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Mut zur Zahl

In Berlin gehen die Koalitionsverhandlungen auf die Zielgerade. SPD, Linke und Grüne berichten fast glückselig von der „Harmonie“, die in Sachen Wissenschaft zwischen ihnen herrsche. Beste Voraussetzungen, mal ein bisschen mutig zu sein. Doch was heißt Mut in einer Zeit, in der die überragende Bedeutung von Bildung Forschung in keiner Sonntagsrede fehlen darf? Mut heißt, konkret zu sein.

Andere Länder wie Baden-Württemberg, aber auch Hessen und Thüringen haben es vorgemacht: Sie haben ihren Hochschulen über Jahre feste Budgetaufwüchse zugesagt und beziffern sie, das ist das Neue, in Prozent. Baden-Württemberg gibt drei Prozent pro Jahr mehr bis 2020, Thüringen jährlich vier Prozent bis 2019. Damit folgen sie dem Beispiel des zwischen Bund und Ländern geschlossenen Pakt für Forschung und Innovation, der die außeruniversitäre Forschung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) schon seit 2006 zuerst mit drei, dann fünf und nun wieder mit drei Prozent mehr pro Jahr beglückt. Und auch der Wissenschaftsrat forderte 2013 eine Erhöhung Hochschulbudgets um ein Prozent über der Inflation, und zwar jedes Jahr.

Wie wichtig solche Formen der Selbstverpflichtung sind, zeigt sich gerade angesichts der Spardebatte in Baden-Württemberg: Man mag von Theresia Bauers Studiengebührenplänen für internationale Studenten halten, was man will, im Vordergrund steht das unbedingte Bemühen der grünen Wissenschaftsministerin, das öffentlich gegebene Versprechen zu erfüllen.

Berlin könnte zu dem begonnenen Kulturwandel in der Hochschulfinanzierung beitragen, indem die Koalitionäre sich ebenfalls auf eine Zahl verständigen. Der Effekt wäre gleich dreifach positiv: Erstens, weil die Hochschulen über einen längeren Zeitraum planen können und die Grundmittel, wie alle fordern, endlich wieder verlässlich wachsen. Zweitens, weil die heutige Wissenschaftspolitik damit Standards setzt, denen sich künftige Regierungen kaum verweigern können: Wer möchte schon derjenige sein, der so eine langfristige Zusage wieder einkassiert? Drittens, weil die Hochschulen dann ihrerseits in die Pflicht genommen werden können für eine vorausschauende Personalplanung und, wo es sinnvoll ist, für mehr Dauerstellen.

Kurzum: Es wäre eigentlich schon der erste Offenbarungseid, wenn der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag in Berlin einen konkreten Prozentwert nicht enthalten würde. Doch sind wir mal optimistisch. Und trauen ihn der neuen Koalition zu: den Mut zur Zahl.

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.

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