche zum Teil „Spitzenergebnisse“.

 

Tatsächlich? Die staatliche KfW-Gruppe, die seit 2006 mehr als 237.000 Kredite vergeben hat, verlangt derzeit einen Zinssatz von 4,16 Prozent von interessierten Studenten. Die private Deutsche Kreditbank (DKB), die rühmlicherweise überhaupt noch einen Studienkredit im Programm hat, 6,49 Prozent. Einen Immobilienkredit mit zehn Jahren Laufzeit gibt es dagegen schon ab 1,1 Prozent. Und wer ein neues Auto kaufen, seine Wohnung neu einrichten oder sich, so die DKB, „einfach einen besonderen Wunsch erfüllen will“, dem bietet die Bank einen Effektivzinssatz von 3,89 Prozent.

 

Sicher: Es existieren alternative Angebote, Studienfonds etwa, die statt fester Zinssätze die Höhe der Rückzahlung vom späteren Einkommen abhängig machen, und es wundert kaum, dass sie gegen den Trend zulegen. Doch mehr als ein paar tausend Studenten im Jahr können sie alle zusammen nicht versorgen. Kann also die Erklärung für das drastische Minus bei den Studienkrediten insgesamt schlicht sein, dass Studenten rechnen können?

 

Aus Sicht der Banken ist der Zinsaufschlag auf den ersten Blick verständlich: Studenten können selten mit klassischen Sicherheiten aufwarten. Auf den zweiten Blick allerdings steckt eine reichlich kleinkrämerische Haltung dahinter: Offenbar trauen Kredit-Entscheider einem Auto mehr Schutz vor Kreditverlust zu als ein Hochschulstudium.

 

Auf den dritten Blick rückt eine ganz andere Frage in den Mittelpunkt. Haben wir es hier mit einem Staatsversagen zu tun? Wäre es nicht Aufgabe von Bund und Ländern, Bildungskredite soweit abzusichern und zu verbilligen, damit es nicht mehr, wie das CHE vermutet, attraktiver ist, sein Studium mit einem Nebenjob zu verlängern, als nach dem Abschluss ewig für überhöhte Zinsen zu blechen?

 

Wer jetzt entgegnet, es gebe doch BAföG für alle, die es wirklich brauchen, der verkennt die Lebenswirklichkeit vieler Studenten. Je individueller die Studienverläufe werden, je internationaler und abwechslungsreicher, und je ungewöhnlicher die Wege verlaufen aus dem Studium hinaus in die Berufswelt und zurück, desto wichtiger werden elternunabhängige Studienkredite. Doch so, wie sie gegenwärtig konzipiert sind, muss man ziemlich dämlich sein, sie aufzunehmen – oder, was sicherlich für die große Mehrheit der Studenten gilt, in einer extremen Notlage.

 

Wenn die Politik wirklich eine moderne, eine umfassende Studienfinanzierung will, muss sie das ändern.

 

Dieser Kommentar ist heute auch im ZEITChancen Brief erschienen. 

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