Der nächste Trump-Effekt

Wie neue weltpolitische Lage die deutsche Wissenschaft einholt

ES MUSS EINE eindrückliche Rede gewesen sein, die Angela Merkel vergangene Woche vor dem Wissenschaftsrat gehalten hat. Es war der Vorabend von Trumps Amtseinführung, und gleich mehrere der Anwesenden berichteten danach, die Bundeskanzlerin habe den Nerv getroffen mit ihrer Analyse der weltpolitischen Zusammenhänge. Sie begann mit dem neuen US-Präsidenten und endete mit der künftigen Wissenschaftsfinanzierung. Deutschland müsse und werde sein Verteidigungsbudget massiv aufstocken, sagte Merkel und sprach von zweistelligen Milliardenbeträgen zusätzlich – pro Jahr. Eine Summe, die sich schon logisch ergibt aus der Vorgabe der NATO, die Militärausgaben auf 2 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Was man womöglich bislang ignorieren konnte, geht unter Donald „America First“ Trump nicht mehr.

 

Was das mit Bildung und Forschung zu tun hat, liegt auf der Hand. In den vergangenen 15 Jahren haben diese beiden Politikfelder mit am stärksten von Zuwächsen profitiert, doch selbst in Zeiten von Haushaltsüberschüssen lässt sich jeder Euro nur einmal ausgeben. Die Botschaft von Merkel: Wir stehen zur Wissenschaft. Aber stellt euch darauf ein, dass es enger wird in Zukunft.

 

Wer Proteste von Seiten der Wissenschaftsminister erwartet, ist im Irrtum. Sie äußern Verständnis. Sie wissen, dass ihr Politikfeld keine Exklusivrechte besitzt. Sie wissen, dass Deutschland sich nicht abkoppeln kann von den internationalen Umwälzungen. Und sie wissen, dass eine Bundeskanzlerin, die über so viele Jahre so konsequent für „mehr Geld für Bildung und Wissenschaft“ eingetreten ist, Unterstützung verdient, wenn sie reagieren muss auf das, was da draußen in der Welt los ist.

 

Ist das jetzt der wissenschaftspolitische Wendepunkt? Ich glaube nicht. Gerade erst hat die Union als neue Zielmarke ausgegeben, die Ausgaben für Forschung auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Da kann man nicht wenige Wochen später einen Rückzieher machen. Klar ist aber auch: Die Zeiten, in denen sich das Budget des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in zehn Jahren verdoppelt hat, dürften vorbei sein. Übrigens unabhängig davon, wer von Herbst an im Kanzleramt sitzt. Und die Bundesländer müssen sich fragen lassen, was sie jetzt ihrerseits tun wollen, um den Run der vergangenen Jahre fortzusetzen.

 

In der Ära Trump fährt die Politik, auch die deutsche Politik, auf Sicht. Das gleiche, so ist zu befürchten, lässt sich künftig über die Wissenschaft sagen.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief. Meine Analyse zum gestrigen Fachgespräch des zuständigen Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung zur Zukunft der Wissenschaftsfinanzierung finden Sie hier. 

Fotonachweise
Metropolico.org: "Angela Merkel", CC BY-SA 2.0
Gage Skidmore: "Donald Trump", CC BY-SA 2.0

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