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Da geht noch was

Bislang standen die Berliner Universitäten im Verdacht, im Wettstreit um Fördergelder kaum mehr zu sein als eine Beutegemeinschaft. Spätestens mit dem Gewinn des Deutschen Internet-Instituts hat sich das geändert.

Abbildung: Screenshot der Projektwebsite
Abbildung: Screenshot der Projektwebsite

ALSO WIEDER BERLIN. Es ist ein großartiger Erfolg für die Wissenschaft der Hauptstadt, dass das Deutsche Internet-Institut nach Berlin kommen soll. Wie Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) heute Mittag mitteilte, hat sich das Berliner Bewerberkonsortium um das Wissenschaftszentrum  für Sozialforschung (WZB) gegen die vier Konkurrenten aus München, Hannover, Karlsruhe und Bochum durchgesetzt. Titel des interdisziplinären Gewinnerantrags: "Internet-Institut für die vernetzte Gesellschaft".

 

Für den Aufbau des Instituts zahlt der Bund in den ersten fünf Jahren bis zu 50 Millionen Euro, der digitale Wandel in seiner Gesamtheit soll erforscht werden, von rechtlichen über ethisch und ökonomischen Fragen bin hin zu seinen gesellschaftlichen Auswirkungen. Partner sind neben dem WZB die Freie und die Technische Universität, die Humboldt-Universität, die Universität der Künste (UdK), die Universität Potsdam und das Fraunhofer-Institut FOKUS. Noch in diesem Jahr soll das Institut seine Arbeit aufnehmen.

Erst Anfang April hatte das "Einstein Center Digital Future" (ECDF) Eröffnung gefeiert, eine viel beachtet Public-Private-Partnership, die größtenteils dieselben universitären Partner umfasst: FU, TU und HU Berlin, die UdK dazu die Charité Universitätsmedizin. Auch unter den außeruniversitären Organisationen finden sich mit dem FOKUS ein identischer Partner, dazu kommen zwei weitere Fraunhofer-Institute, zwei Helmholtz-Zentren, das Konrad-Zuse-Institut, die Physikalisch Technische Bundesanstalt und das BIH. Warum ich das so ausführlich aufzähle: Weil sich hier ein Muster herausbildet, das für die Zukunft noch bedeutender werden könnte.


50 Millionen auf fünf Jahre für das Deutsche Internet-Institut, schon jetzt 38,5 Millionen Euro für das ECDF, zu einem guten Teil beigesteuert von Unternehmen der Hauptstadtregion. Das sind echte Brocken. Und zu jedem
aus der Wirtschaft eingeworbenen Euro gibt das Land Berlin weitere 50 Cent hinzu. Mindestens 50 neue Professuren sollen am ECDF entstehen, im so genannten Kernbereich "Digitale Infrastruktur, Methoden und Algorithmen" dazu in den Innovationsbereiche genannten Feldern "Digitale Gesundheit", "Digitale Gesellschaft und Geisteswissenschaften" sowie "Digitale Industrie und Dienstleistungen". Schon in diesen Bezeichnungen werden die großen Überschneidungen zum Antrag des Deutschen-Internet-Instituts deutlich, so dass man spätestens von heute an sagen kann: Berlin ist nicht nur Zentrum der nationalen (und teilweise auch der europäischen) IT-Startup-Szene, die Hauptstadt ist auch auf dem Weg zum internationalen Schwergewicht in der Erforschung der technischen und sozialwissenschaftlichen Grundlagen für die digitale Gesellschaft von heute und morgen.

 

Die wissenschaftspolitischen Folgen dürften weitreichend sein. So hatten Skeptiker (zu denen ich mich an dieser Stelle  auch selbst zähle) bislang zu Recht gefragt, ob es nicht allzu durchsichtig sei, wenn die neue Exzellenzstrategie besonders Verbundanträge fördern will und die Berliner Universitäten rein zufällig plötzlich den Gemeinschaftsgeist und, mehr noch, die Liebe zueinander entdecken. Sicherlich werden auch angesichts der heutigen Entscheidung viele in der Republik ihrer Befürchtung bestätigt fühlen, dass der Zentralismus in der Wissenschaft weiter um sich greift.

 

Mit den beiden Brocken ECDF und DII zeigt die Berliner Wissenschaftsszene allerdings auf einen Doppelschlag, dass es tatsächlich so etwas wie eine plausible gemeinsame Erfolgsstory geben könnte. Eine Erfolgsstory, die nicht einfach lautet: Wir machen gute Wissenschaft, weil wir größer als die anderen sind. Sondern vielmehr: Wir sind so groß und breit aufgestellt, dass wir wie kein zweiter Standort in Deutschland in der Lage sind, uns strategisch und interdisziplinär an den jeweils neuen Zukunftsfeldern auszurichten. Nebenbei gesagt eine Erkenntnis, die ECDF und DII erheblich unterscheidet vom Konzept des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIH), das vor seiner Gründung weder einen Ideenwettbewerb bestehen musste, noch mussten seine Partner zunächst selbst Millionen einwerben, – was sicherlich ebenfalls zusammenschweißt. 

 

Schnelle Entscheidungen, ein kollegiales Verständnis zwischen Forschern UND Forschungsmanagern. Und eine Landespolitik, die zwar manchmal aufdringlich zur Zusammenarbeit pusht, aber (auch das ist deutschlandweit alles andere selbstverständlich!) als Finanzier guter Ideen dann auch verlässlich an der Seite der Bewerber steht: Spätestens seit dem heutigen Tag zeichnet sich ab, dass die uniübergreifende Berliner Bewerbung um die Exzellenzkrone (und damit rede ich vor allem von der so genannten zweiten Förderlinie, den Exzellenzuniversitäten) mehr werden könnte als eine naheliegende Beutegemeinschaft. Vielleicht am Ende sogar eine Story, deren weiterer Erzählung man nicht gelangweilt verfolgt – sondern mit echter Neugier, was wohl als nächstes kommt. 


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Kommentare: 1
  • #1

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 04:36)

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