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Akkreditierung: Drama, Baby

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Artikelbild: Akkreditierung: Drama, Baby

Da sage nochmal jemand, dass Hochschulpolitik etwas für Langweiler sei. Erst betreibt Mecklenburg-Vorpommerns (MV) bisheriger Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) außerparlamentarische Opposition gegen sich selbst und unterschreibt einen Aufruf Heidelberger Professoren an die Kultusminister, die Akkreditierung von Studiengängen ersatzlos zu streichen. Dann einigt sich MV mit den übrigen Ländern in letzter Minute auf einen Kompromiss, und als alle Minister sich bereits erleichtert zurücklehnen, sagt Hessen: Nicht mit uns.

Kurz zur Erinnerung: Anfang des Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die bisherige Praxis der Genehmigung von Studiengängen verfassungswidrig sei. Bis Ende 2017 müssen die Länder eine Neuregelung vorlegen, und schnell ist man sich einig: Ein Staatsvertrag muss her. Doch während die meisten Wissenschaftspolitiker die Angelegenheit mehr als juristisch-ästhetische Angelegenheit betrachten, wittern Teile der Wissenschaft die Chance: Jetzt werden wir sie endlich los, dieses „administrative Monstrum“ (O-Ton Brodkorb). Und starten ein publizistisches Dauerfeuer, zuletzt diesen Mittwoch in der FAZ. 



Dann die zwei Wendungen. Vorvergangene Woche gibt MV seinen Widerstand auf und soll im Gegenzug das Recht erhalten, seine Diplom-Studiengänge weiterzutreiben. Und am Donnerstag sagt Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU): Diese Extra-Wurst akzeptieren wir nicht. Nette Ironie: Ein Minister, der keine Abstriche beim Staatsvertrag will, bringt ihn zu Fall. Und seine Kollegen kochen. Das, sagen sie, hätten Rhein und seine Leute ja mal früher ankündigen können.

Neue Hoffnung für die Heidelberger und ihre Unterstützer? Wohl kaum. Einmal abgesehen davon, dass die meisten Rektoren die Neuregelung ziemlich gut finden: Das Thema Akkreditierung ermüdet alle, die Angriffe von außen haben die Minister eher noch enger zusammengeschweißt. Der Staatsvertrag wird also kommen, voraussichtlich im Dezember. Hessen und MV werden sich bis dahin tief in die Augen schauen. Vielleicht wird Rhein dabei merken, dass die Extrawurst für MV gar nicht so groß ist, denn es gibt lediglich einen Bestandsschutz, neue Diplom-Programme sind nicht erlaubt. Ihm gegenüber wird übrigens kein Mathias Brodkorb sitzen. Der ist jetzt SPD-Fraktionsvorsitzender in MV. Und seine designierte Nachfolgerin Birgit Hesse hat sicher keine Lust, in der KMK gleich als Bremserin anzufangen. So bleibt am Ende vor allem eines: ein bisschen Drama, Baby.

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.

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